15.04.2020 Aufrufe

syndicom magazin Nr. 16

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

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Dossier<br />

Das Corona-Virus ist neoliberal<br />

13<br />

Hinter Shutdown und Wirtschaftskrise<br />

tritt jetzt eine andere, noch mächtigere<br />

Krise hervor.<br />

Text: Oliver Fahrni<br />

Bilder: Markus Forte<br />

Er hat auf die globale Corona-Seuche spekuliert. Am<br />

20. März war der amerikanische Hedgefonds-Manager<br />

Bill Ackman damit um 2,6 Milliarden Dollar reicher. Das<br />

entspricht dem Monatslohn von 1 200 000 US-Pöstlern.<br />

Wenn sie denn noch Arbeit hätten. Im Raubtierkapitalismus<br />

trifft eine Epidemie nicht alle gleich.<br />

Wir wissen von Ackman, weil er mit seinem Gewinn<br />

geprotzt hat. Doch viele andere Banker und Spekulanten,<br />

auch in der Schweiz, haben es ihm gleichgetan. Das zeigen<br />

die Finanzmarktstatistiken, Rubrik «Kreditderivate». Mit<br />

Massensterben, Seuchen und wirtschaftlichen Zusammenbrüchen<br />

lässt sich 2020 fettes Geld machen.<br />

Derweil sterben Pfleger und Ärztinnen, Lieferboten<br />

und Polizistinnen, Reinigungsleute, Verkäuferinnen und<br />

Industriearbeiter, weil sie schlecht geschützt gegen Corona<br />

kämpfen oder die Bevölkerung versorgen müssen. In<br />

New York, Bergamo, Lille, Zürich. Überall fehlen Masken,<br />

Beatmungsgeräte, Tests, Intensivpflege-Betten, Schutzkleidung.<br />

Und medizinisches Personal. Ende März wurden<br />

sogar Schmerz- und Anästhesiemittel knapp. Nun<br />

wird in Triage-Zelten vor Krankenhäusern entschieden,<br />

wessen Leben eine Behandlung lohnt. In den armen Quartieren<br />

von Marseille, immerhin die zweitgrösste Stadt der<br />

fünften Volkswirtschaft der Welt, ist eine kleine Hungersnot<br />

ausgebrochen: Weil die Schulkantinen geschlossen<br />

bleiben, kommen viele Kinder nicht mehr zu ihrer einzigen<br />

warmen Mahlzeit täglich.<br />

Wegschauen funktioniert nicht mehr. Die Lage in Gefängnissen,<br />

Altersheimen und Flüchtlingslagern mögen<br />

viele weiter ignorieren. Aber spätestens seit jene Kolonne<br />

von Militärlastwagen in der Nacht Särge aus Bergamo<br />

heraus fuhr, fühlen sich alle in Gefahr.<br />

Covid-19 öffnet uns die Augen. Heute ist für alle einsehbar,<br />

klarer noch als in der Krise 2007/08, wie mörderisch<br />

der neoliberale Kapitalismus und neoliberales<br />

Regie ren sind. Medikamente, Tests und Beatmungsgeräte<br />

sind knapp, weil die Konzerne «lean» produzieren, wie<br />

Betriebswirtschaftler sagen, also ohne Lagerhaltung.<br />

Manche Mittel und Impfstoffe werden gar nicht mehr hergestellt<br />

– Krebs ist rentabler. Spitalbetten fehlen, weil die<br />

Gesundheitsversorgung, wie der gesamte öffentliche<br />

Dienst, krankgespart, privatisiert und konzentriert wird.<br />

Uns bleibt die Angst vor der Krankheit – und vor der absehbaren<br />

Explosion der Krankenkassenprämien.<br />

Eigentlich wüssten Regierungen, wie man Epidemien<br />

bekämpft. Man hat aus Schweinegrippe, Ebola, Sars etc.<br />

im Prinzip gelernt. Grundregel: Massenweise testen, isolieren,<br />

behandeln. So hätte man auch das Corona-Virus<br />

klein halten können. Doch erstens fehlten die Tests. Und<br />

Mit 10 000 Milliarden<br />

Geldspritze gegen<br />

die Seuche?<br />

zweitens haben die Regierungen viel zu lange gezögert,<br />

weil sie unter dem Druck der Konzerne standen. Ärzte<br />

warnten schon Ende Januar vor Covid-19. Doch Mitte Februar<br />

2020 gab es noch immer täglich 14 Flugverbindungen<br />

von Paris nach Wuhan. Denn dort liegt das Zentrum für<br />

Asien der französischen Autoindustrie. Nur ein Beispiel<br />

unter anderen.<br />

Kommentatoren lesen darin ein «Versagen» der Regierungen.<br />

Der Wahrheit näher kommt, dass Regierende die<br />

Fürsorgepflicht für die Bevölkerungen geringer wägen als<br />

die wirtschaftlichen Interessen. Das ist Teil ihrer neoliberalen<br />

Programmierung. Paradoxerweise hat diese<br />

Unterwerfung der Politik durch die Aktionäre das brutale<br />

Herunterfahren der Wirtschaft und die globale Quarantäne<br />

für 3 Milliarden Menschen erst notwendig gemacht.<br />

So haben die Neoliberalen die grösste Wirtschaftskrise<br />

seit 1929 provoziert. Mit allen politischen und gesellschaftlichen<br />

Verwerfungen, die in den kommenden<br />

Monaten und Jahren die Welt, wie wir sie kennen, erschüttern<br />

werden.<br />

Bis vor ein paar Wochen galt fast weltweit: Es gibt kein<br />

Geld für gar nichts, nicht für die Altersvorsorge, nicht für<br />

die Sozialversicherungen, nicht für den Service public<br />

oder öffentliche Investitionen. Doch nun haben allein<br />

Deutschland, Frankreich und Grossbritannien auf einen<br />

Schlag 1,2 Billionen Euro (1350 Milliarden Franken) für<br />

den Kampf gegen die Folgen des Shutdowns lockergemacht.<br />

Kein Wort mehr von der 3-Prozent-Neuverschul-

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