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Stenografischer Bericht 4. Sitzung - Deutscher Bundestag

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148<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>4.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002<br />

Hartmut Koschyk<br />

unserem Land ausgeht, sehr drastisch beschrieben. Der<br />

Terrorismus ist grausame Realität unseres Lebens geworden.<br />

Er hat weltweite Ziele und trifft, wie Djerba, Moskau,<br />

Bali und auch der 11. September gezeigt haben, auch<br />

deutsche Mitbürgerinnen und Mitbürger.<br />

Der stellvertretende Vorsitzende des Bundes <strong>Deutscher</strong><br />

Kriminalbeamter Klaus Jansen, ein Experte aus dem Bundeskriminalamt,<br />

hat zur Bedrohungslage in Deutschland<br />

vor kurzem in der „FAZ“ gesagt, dass es in Deutschland<br />

nicht nur eine abstrakte Gefahr von Terroranschlägen<br />

gebe. Jansen sagte in der „FAZ“ wörtlich:<br />

Ich glaube nicht, dass die deutsche Öffentlichkeit<br />

derzeit vollständig von der politischen Führung über<br />

die bevorstehenden Gefahren unterrichtet wird.<br />

Solche in der Öffentlichkeit von sicherheitspolitischen<br />

Praktikern gemachten Aussagen müssen uns doch zu denken<br />

geben.<br />

Welche Brisanz die Bekämpfung des internationalen<br />

Terrorismus vor allem auch in Deutschland besitzt, haben<br />

vor kurzem die Verhaftungen des Marokkaners Mzoudi,<br />

der zu der Hamburger Zelle um Mohammed Atta enge<br />

Beziehungen unterhalten und sie logistisch unterstützt<br />

haben soll, und des Jemeniten Ramzi Binalshibh gezeigt.<br />

Wir müssen doch zur Kenntnis nehmen, dass gerade<br />

Deutschland im Zentrum der Ermittlungen im Zuge der<br />

Anschläge des 11. September steht. Drei der vier in den<br />

USA entführten Flugzeuge wurden von Selbstmordpiloten<br />

gesteuert, die lange Zeit in Deutschland gelebt haben.<br />

Samuel Huntington hat erst vor kurzem in der „Zeit“<br />

festgestellt:<br />

Im 21. Jahrhundert hat die Ära der muslimischen<br />

Kriege begonnen.<br />

Mancher mag das für überzogen halten. Sicherlich gibt es<br />

verschiedene Ursachen für die Gefahr, die auch unserem<br />

Land und der internationalen Gemeinschaft durch den islamischen<br />

Fundamentalismus droht.<br />

Auch wenn wir immer wieder die Notwendigkeit eines<br />

Dialogs mit dem Islam beschwören und wir diese<br />

Aufgabe auch leisten müssen, so müssen wir doch zur<br />

Kenntnis nehmen, dass es auch im islamischen Fundamentalismus<br />

ausgesprochene Feindseligkeit gegenüber<br />

spezifisch westlichen Ideen gibt – wie Individualismus,<br />

Liberalismus, Konstitutionalismus, Demokratie, Menschenrechten<br />

sowie Gleichheit von Gruppen und Geschlechtern.<br />

Feindseligkeit gibt es auch – das haben mich<br />

viele, mich bestürzende Aussagen gelehrt – gegenüber<br />

dem christlich-jüdischen Wertekanon. Wir müssen zur<br />

Kenntnis nehmen, dass aus dieser Aggression der Nährboden<br />

für Gewalt und Terror entsteht.<br />

Die Praxis in den letzten Monaten hat deutlich gemacht,<br />

dass Ihre Antiterrorpakete I und II gravierende<br />

Sicherheitslücken haben. Ihre Antiterrorpakete sind mehr<br />

von der Hoffnung geprägt, die latente Gefahr möge niemals<br />

Wirklichkeit werden. Sie verkennt, dass Deutschland<br />

