Stenografischer Bericht 4. Sitzung - Deutscher Bundestag
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Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>4.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 159<br />
Dies müsste Sie eigentlich nachdenklich machen, aber<br />
nicht nur nachdenklich, sondern dies müsste Sie auch<br />
wesentlich selbstkritischer machen. Wenn Ihre Politik<br />
wirklich so erfolgreich wäre, wie Sie tun und Sie dies in<br />
Nebensätzen immer wieder sagen, würden die Kohlendioxidemissionen<br />
doch nicht wieder steigen. Ich könnte<br />
dies ja noch verstehen, wenn wir eine boomende Wirtschaft<br />
hätten, die aus allen Nähten kracht, weil die Produktion<br />
läuft, die Leute sich des Lebens freuen, das Leben<br />
genießen und dabei die Emissionen steigen.<br />
Sie aber sind doch gar nicht in der Lage, die Wirtschaft<br />
boomen zu lassen. Die katastrophale Lage der Wirtschaft<br />
und am Arbeitsmarkt, die Abnahme von Beschäftigung und<br />
die Zunahme von Arbeitslosigkeit sind doch alles Faktoren,<br />
die eigentlich dazu beitragen, dass die Emissionen sinken<br />
und nicht steigen. Trotz dieses Trends schaffen Sie es nicht,<br />
die Emissionen weiter sinken zu lassen, das, was wir auf den<br />
Weg gebracht haben, deutlich weiter nach vorn zu schieben.<br />
Deshalb verstehe ich auch, Herr Trittin, dass sich eine<br />
explizite Formulierung des 25-Prozent-Ziels, das Sie bis<br />
zum Jahre 2005 erreichen wollen, nicht in Ihrer Koalitionsvereinbarung<br />
findet. Dies haben Sie ganz schamhaft<br />
unter den Tisch fallen lassen.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –<br />
Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Wie vieles andere!)<br />
Da hilft auch nicht das Ablenkungsmanöver, dass Sie<br />
in fernen 20 Jahren um 40 Prozent reduziert haben wollen.<br />
In 20 Jahren, Herr Minister, sind die Dinge alle gegessen.<br />
(Michaele Hustedt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-<br />
NEN]: Schön wäre es!)<br />
Den vernünftigen Einstieg brauchen wir jetzt.<br />
Mit Blick auf Delhi muss man aber sagen, dass das,<br />
was wir bis zum Jahre 2005 erreichen wollen, die Basis<br />
ist. Wenn ich den ersten Teil des Gebäudes nicht ordentlich<br />
baue, brauche ich mir über die erste Etage keine Gedanken<br />
mehr zu machen. Das Fundament und das Erdgeschoss<br />
müssen richtig gebaut sein. Dies verpassen Sie im<br />
Moment aber. Sie schlampen in der Grundfrage der Reduktion<br />
der Kohlendioxidemissionen. Auch bei den anderen<br />
Klimagasen haben Sie nicht zugelegt. Dies heißt also:<br />
Fehlanzeige auf der ganzen Linie.<br />
Dies finde ich bedauerlich, denn wer draußen wirken<br />
will – und das wollen Sie in Delhi –, der muss zu Hause<br />
Erfolge vorzeigen, wie Sie früher immer richtig gesagt haben.<br />
Dies können Sie aber vor dem Hintergrund, wie ich<br />
ihn gerade skizziert habe, nicht.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)<br />
Ich sage ganz offen, Herr Minister, dass es vor diesem<br />
Hintergrund schwer ist, andere zu überzeugen. Es ist notwendig,<br />
dass in Delhi jetzt weitere möglichst konkrete<br />
Vorentscheidungen fallen, wie es über das Jahr 2012<br />
hinaus weitergehen soll. Es wäre ausgesprochen wichtig,<br />
dass wir in dieser Richtung jetzt klar von Ihnen hören, wo<br />
in Zukunft die Minderung liegen soll, wie Sie sich insbesondere<br />
die Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern<br />
und den Schwellenländern vorstellen. Wir müs-<br />
sen den Entwicklungsländern einen Zuwachs an Energieverbrauch<br />
gönnen; ich glaube, das ist unstrittig. Bei<br />
dem Verbrauch, den wir haben, können wir andere nicht<br />
von der Verbesserung ihres Lebensstandards abhalten.<br />
Auf der anderen Seite ist unbestreitbar notwendig – ich<br />
bitte Sie, sich dafür einzusetzen –, dass wir die Schwellenländer<br />
in Delhi mit ins Boot bekommen; denn ohne die<br />
Schwellenländer werden wir das Klimaproblem, das ich<br />
für das gravierendste Umweltproblem überhaupt halte,<br />
nicht lösen können. Da ist jetzt Ihr Geschick gefragt. Ich<br />
habe manchmal das Gefühl, dass Sie jenseits der Kernenergiediskussion<br />
zu Hause nicht den nötigen Nachdruck<br />
auf internationale Verhandlungen legen und dieses Thema<br />
nicht entsprechend vertreten. Deshalb appelliere ich an<br />
Sie, Ihre Strategie und Ihre Vorgehensweise zu ändern.<br />
Genauso erwarte ich von Ihnen, dass Sie in Zukunft im<br />
europäischen Umweltschutz mehr Engagement zeigen,<br />
statt bei den gelegentlichen Umweltschutzvorstößen aus<br />
Europa bundesrepublikanisch noch draufzulegen und unsere<br />
Wettbewerbsfähigkeit zu verschlechtern.<br />
(Beifall des Abg. Dr. Peter Paziorek<br />
[CDU/CSU])<br />
Eine der Grundlinien, die wir vertreten, ist, den Umweltschutz<br />
mit einer vernünftigen Wirtschaftspolitik<br />
und einer Politik, die arbeitsmarkt- und arbeitsplatzorientiert<br />
ist, zu verbinden.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<br />
der FDP)<br />
Herr Trittin, was Sie gerade in Sachen Eigenheimzulage<br />
gesagt haben, ist in dieser Frage völlig kontraproduktiv.<br />
Ich sage es einmal so: Auch Ihre Baupolitiker schwelgen<br />
ja immer in der Vorstellung, dass man jungen Familien<br />
mehr Wohnraum zu vernünftigen Preisen usw. anbieten<br />
muss. Aber jetzt an der Eigenheimzulage so herumzubasteln,<br />
wie Sie es tun, ist falsch, vor allem wegen der negativen<br />
Folgen.<br />
Unsere Vorstellungen im Klimaschutzbereich waren<br />
ganz klar. Ich bedaure, dass wir sie jetzt nicht umsetzen<br />
können. Der Punkt ist, dass im Altbaubestand, wo in Bezug<br />
auf die Klimapolitik das erheblichste Potenzial für die<br />
Reduktion von Kohlendioxidemissionen liegt, mit steuerlichen<br />
Anreizen gearbeitet werden muss. Wir haben da<br />
ganz klare Vorstellungen entwickelt.<br />
Ich habe diese Passage mit den steuerlichen Zuschüssen<br />
oder steuerlichen Anreizen jetzt bei Ihnen wiederentdeckt,<br />
Herr Trittin. Ich sage Ihnen zu: Wenn Sie zu dem<br />
Thema steuerliche Anreize dynamisch etwas wirklich<br />
Profundes mit entsprechender Stoßkraft vorlegen, werden<br />
wir Sie unterstützen. Das ist gar keine Frage; denn das<br />
wäre produktiv in dem Sinne, dass mit einer Maßnahme<br />
sowohl Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden<br />
könnten und gleichzeitig etwas für den Umweltschutz getan<br />
würde. Das ist eine Politik, wie ich sie mir vorstelle.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<br />
der FDP)<br />
Aber das haben Sie nur schwach angedeutet.<br />
(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Er hat ja<br />
auch kein Geld dafür!)<br />
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