Stenografischer Bericht 4. Sitzung - Deutscher Bundestag
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Jerzy Montag<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>4.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 137<br />
– Aber, Herr Kollege, sie müssen nachgewiesen sein. Von<br />
einem Verdacht habe ich nicht gesprochen. Ich hoffe, dass<br />
Sie das so gehört haben.<br />
(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das ist der<br />
Punkt, um den gestritten wird!)<br />
Herr Kollege Röttgen hat in seiner Rede beklagt, dass das<br />
Schuldrecht und die Reform der Zivilprozessordnung schon<br />
wieder nachzubessern seien. Ich erkenne durchaus an, dass<br />
es sinnvoll ist, eine Überprüfung nach einiger Zeit vorzunehmen.<br />
Ich schlage aber vor, dass auch Sie von der Opposition<br />
dem großen Reformwerk des Schuldrechts und der<br />
Zivilprozessordnung eine Zeit der Bewährung einräumen.<br />
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-<br />
SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)<br />
Wir können nach vier oder acht Jahren immer noch<br />
darüber diskutieren, ob das eine oder andere nicht noch<br />
einmal verbessert werden kann.<br />
Wir wollen nach dem Zivilverfahren auch den Strafprozess<br />
modernisieren. Er soll bürgernäher, schneller und<br />
effektiver werden. Aber wir werden dabei die verfassungsmäßigen<br />
Rechte der Beschuldigten,<br />
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Täterfreundlich!)<br />
ihrer Verteidiger sowie auch die der Nebenkläger, der Opfer<br />
und ihrer Vertreter nicht zur Disposition stellen.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
sowie bei Abgeordneten der SPD)<br />
Bereits in der letzten Legislaturperiode wurden in der Koalition<br />
Eckpunkte einer Reform der Strafprozessordnung<br />
verabredet. Ich finde, diese stellen eine gute Grundlage<br />
dar. Wir Grünen werden weitergehende Vorschläge in<br />
die Diskussion über die Reform der Strafprozessordnung<br />
einbringen.<br />
Ich wollte eigentlich zur Kronzeugenregelung nichts<br />
sagen; denn sie ist nicht verabredet. Aber nachdem schon<br />
Vorredner darauf eingegangen sind, will ich es doch tun.<br />
Wenn hinter dem Rücken des Gerichts für bestimmte Aussagen,<br />
die nicht überprüft sind und die manchmal nicht<br />
überprüft werden können, Zusagen auf Straferlass gemacht<br />
werden, dann ist dies ein schlechter Deal und hat in<br />
einem rechtsstaatlichen Verfahren nichts zu suchen.<br />
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Wer schlägt<br />
das vor?)<br />
Wenn dies unter Kronzeugenregelung verstanden wird,<br />
(Erwin Marschewski [Recklinghausen]<br />
[CDU/CSU]: Moment!)<br />
dann können wir uns sicherlich darauf einigen, dass wir<br />
das nicht wollen.<br />
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das hat zwar<br />
keiner vorgeschlagen, aber in Ordnung!)<br />
Was wir wollen, steht in der Koalitionsvereinbarung. Wir<br />
wollen die Strafmilderungsgründe in § 46 StGB in denjenigen<br />
Fällen erweitern, in denen Täter für das Gericht<br />
nachweisbar zur Aufklärung beigetragen haben.<br />
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das ist<br />
doch schon heute Praxis!)<br />
– Das ist heutige Praxis. Sie haben völlig Recht. Deswegen<br />
haben wir festgelegt, dass wir die Möglichkeiten<br />
der Strafminderung erweitern wollen.<br />
Dies ist für uns keine Kronzeugenregelung.<br />
(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Für uns<br />
auch nicht!)<br />
Das, was wir von Rot-Grün gemeinsam festgelegt haben,<br />
können wir ja alle gemeinsam angehen.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
sowie bei Abgeordneten der SPD)<br />
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
die Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und<br />
Bündnis 90/Die Grünen ermöglicht eine moderne, den<br />
Grundrechten verpflichtete Rechtspolitik. Wir Grünen<br />
werden die darin liegenden Chancen nutzen. Durch uns<br />
und unsere Politik ist die Gesellschaft offener und toleranter<br />
geworden. Rechtsstaatlichkeit und Selbstbestimmung<br />
in Verantwortung – dies ist unser Weg und diesen<br />
Weg werden wir fortsetzen.<br />
Ich danke Ihnen.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
und bei der SPD)<br />
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:<br />
Herr Kollege Montag, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ersten<br />
Rede in diesem Hause.<br />
(Beifall)<br />
Das Wort hat jetzt Bundesminister Otto Schily für die<br />
Bundesregierung.<br />
Otto Schily, Bundesminister des Innern:<br />
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! In<br />
einer solchen Debatte steht uns allen nur eine begrenzte<br />
Redezeit zur Verfügung. Deshalb ist es nicht möglich, hier<br />
alle Aspekte der Innenpolitik zu beleuchten und alle Aufgabenbereiche<br />
zu erörtern. Ich werde mich daher auf einige<br />
wenige wesentliche Elemente beschränken müssen.<br />
Innenpolitik als Bestandteil der allgemeinen Sicherheitspolitik<br />
muss sich – das muss man mit Sorge und mit<br />
großem Ernst sagen – auf sehr schwierige und gefahrvolle<br />
Jahre einstellen. Die Bedrohung durch den internationalen<br />
islamistisch-fundamentalistischen Terrorismus<br />
– das ist eine realistische Einschätzung – hat zugenommen.<br />
Das entspricht der Lagebeurteilung unserer Sicherheitsinstitutionen<br />
ebenso wie der unserer engsten Verbündeten.<br />
Wir sehen die breite Blutspur des Terrors, dem<br />
zahllose Menschen, darunter viele Kinder und Jugendliche,<br />
zum Opfer gefallen sind, und wir müssen leider voraussehen,<br />
dass sich der Terror fortsetzen wird.<br />
Wir sind mit einem weltweiten Terrorismus konfrontiert,<br />
dessen Todesbesessenheit, dessen Menschenverachtung<br />
und dessen Brutalität uns mit Entsetzen und mit Abscheu<br />
erfüllen. Dieser Terrorismus verkörpert die zum<br />
Äußersten getriebene Menschenfeindschaft und Lebensverachtung,<br />
die Verachtung fremden und des eigenen<br />
(C)<br />
(D)