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Stenografischer Bericht 4. Sitzung - Deutscher Bundestag

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Hartmut Koschyk<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>4.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 149<br />

– Ich komme gleich auf das Thema Verbotsverfahren,<br />

al-Aksa und Kalifatsstaat. Aber wenn wir über solch<br />

ernste Themen reden, sollten Sie dies nicht lächerlich<br />

machen, Herr Tauss.<br />

(Jörg Tauss [SPD]: Sie sollten seriös bleiben!<br />

Das ist Ihr Problem!)<br />

Ich darf weitere Punkte nennen. Wir brauchen – ich<br />

sage es noch einmal – die Strafbarkeit der Unterstützung<br />

und der Werbung für ausländische terroristische Vereinigungen.<br />

Über das Thema biometrische Daten hat der Kollege<br />

Bosbach bereits gesprochen. Wir brauchen auch Versagungsgründe<br />

für Visa und Aufenthaltsgenehmigungen<br />

bei Terrorismus- und Extremismusverdacht. Wir brauchen<br />

die Erfassung und Speicherung der Daten hinsichtlich<br />

ethnischer und religiöser Zugehörigkeit auch im<br />

Ausländerzentralregister. Wir brauchen im Einbürgerungsverfahren<br />

und bei der Erteilung von Aufenthaltsrechten<br />

eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz.<br />

Sowohl der Kollege Röttgen als auch der Kollege<br />

Bosbach haben schon über eine sinnvolle Ausgestaltung<br />

der Kronzeugenregelung gesprochen. Wir sehen sehr<br />

wohl – auch durchaus selbstkritisch –, an welchen Stellen<br />

die seinerzeit von uns eingeführte Kronzeugenregelung<br />

nicht dem entsprach, was aus rechtsstaatlichen Gründen<br />

wünschenswert gewesen wäre. Ich meine aber, dass man<br />

auch und gerade unter der terroristischen Bedrohung über<br />

eine vernünftig auszugestaltende Kronzeugenregelung reden<br />

müsste.<br />

Wir meinen, dass es auch im operativen Bereich notwendig<br />

ist, die Maßnahmen von Polizei und Verfassungsschutz<br />

zu verbessern. In diesem Zusammenhang<br />

sind Rasterfahndungen und Beobachtungen islamistischer<br />

Bestrebungen durch den Verfassungsschutz des<br />

Bundes und der Länder zu nennen.<br />

Herr Minister, Sie haben im Zusammenhang mit den<br />

Sicherheitsbehörden unseres Landes den Diensten gedankt.<br />

Auch darin stimmen wir Ihnen zu. Aber uns ist<br />

doch die grundsätzliche Skepsis und Ablehnung Ihres<br />

grünen Koalitionspartners gegenüber den Geheimdiensten<br />

bekannt. Angesichts dessen, was Herr Ströbele immer<br />

wieder lauthals zu diesem Thema von sich gegeben hat,<br />

befürchten wir, dass bei der im Koalitionsvertrag angekündigten<br />

Überprüfung von Aufgaben, Struktur, Effektivität,<br />

Befugnissen und Kontrolle der Geheimdienste<br />

eine Schwächung der Dienste erfolgt. Das hielten wir für<br />

unverantwortlich und das würde auf unseren entschiedenen<br />

Widerstand stoßen.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU)<br />

Jetzt komme ich dazu, was Sie in der Koalitionsvereinbarung<br />

zu dem Thema „Weitere Erleichterungen im Staatsangehörigkeitsrecht“<br />

angekündigt haben, Herr Minister.<br />

(Jörg Tauss [SPD]: Haben Sie noch Redezeit?)<br />

Wir meinen, dass aufgrund der bisherigen Erkenntnisse bei<br />

der Terrorismusbekämpfung über weitere Erleichterungen<br />

im Staatsangehörigkeitsrecht noch einmal nachgedacht<br />

werden müsste. Ich will an dieser Stelle nicht darüber<br />

