Stenografischer Bericht 4. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>4.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002<br />
Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul<br />
liegt darin, dass sie durch die weltwirtschaftliche Entwicklung<br />
doppelt bestraft werden: zum einen deshalb,<br />
weil sie schon jetzt unter der weltwirtschaftlichen Entwicklung<br />
leiden, und zum anderen, weil sie nicht imstande<br />
sind, den Programmen und Forderungen des IWF<br />
zur Erreichung der makroökonomischen Stabilität nachzukommen.<br />
Damit diese Entwicklungsländer den Completion<br />
Point, den Schlusspunkt der Entschuldung wirklich<br />
erreichen, treten wir dafür ein – das ist die Position<br />
der Bundesregierung –, dass diesen Ländern gegenüber<br />
flexibel reagiert wird und dass notfalls auch weitere finanzielle<br />
Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit die<br />
volle Entschuldung dieser Länder beschlossen und erreicht<br />
werden kann.<br />
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/<br />
DIE GRÜNEN)<br />
Zweitens. Das konkrete Ziel, das wir mit anderen Partnern<br />
in dieser Legislaturperiode erreichen wollen, ist das<br />
Insolvenzverfahren für hoch verschuldete Staaten, zumal<br />
Entwicklungsländer. Das ist ein Vorschlag, der von<br />
Anne Krueger vom Internationalen Währungsfonds und<br />
übrigens auch von vielen Nichtregierungsorganisationen<br />
stammt.<br />
Ich möchte an dieser Stelle begründen, warum es sich dabei<br />
um eine wichtige Entscheidung im Interesse der Entwicklungsländer<br />
handelt. Zum einen kann durch die disziplinierende<br />
Wirkung eines solchen Insolvenzverfahrens<br />
dazu beigetragen werden, dass kein Schuldenüberhang entsteht.<br />
Zum anderen würde die Mehrheitsentscheidung der<br />
Gläubiger im Rahmen eines Insolvenzverfahrens verhindern,<br />
dass einzelne Gläubiger ein Umschuldungsverfahren<br />
blockieren können. Das klingt zwar einfach, aber das Sich-<br />
Hinziehen von Umschuldungsverhandlungen mit Entwicklungsländern<br />
bedeutet in vielen Fällen die Agonie der<br />
wirtschaftlichen Entwicklung zulasten der armen Bevölkerungsschichten.<br />
Deshalb ist ein Insolvenzverfahren auch ein<br />
Schritt, um zu verhindern, dass sich die enormen sozialen<br />
Kosten von Finanzkrisen in den Entwicklungsländern auf<br />
diese Art und Weise auswirken. Es ist ein Schritt zur Verbesserung<br />
der Situation der betreffenden Länder.<br />
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/<br />
DIE GRÜNEN)<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum<br />
Schluss. Der Bundeskanzler hat es heute Morgen bereits<br />
angesprochen: Angesichts all der Aufgaben sind wir, jenseits<br />
von einzelnen Problemen und einzelnen unterschiedlichen<br />
Auffassungen, sicherlich einer Meinung,<br />
dass ein Engagement in diese Richtung notwendig ist,<br />
wenn wir in Zukunft eine gerechte und friedliche Welt<br />
verwirklichen wollen. Ich bitte alle um Zusammenarbeit<br />
und biete ausdrücklich – wie wir es schon immer getan haben<br />
– die weitere Zusammenarbeit im Rahmen der Entwicklungspartnerschaft<br />
mit der Wirtschaft an. Derzeit<br />
gibt es bereits 800 solcher Initiativen; diese Zahl wollen<br />
wir noch erhöhen. Ich biete aber auch die Zusammenarbeit<br />
mit den Kirchen, den Nichtregierungsorganisationen,<br />
den Gewerkschaften und selbstverständlich mit allen<br />
Fraktionen dieses Hohen Hauses an.<br />
Ich danke Ihnen.<br />
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/<br />
DIE GRÜNEN)<br />
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:<br />
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Christian Ruck.<br />
(Zuruf von der CDU/CSU: Ein Ruck geht<br />
durch Deutschland!)<br />
(C)<br />
Dr. Christian Ruck (CDU/CSU):<br />
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich<br />
möchte mit dem beginnen, mit dem die Ministerin aufgehört<br />
hat, nämlich damit, worin wir uns einig sind. Auch<br />
für die Union ist die Entwicklungspolitik ein zentrales<br />
Element zur Bewältigung weltweiter Zukunftsaufgaben.<br />
Sie ist ein entscheidendes Medium, um eine internationale<br />
Ordnungspolitik, die wirklich nachhaltig und zukunftsfähig<br />
ist, und weltweit menschenwürdige Lebensbedingungen<br />
durchzusetzen und um den weltweiten Schutz<br />
und die Wahrung der natürlichen Lebensgrundlagen zu<br />
sichern.<br />
Es trifft in der Tat zu, dass die Globalisierung auch für<br />
die Entwicklungsländer sowohl Chancen als auch Risiken<br />
mit sich bringt. Es ist nicht zu übersehen, dass viele Länder<br />
in diesem Zusammenhang große Schwierigkeiten haben,<br />
ihre wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen<br />
Herausforderungen adäquat anzunehmen.<br />
Wir müssen auch erkennen, dass diese Probleme in<br />
der Tat auf uns durchschlagen. Spätestens die Terroranschläge<br />
vom 11. September und die anschließende Auseinandersetzung<br />
mit dem internationalen Terrorismus haben<br />
gezeigt, dass Sicherheit, Wachstum und Wohlstand<br />
auch bei uns letztlich davon abhängen, welche Perspektiven<br />
die Menschen in ärmeren Ländern des Ostens und<br />
des Südens für sich und ihre Zukunft sehen.<br />
Deshalb wird das, was wir vor Jahrzehnten in Deutschland<br />
als Entwicklungshilfe karitativ und bescheiden begonnen<br />
haben, zu einer immer wichtiger werdenden Zukunftsaufgabe<br />
für unser eigenes Land sowie für unsere<br />
Kinder und Enkel: eine Politik der wirtschaftlichen Zusammenarbeit<br />
und Entwicklung zur Abwehr von Gefahren,<br />
zur Eindämmung sozialer Zeitbomben und zur weltweiten<br />
Gestaltung von Strukturen, die Stabilität, Frieden<br />
und Prosperität weltweit sichern können. Wir brauchen<br />
deshalb auf nationaler wie auf internationaler Ebene – ich<br />
möchte jetzt gar nicht so sehr von der Rolle sprechen, die<br />
die Vereinigten Staaten hier und da spielen, sondern von<br />
den Hausaufgaben, die Sie hätten machen müssen – eine<br />
koordinierte, effiziente und kohärente Entwicklungspolitik.<br />
Davon sind wir leider nach vier Jahren Rot-Grün weiter<br />
denn je entfernt.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Christian<br />
(D)<br />
Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:<br />
Stimmt doch gar nicht!)<br />
Frau Ministerin, Ihr Optimismus in allen Ehren, aber in<br />
Wahrheit ist aus dem Aufwärtstrend zum Beispiel im<br />
Haushalt des BMZ nichts geworden. Im Gegenteil: Im<br />
Jahr 2002 steht Ihr Haushalt wesentlich ärmer da als 1998.<br />
Daran wird sich auch im nächsten Jahr nichts ändern;<br />
denn im Vergleich zu 2002 wurde Ihr Haushalt für 2003<br />
erneut um 51 Millionen Euro abgespeckt. Die Durchführungsorganisationen<br />
der Entwicklungspolitik bekla-