Stenografischer Bericht 4. Sitzung - Deutscher Bundestag
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Bundesminister Otto Schily<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>4.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 139<br />
Aber wenn – „wenn“ muss betont werden – der Vorschlag<br />
nur darin besteht, wieder eine große Kommission<br />
ins Leben zu rufen, wie wir es schon in früheren Jahren erlebt<br />
haben – ich habe den Vorschlag von Herrn Ministerpräsident<br />
Stoiber gelesen –, dann wird sich das Vorhaben<br />
des Bürokratieabbaus wieder in einer Kommission verirren<br />
und der Bürokratieabbau wird nicht vorankommen.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des<br />
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)<br />
Es kann an dieser Stelle mit einer Kommission also nicht<br />
sein Bewenden haben. Gegen Kommissionen ist im Prinzip<br />
nichts einzuwenden.<br />
(Lachen bei der CDU/CSU)<br />
– Natürlich nicht. Sie können die Einrichtung einer Kommission<br />
doch nicht immer dann für richtig halten, wenn<br />
Sie es vorschlagen, während Sie deren Einrichtung für<br />
falsch halten, wenn wir es wollen.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des<br />
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)<br />
In dieser Weise kann man mit diesen Fragen nicht umgehen.<br />
Wir werden – auch das hat übrigens einen Bezug zur Sicherheitspolitik<br />
– unsere Integrationspolitik entschlossen<br />
voranbringen. Wir haben mit dem Zuwanderungsgesetz<br />
dafür eine gute Grundlage geschaffen.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)<br />
Ich bin dafür dankbar, dass sich mittlerweile, seitdem der<br />
Wahltag vorüber ist, auch die Länder an den Maßnahmen,<br />
die zur Anwendung dieses Gesetzes erforderlich<br />
sind – Rechtsverordnungen, Durchführungsverordnungen<br />
–, konstruktiv beteiligen. Ich hoffe, dass auch die Opposition<br />
im Deutschen <strong>Bundestag</strong> die gleiche konstruktive<br />
Haltung einnehmen wird.<br />
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/<br />
DIE GRÜNEN)<br />
Innen- und Sicherheitspolitik sind heute insbesondere<br />
in die europäischen Zusammenhänge eingebettet. Ich bin<br />
darüber froh, dass die Bundesregierung immer an der<br />
Spitze der europäischen Entwicklung mitarbeitet. Das gilt<br />
sowohl für die Konferenz der Innen- und Justizminister<br />
der Europäischen Union wie auch für die Arbeit an der<br />
europäischen Verfassung. Gerade wir, die beiden Verfassungsminister,<br />
Frau Kollegin Zypries und ich, werden uns<br />
in die Arbeit des EU-Konvents sehr aktiv einbringen.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des<br />
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)<br />
Von Europa als einem Raum der Freiheit und des<br />
Rechts war heute schon die Rede; davon sollte man auch<br />
weiterhin sprechen. Europa ist eine Wertegemeinschaft,<br />
die auch den Begriff, den der Kollege Montag eben angesprochen<br />
hat, umfasst. Ich bin ihm sehr dankbar dafür,<br />
dass er diesen Begriff verwendet hat.<br />
Mein Freund Leoluca Orlando, der frühere Bürgermeister<br />
von Palermo, der Erfahrungen mit der Bekämpfung<br />
der Mafia gemacht hat, hat gesagt: Die Mafia haben<br />
wir zurückgedrängt auf der Grundlage einer Kultur des<br />
Rechtes. Auch wir werden den Kampf gegen die organisierte<br />
Kriminalität, gegen den Terrorismus auf der Basis<br />
der Kultur des Rechts gewinnen. Deshalb müssen wir<br />
auch daran arbeiten, dass sich diese Kultur des Rechts,<br />
aber auch die allgemeine Wertegemeinschaft so darstellt,<br />
dass sie eine wehrhafte Wertegesellschaft gegenüber den<br />
Anfechtungen des internationalen Terrorismus ist. Ob das<br />
wirklich von Erfolg gekrönt ist, hängt auch davon ab, wie<br />
wir uns zueinander verhalten: ob dies einmündet in eine<br />
Kultur des Respekts, der Achtung vor unseren Institutionen,<br />
vor unseren Werten und vor dem jeweils anderen,<br />
dem man gegenübersteht.<br />
Frau Kollegin Merkel, verstehen Sie es als eine Bitte<br />
des Kirchenministers: Ich glaube, die Achtung vor dem<br />
Evangelium sollte so weit gehen, dass wir das Johannes-<br />
Evangelium nicht für parteipolitische Polemik missbrauchen.<br />
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch<br />
bei der CDU/CSU)<br />
– Entschuldigen Sie, dass ich das sage. Ich habe es ganz<br />
freundlich als eine Bitte formuliert. Überlegen Sie sich<br />
einen Moment lang, ob das ein guter Einstieg in Ihre<br />
heutige Rede war, Frau Merkel!<br />
(Zurufe von der CDU/CSU)<br />
Ich bin nicht dagegen, dass Polemik stattfindet. Ich selber<br />
kann, wie Sie wissen, auch damit umgehen, wenn es Not<br />
tut. Ich glaube allerdings, dass wir gut daran tun, sowohl<br />
was die religiösen Überzeugungen als auch was die<br />
staatlichen und die gesellschaftlichen Institutionen<br />
angeht, damit so umzugehen, dass sie keinen Schaden<br />
nehmen. Wenn uns das nicht gelingt – das alles mögen Sie<br />
ja lächerlich finden –, wird dort eine Einbruchstelle für fanatische<br />
Extremisten und Terroristen entstehen.<br />
(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/<br />
CSU]: Jetzt überziehen Sie aber!)<br />
Ich sagen Ihnen das in allem Ernst. Das ist auch eine Frage<br />
des Umgangs im Parlament. Niemals, meine Damen und<br />
Herren, darf die politische Gegnerschaft in Feindseligkeit<br />
umschlagen. Das ist jedenfalls meine Überzeugung. Ich<br />
hoffe, dass wir uns auf dieser Basis auseinander setzen<br />
können.<br />
Vielen Dank.<br />
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)<br />
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:<br />
Das Wort hat jetzt der Kollege Wolfgang Bosbach für<br />
die CDU/CSU-Fraktion.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU)<br />
Wolfgang Bosbach (CDU/CSU):<br />
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister<br />
Schily, weite Teile Ihrer Rede waren gut, und Sie<br />
(C)<br />
(D)