nicht nur Ruheraum, sondern Operationsraum ist und im<br />

Visier des internationalen Terrorismus steht.<br />

(Rüdiger Veit [SPD]: Das verkennt kein<br />

Mensch!)<br />

Herr Minister, Sie haben vorhin zu Recht gesagt, dass<br />

das Ausmaß der Größenordnung der terroristischen Gefahr<br />

in Deutschland das Maß unserer gemeinsamen Verantwortung<br />

beschreibt. Deshalb bieten wir Ihnen an und<br />

wir appellieren an Sie: Lassen Sie uns noch einmal darüber<br />

sprechen, ob nicht die aus unserer Sicht bestehenden<br />

Sicherheitslücken in den beiden Antiterrorpaketen<br />

durch die Vorschläge, die die Union unterbreitet hat, geschlossen<br />

werden können.<br />

Es gibt durchaus einen Unterschied zwischen dem, was<br />

Sie zu der Evaluierung des Antiterrorpakets II meinen und<br />

was die Kollegin von den Grünen dazu gesagt hat. Sie haben<br />

von Korrektur- und Justierungsbedarf im Sinne von<br />

möglichen Verbesserungen gesprochen, während die Kollegin<br />

von den Grünen gesagt hat: Wir wollen nicht länger,<br />

dass der Innenminister den Wettlauf gegen die Opposition<br />

gewinnen muss, die ihn in dieser Frage unter Druck setzt.<br />

(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE<br />

GRÜNEN]: Stimmt überhaupt nicht! – Claudia<br />

Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-<br />

NEN]: Wenn Sie zitieren, dann zitieren Sie<br />

richtig!)<br />

Herr Minister, warten Sie mit dieser Evaluierung nicht<br />

zwei Jahre! Überlegen Sie jetzt, was getan werden muss!<br />

Setzen Sie sich mit unseren Vorschlägen konstruktiv auseinander!<br />

Die Politik, die die Kollegin von den Grünen<br />

angedeutet hat und die klar erkennen lässt, dass es eher<br />

um Aufweichung und die Wiederabschaffung einiger dieser<br />

Teile des aus unserer Sicht unzureichenden Antiterrorpaketes<br />

II geht, wird auf unseren entschiedenen Widerstand<br />

stoßen.<br />

Für uns ist ein zentraler Punkt der Verbesserung, dass die<br />

Einreise gewaltbereiter Extremisten nach Deutschland<br />

verhindert wird bzw., sofern sie bereits in unserem Land<br />

sind, die Voraussetzungen geschaffen werden, um diese<br />

Personen leichter auszuweisen und abzuschieben.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU)<br />

Ich kann weitere Punkte nennen. Wenn der Innenausschuss<br />

seine Arbeit wieder aufgenommen hat, können wir<br />

unsere Vorschläge Punkt für Punkt diskutieren. Dabei<br />

können Sie, Herr Minister, deutlich machen, wo Sie unsere<br />

Vorschläge für nicht praktikabel halten. Aber dass<br />

seinerzeit viele unserer Vorschläge bei der Behandlung im<br />

<strong>Bundestag</strong>sinnenausschuss einfach abgelehnt worden<br />

sind,<br />

(Jörg Tauss [SPD]: Zu Recht!)<br />

können wir bis heute nicht verstehen.<br />

Wir meinen, wir brauchen eine Erweiterung der Verbotsmöglichkeiten<br />

für islamistisch-extremistische Vereine.<br />

Wir brauchen die Strafbarkeit der Unterstützung solcher<br />

Vereine.<br />

(Lachen des Abg. Jörg Tauss [SPD])<br />

– Herr Tauss, darüber lacht man nicht.<br />

(Jörg Tauss [SPD]: Wir haben doch gerade damit<br />

angefangen! Das haben Sie nie geschafft!<br />

Was war denn mit dem Kalifatsstaat? Wo leben<br />

Sie denn?)<br />

(C)<br />

(D)

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