15.04.2020 Aufrufe

syndicom magazin Nr. 16

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

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22 Politik<br />

Hinter einem Virus kann sich<br />

ein anderes verbergen ...<br />

Das Home-Office verbreitet sich – oft zu Bedingungen, die von<br />

den Unternehmen diktiert werden. Die Arbeitnehmenden und<br />

Gewerk schaften müssen die rechtlichen und sozialen Begleitumstände<br />

dieser Entwicklung im Auge behalten.<br />

Angst vor einer zweiten Virus welle<br />

oder einer Virusmutation werden<br />

beibehalten wollen?<br />

Das Gleiche gilt für die Wirtschaft:<br />

Auch ihre Massnahmen, die<br />

sich bereits auf Millionen von Arbeitnehmenden<br />

auswirken, werden<br />

nach dem Ausnahmezustand fortbestehen.<br />

Text: Marc Rezzonico<br />

Bild: Burst<br />

Die Schweizer Demokratie – auf<br />

Sparflamme, pausiert oder sistiert –<br />

bekommt die Coronavirus-Krise mit<br />

voller Wucht zu spüren. Die Abstimmungen<br />

vom Mai abgesagt, die parlamentarische<br />

Arbeit offline, keine<br />

politischen Kampagnen, E-Voting<br />

nicht bereit, die gesetzgeberische<br />

Arbeit blockiert. Und dies bis auf<br />

weiteres. Niemand weiss, wie lange<br />

der Krisenzustand anhalten wird.<br />

Vorsicht bei Massenüberwachung<br />

im Namen der Gesundheit<br />

Die demokratische Funktionsweise<br />

unseres Landes ist mit einer Gesundheitskrise<br />

nicht vereinbar.<br />

Deshalb behilft man sich mit Massnahmen<br />

von Fall zu Fall. Auch mit<br />

technologischen: Die Swisscom<br />

etwa meldet den Behörden, wenn<br />

über 20 Handys auf einer Fläche von<br />

100 Quadratmetern sind. Einige dieser<br />

Massnahmen heben Grundfreiheiten<br />

(Versammlungsrecht) und<br />

Grundrechte (Schutz der Privatsphäre)<br />

auf. Im Namen der Gesundheit<br />

sind wir daran, die geografische und<br />

bald auch biometrische Massenüberwachung<br />

hinzunehmen.<br />

In seinen Massnahmen für den<br />

Gesundheitsschutz geht der Staat<br />

Schritt für Schritt vor und spricht<br />

von einem Marathon. Wieso nicht<br />

ein Sprint, um die nötigen Vorkehrungen<br />

zu treffen? Zahlreiche Ärztinnen<br />

und Ärzte fordern rasche<br />

und drastische Massnahmen.<br />

Die Wirtschaft bremst den<br />

Staat. Eine vollständige Ausgangssperre<br />

für die Bevölkerung wie in<br />

Italien würde die Schweiz fast 29<br />

Milliarden Franken monatlich kosten.<br />

Die Wirtschaft versucht aber<br />

nicht nur, den Schaden zu begrenzen.<br />

Sie versucht auch, die sich bietenden<br />

neuen Chancen zu erkennen<br />

und zu nutzen. Sie organisiert sich<br />

neu, legt neue Paradigmen fest.<br />

Die biometrische Überwachung<br />

beispielsweise. Diese erinnert an die<br />

Diskussionen über das elektronische<br />

Patientendossier und die riesigen<br />

wirtschaftlichen Interessen am<br />

Zugang zu den medizinischen Daten<br />

der Bevölkerung. Die Corona-Krise<br />

ist die perfekte Gelegenheit, um die<br />

Liberalisierung dieses Marktes zu<br />

erreichen …<br />

Die jetzt im Namen des Notstands<br />

ergriffenen staatlichen Massnahmen<br />

geben auch deshalb Anlass<br />

zu Besorgnis, weil solche temporären<br />

Massnahmen die leidige Angewohnheit<br />

haben, Ausnahmesituationen<br />

zu überdauern. Wollen wir<br />

wetten, dass die Staaten sie aus<br />

Mogelpackung Home-Office<br />

Home-Office als Allheilmittel. Gewöhnlich<br />

arbeiten nur 10 % der<br />

Schweizer Arbeitnehmenden im<br />

Home-Office (Quelle: BFS, 2018).<br />

Jetzt verbreitet es sich, wobei die<br />

Unternehmen die Bedingungen vorgeben,<br />

ohne gesetzliche Regelung.<br />

Eine solche braucht es aber sofort.<br />

Und nicht vergessen werden dürfen<br />

die übrigen Arbeitnehmenden: Die,<br />

die nicht mehr oder weniger arbeiten,<br />

und die, die in bestimmten<br />

Branchen nun 60-Stunden-Wochen<br />

haben. Das Home-Office beschleunigt<br />

die berufliche Diskriminierung,<br />

nichts anderes.<br />

Unfairer Wettbewerb<br />

Der Online-Handel explodiert, super!<br />

Trotz des vom Bundesrat beschlossenen<br />

Massnahmenpakets in Höhe von<br />

60 Milliarden Franken werden viele<br />

kleine Geschäfte und Selbständige<br />

die Krise nicht überleben. Im Paket<br />

geht es nur um Geld, es ist kein gesetzgeberisches<br />

«Schutz-Paket».<br />

Denkt an die Buchhandlungen. Da<br />

sie als «nicht essenziell» für das Land<br />

betrachtet werden, müssen sie geschlossen<br />

bleiben. Online-Buchbestellungen<br />

laufen nun einfach über<br />

Amazon. Das ist unfairer Wettbewerb.<br />

Wie viel Finanzmacht und<br />

Marktkontrolle werden Amazon und<br />

weitere Online-Riesen dadurch erwerben?<br />

Unter welchen Bedingungen<br />

arbeiten ihre Angestellten angesichts<br />

der Arbeitsüberlastung? Und unter<br />

welchen Bedingungen werden die<br />

Kleinhändler arbeiten, wenn die<br />

Wirtschaft wieder angekurbelt wird?<br />

Während dieses erzwungenen<br />

Stillstands sollten Arbeitnehmende,<br />

Gewerkschaften, Bürgerrechtsorganisationen<br />

alles Interesse haben,<br />

vor allem in rechtlicher und sozialer<br />

Hinsicht und weniger in politischer<br />

Hinsicht sehr gut hinzuschauen und<br />

reaktionsbereit zu sein.<br />

FAQ Corona und Arbeit bei <strong>syndicom</strong>.ch:<br />

Bit.ly/2JrJ42w

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