Stenografischer Bericht 4. Sitzung - Deutscher Bundestag
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Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>4.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 121<br />
nicht nur aus dem Norden, sondern auch aus dem Süden<br />
besteht. In den letzten Tagen gab es eine wichtige Entscheidung.<br />
In Brasilien, dem zentralen Land in Lateinamerika,<br />
ist ein neuer Präsident, Luiz Inácio da Silva, gewählt<br />
worden. An dieser Stelle möchte ich ihm zu seiner<br />
Wahl gratulieren<br />
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/<br />
DIE GRÜNEN)<br />
und ihm zusagen, dass wir die wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />
und die Unterstützung seiner Politik fortsetzen<br />
werden, so wie wir das gegenüber Brasilien bisher auch<br />
getan haben.<br />
Er hat besonders darauf hingewiesen, dass er die Armutsbekämpfung<br />
im eigenen Land in den Mittelpunkt<br />
stellen wird. Der Erfolg des neuen brasilianischen Präsidenten<br />
kann von zentraler Bedeutung für ganz Lateinamerika<br />
sein; denn in fast allen Ländern Lateinamerikas<br />
gab es immer die Hoffnung und Erwartung, dass die Verankerung<br />
der Demokratie mit deutlichen wirtschaftlichen<br />
und sozialen Fortschritten für die breite Masse der Bevölkerung<br />
einhergehen werde. Gerade das ist für die Stabilisierung<br />
von Demokratie und auch für die Situation der<br />
Armen wichtig. Deshalb ist es eine sehr wichtige Entwicklung,<br />
die wir entsprechend fördern wollen.<br />
Es ist schade, dass ich den Kollegen Pflüger jetzt nicht<br />
entdecken kann. Er hat ja über die Frage gesprochen, wo<br />
Ursachen für Terrorismus zu finden sind. An dieser<br />
Stelle will ich sagen: Kofi Annan hat betont, wie wichtig<br />
es ist – wir betonen es ebenfalls; es ist ein Schwerpunkt –,<br />
dazu beizutragen, dass die Ziele der internationalen Gemeinschaft,<br />
die weltweite Armut bis zum Jahr 2015 drastisch<br />
zu reduzieren und dafür zu sorgen, dass alle Kinder<br />
die Chance haben, bis zum 1<strong>4.</strong> Lebensjahr in die Schule<br />
zu gehen, erreicht werden.<br />
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/<br />
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der<br />
FDP)<br />
Das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, den<br />
Koran-Schulen entgegenzuwirken und dazu beizutragen,<br />
dass die Mädchen eine Chance haben. Dafür investieren<br />
wir Finanzmittel. Ein besonderer Schwerpunkt wird daher<br />
die Eröffnung des Zugangs von Kindern zu Bildung und<br />
Ausbildung sein.<br />
Ich möchte an dieser Stelle den Punkt aufgreifen, der<br />
eine große Rolle gespielt hat. Es gibt weiterhin gewalttätige<br />
Gruppierungen und terroristische Banden, die abscheuliche<br />
Verbrechen verüben. Ich zitiere aber den amerikanischen<br />
Politikwissenschaftler Benjamin Barber, der<br />
in der sicherlich nicht des Linksradikalismus zu bezichtigenden<br />
Zeitung „Welt am Sonntag“ kürzlich erklärt hat:<br />
„Armut und Hoffnungslosigkeit schaffen eine Umgebung<br />
für Terror.“ Seine Folgerung lautet:„Wir müssen die Welt<br />
verändern und verbessern.“<br />
Diese Aufgabe dürfen wir in der Diskussion über die<br />
Frage, wo und wann Militär eingesetzt werden soll, nicht<br />
vergessen. Ich bin erstaunt, dass diese Perspektive, über die<br />
wir uns doch immer einig waren, in dieser Debatte fehlt.<br />
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/<br />
DIE GRÜNEN)<br />
Ich habe während des <strong>Bundestag</strong>swahlkampfes viele<br />
Diskussionen zur Irak-Frage geführt. Erstens. Ich verbitte<br />
mir die Unterstellung, dabei sei Antiamerikanismus<br />
praktiziert worden.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des<br />
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)<br />
Zweitens. Die Leute, die da auf den Plätzen standen,<br />
hatten keine antiamerikanischen Ressentiments, sondern<br />
sie wollten dort stehen und sich engagieren, weil sie ein<br />
Signal für Frieden und Prävention und gegen Krieg setzen<br />
wollten. Das ist doch eine wunderbare Motivation, aus der<br />
heraus sich Menschen engagieren. Das sollte hier nicht<br />
diffamiert werden.<br />
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/<br />
DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Gesine<br />
Lötzsch [fraktionslos])<br />
Wir brauchen Investition in Prävention, nicht in<br />
Krieg. Und ich habe die ganze Debatte über zugehört. Ich<br />
bin doch erstaunt: Es wird wirklich mit doppelter Elle gemessen.<br />
Nordkorea hat eingestanden, Massenvernichtungswaffen<br />
entwickelt zu haben. Dieses schlimme, widerwärtige<br />
Regime aus Altstalinisten hat mehrfach gegen<br />
internationale Verträge und Verpflichtungen verstoßen.<br />
Aber die USA wie auch die internationale Gemeinschaft<br />
sind insgesamt der Auffassung, dass massiver politischer<br />
und wirtschaftlicher Druck gegenüber Nordkorea notwendig<br />
ist, und engagieren sich für politische Lösungen.<br />
Warum soll das mit Blick auf den Nahen Osten und den<br />
Irak nicht möglich sein, um zu erreichen, dass die Waffeninspekteure<br />
ins Land gelassen werden und damit ein<br />
Krieg verhindert werden kann? Diese Frage stellt sich<br />
doch jeder. Wir müssen uns dafür engagieren, dass ein<br />
Krieg verhindert wird. Hier wird immer nach Visionen gefragt.<br />
Statt hoch gefährlicher Konzeptionen von „preemtive<br />
strike“,wie sie die US-Regierung ersinnt, sollte endlich<br />
die atomare Abrüstung auch von den Ländern<br />
begonnen werden, die selber über Atomwaffen verfügen.<br />
Das ist die richtige Konsequenz und Schlussfolgerung.<br />
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)<br />
Entwicklungszusammenarbeit in ihren vielen Bereichen<br />
ist eben Friedenspolitik. Sie legt eine erweiterte Sicherheitspolitik<br />
zugrunde. Ich nenne nur stichwortartig<br />
den Versuch, den Transfer von Kleinwaffen zu verhindern,<br />
die Reform der Sicherheitssektoren von Entwicklungsländern,<br />
den Aufbau des Zivilen Friedensdienstes,<br />
den wir deutlich aufstocken und ausweiten wollen. Das<br />
macht deutlich, mit welcher Perspektive wir Entwicklungszusammenarbeit<br />
praktizieren.<br />
Lassen Sie mich zum Schluss zwei Schritte in Richtung<br />
auf eine gerechte Weltwirtschaftsordnung und für eine gerechte<br />
Globalisierung nennen. Der eine Schritt ist die<br />
Fortsetzung der Entschuldung. Mittlerweile gibt es im<br />
Rahmen der Entschuldung der ärmsten Entwicklungsländer<br />
26 Entwicklungsländer, die ihre Entscheidungen zur<br />
Entschuldung erhalten und Entschuldungsentlastung erfahren<br />
haben. Aber von den Betroffenen haben bisher<br />
ganze sechs Entwicklungsländer ihren endgültigen<br />
Schlusspunkt zur vollen Entschuldung erhalten. Der Grund<br />
(C)<br />
(D)