15.04.2020 Aufrufe

syndicom magazin Nr. 16

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

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30<br />

Aus dem<br />

Leben von ...<br />

Henner Knorr: «Die Flankierenden<br />

Massnahmen sind eine gute Sache»<br />

Henner Knorr, 53, geboren in Bremen<br />

(Deutschland), schloss erst sein Studium<br />

als Diplomphysiker ab, bevor er<br />

eher zufällig Webdesigner für eine NGO<br />

in den Niederlanden wurde. In dieser<br />

Zeit engagierte er sich ehrenamtlich<br />

für die Rechte von Migrant*innen.<br />

Nach einem kurzen Abstecher in die<br />

Bildungsbranche hat er erst im Callcenter<br />

gelernt, was es eigentlich<br />

braucht, um ein guter Lehrer zu sein:<br />

zuhören – und Wissen in kleinen Happen<br />

vermitteln. Er lebt in einer kleinen<br />

Stadt im Landkreis Konstanz und nennt<br />

Musik einen festen Teil seines Lebens.<br />

Neben seinem Job im Callcenter bei<br />

der Capita Customer Services AG in<br />

Täger wilen engagiert er sich als Branchenvorstand<br />

Contact- und Callcenter<br />

bei <strong>syndicom</strong>.<br />

Text: Philippe Wenger<br />

Bild: Alexander Egger<br />

Eine gewerkschaftliche<br />

Einstellung ist für mich<br />

selbstverständlich<br />

Im Callcenter gibt es viele, die sagen:<br />

«Ich bin nur temporär hier» – selbst<br />

wenn sie eigentlich eine Festanstellung<br />

haben. Das macht es schwierig,<br />

Leute zu finden, die sich gewerkschaftlich<br />

engagieren.<br />

Dass Engagement aber wichtig<br />

ist, habe ich am eigenen Leib erfahren:<br />

Früher war es in meinem Betrieb<br />

üblich, Kranksein abzustrafen. In<br />

einem für mich besonders bitteren<br />

Fall wurde mir ein Bonus mit dazugehörigem<br />

Stufenanstieg gestrichen,<br />

für den ich zuvor über lange Zeit gute<br />

Leistungen gezeigt hatte. Die Hochstufung<br />

verschob sich um ein halbes<br />

Jahr, und das nur, weil ich in einem<br />

Dezember für zwei Tage ausfiel.<br />

Auf meinen Protest hin – erst bei<br />

meinem Chef und dann bei dessen<br />

Chef – hat man dann eine Lösung<br />

gefunden, aber den Bonus hat man<br />

mir trotzdem nicht ausbezahlt. Weil:<br />

so waren ja die Regeln. Aber solche<br />

Regeln dürfen nicht sein. Ich fühlte<br />

mich beschmutzt und von meinem<br />

Arbeitgeber nicht wertgeschätzt. Da<br />

habe ich gemerkt, dass etwas grundlegend<br />

falsch lief, das die Firma<br />

nicht alleine korrigieren konnte.<br />

Es brauchte die Gewerkschaft.<br />

Seither engagiere ich mich für<br />

bessere Arbeitsbedingungen. Dass<br />

wir 2015 einen GAV aushandeln<br />

konnten, hat einiges verbessert:<br />

So ist Kranksein heute kein Grund<br />

mehr, einen Bonus zu streichen, wir<br />

haben mehr Urlaubstage, und die<br />

paritä tische Kommission wacht über<br />

die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen<br />

– etwa bei den Schichtplänen.<br />

Zwar laufen ein paar Dinge<br />

etwas bürokratischer ab als vorher,<br />

aber dafür fairer.<br />

Für mich sind die Flankierenden<br />

Massnahmen zur Personenfreizügigkeit<br />

eine gute Sache. Wer umgekehrt<br />

zum Beispiel als polnischer Grenzgänger<br />

in Deutschland arbeitet, erhält<br />

manchmal weniger Lohn als die<br />

deutschen Kolleginnen und Kollegen<br />

– das baut einen ungesunden Konkurrenzdruck<br />

in der Belegschaft auf.<br />

In der Schweiz ist das anders: Zwar<br />

verdienen Leute, die nahe der Grenze<br />

wohnen, weniger als jene aus Zürich,<br />

aber es wird nicht nach deiner Nationalität<br />

unterschieden. Den gleichen<br />

Job könnte ich in Deutschland nicht<br />

machen, weil der Lohn viel zu tief<br />

wäre.<br />

Dafür nehme ich auch einen langen<br />

Arbeitsweg von mindestens eineinviertel<br />

Stunden pro Weg in Kauf.<br />

Ich habe immer mein Faltvelo dabei,<br />

mit dem ich über die Grenze radle,<br />

und mein Kornett, ein kleines, trompetenähnliches<br />

Instrument, hilft<br />

mir, Wartezeiten zu überbrücken.<br />

Ich mache meinen Job gerne und<br />

für mich ist eine gewerkschaftliche<br />

Einstellung selbstverständlich. Über<br />

mein Amt im Branchenvorstand hinaus<br />

habe ich aber keine Ambitionen<br />

für eine Gewerkschaftskarriere. Ich<br />

wünschte mir bloss, dass man uns<br />

Milizer etwas mehr in die politischen<br />

Entscheidungen einbezieht. Vielleicht<br />

wird es dann etwas leichter,<br />

die Leute zu aktivieren – auch wenn<br />

es wohl schwierig bleiben wird.<br />

<strong>syndicom</strong>.ch/branchen/ccc

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