Stenografischer Bericht 4. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>4.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002<br />
Hartmut Koschyk<br />
unserem Land ausgeht, sehr drastisch beschrieben. Der<br />
Terrorismus ist grausame Realität unseres Lebens geworden.<br />
Er hat weltweite Ziele und trifft, wie Djerba, Moskau,<br />
Bali und auch der 11. September gezeigt haben, auch<br />
deutsche Mitbürgerinnen und Mitbürger.<br />
Der stellvertretende Vorsitzende des Bundes <strong>Deutscher</strong><br />
Kriminalbeamter Klaus Jansen, ein Experte aus dem Bundeskriminalamt,<br />
hat zur Bedrohungslage in Deutschland<br />
vor kurzem in der „FAZ“ gesagt, dass es in Deutschland<br />
nicht nur eine abstrakte Gefahr von Terroranschlägen<br />
gebe. Jansen sagte in der „FAZ“ wörtlich:<br />
Ich glaube nicht, dass die deutsche Öffentlichkeit<br />
derzeit vollständig von der politischen Führung über<br />
die bevorstehenden Gefahren unterrichtet wird.<br />
Solche in der Öffentlichkeit von sicherheitspolitischen<br />
Praktikern gemachten Aussagen müssen uns doch zu denken<br />
geben.<br />
Welche Brisanz die Bekämpfung des internationalen<br />
Terrorismus vor allem auch in Deutschland besitzt, haben<br />
vor kurzem die Verhaftungen des Marokkaners Mzoudi,<br />
der zu der Hamburger Zelle um Mohammed Atta enge<br />
Beziehungen unterhalten und sie logistisch unterstützt<br />
haben soll, und des Jemeniten Ramzi Binalshibh gezeigt.<br />
Wir müssen doch zur Kenntnis nehmen, dass gerade<br />
Deutschland im Zentrum der Ermittlungen im Zuge der<br />
Anschläge des 11. September steht. Drei der vier in den<br />
USA entführten Flugzeuge wurden von Selbstmordpiloten<br />
gesteuert, die lange Zeit in Deutschland gelebt haben.<br />
Samuel Huntington hat erst vor kurzem in der „Zeit“<br />
festgestellt:<br />
Im 21. Jahrhundert hat die Ära der muslimischen<br />
Kriege begonnen.<br />
Mancher mag das für überzogen halten. Sicherlich gibt es<br />
verschiedene Ursachen für die Gefahr, die auch unserem<br />
Land und der internationalen Gemeinschaft durch den islamischen<br />
Fundamentalismus droht.<br />
Auch wenn wir immer wieder die Notwendigkeit eines<br />
Dialogs mit dem Islam beschwören und wir diese<br />
Aufgabe auch leisten müssen, so müssen wir doch zur<br />
Kenntnis nehmen, dass es auch im islamischen Fundamentalismus<br />
ausgesprochene Feindseligkeit gegenüber<br />
spezifisch westlichen Ideen gibt – wie Individualismus,<br />
Liberalismus, Konstitutionalismus, Demokratie, Menschenrechten<br />
sowie Gleichheit von Gruppen und Geschlechtern.<br />
Feindseligkeit gibt es auch – das haben mich<br />
viele, mich bestürzende Aussagen gelehrt – gegenüber<br />
dem christlich-jüdischen Wertekanon. Wir müssen zur<br />
Kenntnis nehmen, dass aus dieser Aggression der Nährboden<br />
für Gewalt und Terror entsteht.<br />
Die Praxis in den letzten Monaten hat deutlich gemacht,<br />
dass Ihre Antiterrorpakete I und II gravierende<br />
Sicherheitslücken haben. Ihre Antiterrorpakete sind mehr<br />
von der Hoffnung geprägt, die latente Gefahr möge niemals<br />
Wirklichkeit werden. Sie verkennt, dass Deutschland<br />
nicht nur Ruheraum, sondern Operationsraum ist und im<br />