sprechen, dass hinsichtlich des Anstiegs der Zahl der Einbürgerungen<br />

im Jahr 1999 um 30 Prozent davon auszuge-<br />

hen ist, dass fast die Hälfte der neu eingebürgerten Ausländer<br />

noch ihren alten Pass besitzt und somit entgegen der offiziellen<br />

Darstellung der Bundesregierung quasi eine doppelte<br />

Staatsangehörigkeit hat. Ich will auch nicht darüber<br />

sprechen, dass man manchmal vermuten könnte, dass Sie<br />

sich durch weitere Erleichterungen im Staatsangehörigkeitsrecht<br />

neue Wählerschichten erschließen möchten.<br />

(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das ist doch absurd!<br />

– Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]:<br />

Das hätten Sie wirklich sein lassen sollen! Das<br />

ist Unsinn! – Jörg Tauss [SPD]: Und was ist mit<br />

den Aussiedlern?)<br />

Ich meine aber, Herr Minister, dass Ihnen das, was ich gerade<br />

ausgeführt habe, sicherlich bei den verschiedenen<br />

Verfahren zu denken gegeben hat, wenn Sie ehrlich sind.<br />

Denn Sie haben schon bei den Verbotsverfahren die Folgen<br />

der Reformen im Staatsangehörigkeitsrecht zu spüren<br />

bekommen.<br />

Im Zusammenhang mit dem Verbot des Spendensammelvereins<br />

al-Aksa hat die „taz“ Anfang Oktober berichtet,<br />

dass dieser Verein für sich nicht mehr gelten lassen<br />

wollte, dass er in Deutschland ein von Ausländern getragener<br />

Verein ist, weil viele der Aktionisten inzwischen<br />

eingebürgert sind.<br />

(Otto Schily, Bundesminister: Nach Ihrem alten<br />

Recht! Deshalb haben wir es verschärft! –<br />

Hans-Joachim Hacker [SPD]: Herr Koschyk,<br />

das war ein Eigentor!)<br />

– Deshalb lassen Sie uns doch gemeinsam darüber nachdenken,<br />

Herr Minister, dass es nicht das richtige Signal<br />

ist, über weitere Erleichterungen bei der Einbürgerung<br />

ohne Regelanfrage nachzudenken. Schließlich mussten<br />

Sie sowohl beim al-Aksa-Verfahren als auch beim Verbotsverfahren<br />

im Zusammenhang mit dem Kalifatsstaat<br />

zur Kenntnis nehmen, dass eine Reihe der Aktivisten eben<br />

keine Ausländer, sondern eingebürgert sind.<br />

Ich meine, wir müssen auch eine Diskussion über die<br />

gesellschaftspolitische Dimension des Terrorismus führen.<br />

Wir müssen uns schon fragen, wie viel Unterschiedlichkeit<br />

ein Land verträgt, wie viel Gemeinsamkeit ein<br />

Land braucht, um seine innere Bindungskraft und seine<br />

Widerstandsfähigkeit gegenüber extremistischen Strömungen<br />

nicht zu verlieren, und ob wir nicht von Neuem<br />

damit beginnen könnten, ohne ideologische Verbrämung<br />

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]:<br />

Ausgerechnet Sie, Herr Koschyk!)<br />

die Gefährdungen für die innere Sicherheit unseres Landes<br />

auch im Zusammenhang mit einer ungesteuerten Zuwanderung<br />

zu sehen.<br />

(Jörg Tauss [SPD]: Haben Sie Stadler nicht<br />

zugehört?)<br />

– Ich sage das so deutlich: auch nach den bisherigen Erfahrungen<br />

einer ungesteuerten Zuwanderung.<br />

Herr Minister, Ihnen ist doch sicherlich auch die Entscheidung<br />

des Vorsitzenden des zuständigen Gerichts<br />

bekannt, der den Kalifen von Köln verurteilt hat. Der<br />

Richter hat sich in der Urteilsbegründung zutiefst erschüttert<br />

gezeigt über das Ausmaß der in Deutschland<br />

(C)<br />

(D)

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