Visier des internationalen Terrorismus steht.<br />
(Rüdiger Veit [SPD]: Das verkennt kein<br />
Mensch!)<br />
Herr Minister, Sie haben vorhin zu Recht gesagt, dass<br />
das Ausmaß der Größenordnung der terroristischen Gefahr<br />
in Deutschland das Maß unserer gemeinsamen Verantwortung<br />
beschreibt. Deshalb bieten wir Ihnen an und<br />
wir appellieren an Sie: Lassen Sie uns noch einmal darüber<br />
sprechen, ob nicht die aus unserer Sicht bestehenden<br />
Sicherheitslücken in den beiden Antiterrorpaketen<br />
durch die Vorschläge, die die Union unterbreitet hat, geschlossen<br />
werden können.<br />
Es gibt durchaus einen Unterschied zwischen dem, was<br />
Sie zu der Evaluierung des Antiterrorpakets II meinen und<br />
was die Kollegin von den Grünen dazu gesagt hat. Sie haben<br />
von Korrektur- und Justierungsbedarf im Sinne von<br />
möglichen Verbesserungen gesprochen, während die Kollegin<br />
von den Grünen gesagt hat: Wir wollen nicht länger,<br />
dass der Innenminister den Wettlauf gegen die Opposition<br />
gewinnen muss, die ihn in dieser Frage unter Druck setzt.<br />
(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE<br />
GRÜNEN]: Stimmt überhaupt nicht! – Claudia<br />
Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-<br />
NEN]: Wenn Sie zitieren, dann zitieren Sie<br />
richtig!)<br />
Herr Minister, warten Sie mit dieser Evaluierung nicht<br />
zwei Jahre! Überlegen Sie jetzt, was getan werden muss!<br />
Setzen Sie sich mit unseren Vorschlägen konstruktiv auseinander!<br />
Die Politik, die die Kollegin von den Grünen<br />
angedeutet hat und die klar erkennen lässt, dass es eher<br />
um Aufweichung und die Wiederabschaffung einiger dieser<br />
Teile des aus unserer Sicht unzureichenden Antiterrorpaketes<br />
II geht, wird auf unseren entschiedenen Widerstand<br />
stoßen.<br />
Für uns ist ein zentraler Punkt der Verbesserung, dass die<br />
Einreise gewaltbereiter Extremisten nach Deutschland<br />
verhindert wird bzw., sofern sie bereits in unserem Land<br />
sind, die Voraussetzungen geschaffen werden, um diese<br />
Personen leichter auszuweisen und abzuschieben.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU)<br />
Ich kann weitere Punkte nennen. Wenn der Innenausschuss<br />
seine Arbeit wieder aufgenommen hat, können wir<br />
unsere Vorschläge Punkt für Punkt diskutieren. Dabei<br />
können Sie, Herr Minister, deutlich machen, wo Sie unsere<br />
Vorschläge für nicht praktikabel halten. Aber dass<br />
seinerzeit viele unserer Vorschläge bei der Behandlung im<br />
<strong>Bundestag</strong>sinnenausschuss einfach abgelehnt worden<br />
sind,<br />
(Jörg Tauss [SPD]: Zu Recht!)<br />
können wir bis heute nicht verstehen.<br />
Wir meinen, wir brauchen eine Erweiterung der Verbotsmöglichkeiten<br />
für islamistisch-extremistische Vereine.<br />
Wir brauchen die Strafbarkeit der Unterstützung solcher<br />
Vereine.<br />
(Lachen des Abg. Jörg Tauss [SPD])<br />
– Herr Tauss, darüber lacht man nicht.<br />
(Jörg Tauss [SPD]: Wir haben doch gerade damit<br />
angefangen! Das haben Sie nie geschafft!<br />
Was war denn mit dem Kalifatsstaat? Wo leben<br />
Sie denn?)<br />
(C)<br />
(D)