Stenografischer Bericht 4. Sitzung - Deutscher Bundestag
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Hans-Joachim Otto (Frankfurt)<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>4.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 155<br />
Der Mehrwertsteuersatz im Kulturbereich muss erhalten<br />
bleiben.<br />
Die linke Hand, die Kulturhand, weiß offensichtlich nicht,<br />
was die rechte Hand, die Steuerhand, tut; denn auf<br />
Seite 19 desselben Papiers steht scheinheilig Folgendes:<br />
Wir werden den Abbau ungerechtfertigter ... Steuervergünstigungen<br />
konsequent fortführen.<br />
Was bedeutet das, meine Damen und Herren? Inzwischen<br />
wissen wir es. Der ermäßigte Umsatzsteuersatz für<br />
Kunst- und Sammlungsgegenstände soll von bisher 7 Prozent<br />
auf 16 Prozent angehoben werden.<br />
(Dr. Norbert Lammert [CDU/CSU]: Vorbehaltlich<br />
der Kulturverträglichkeit!)<br />
– Ja, vorbehaltlich der Kulturverträglichkeit. – Meine Damen<br />
und Herren, das ist die Logik des Koalitionsvertrages.<br />
Ich möchte einmal sehen, was dabei herauskommt.<br />
Das eine, Frau Kollegin Griefahn, konnten Sie herausschießen,<br />
das andere offensichtlich noch nicht. Dem<br />
Kunsthandel wird an der einen Stelle versprochen, dass<br />
der ermäßigte Steuersatz erhalten bleibt – daraufhin sind<br />
die meisten der Händler beruhigt –, und einige Seiten vorher<br />
wird in demselben Papier das Gegenteil festgelegt.<br />
(Ernst Burgbacher [FDP]: Unerhört!)<br />
Das Finanzministerium, unser Freund Eichel, beziffert<br />
die Steuermehreinnahmen aus der genannten Mehrwertsteuererhöhung<br />
bis zum Jahre 2006 locker auf 200 Millionen<br />
Euro. Mehr, meine Damen und Herren, können Sie<br />
dem Kunsthandel und den Künstlern in Deutschland<br />
wirklich nicht schaden.<br />
Frau Weiss, Sie sagten, entscheidend sei die Haltung<br />
und Wertschätzung gegenüber Künstlern. Ich frage mich<br />
in der Tat, welche Haltung und Wertschätzung gegenüber<br />
Künstlern dadurch zum Ausdruck kommt.<br />
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)<br />
Frau Weiss, die liberale Opposition möchte Sie gern unterstützen.<br />
Wenn Sie gegen diese kultur- und kunstfeindlichen<br />
Pläne vorgehen, dann werden Sie uns an Ihrer Seite<br />
finden.<br />
Gestatten Sie mir abschließend noch eine kurze Anregung.<br />
Frau Weiss, Sie tragen den Titel einer Staatsministerin<br />
für Kultur und Medien. Ihr Hauptinteresse liegt angesichts<br />
Ihrer bisherigen Tätigkeit sicherlich im Bereich<br />
der Kultur. Bedenken Sie aber bitte, dass der weit größere<br />
Reformbedarf in der Medienpolitik liegt. Wir brauchen<br />
dringend eine umfassende Reform der Medien- und Kommunikationsordnung.<br />
Das bisherige Regelungs- und Zuständigkeitsdickicht<br />
ist antiquiert und muss geliftet werden.<br />
(Jörg Tauss [SPD]: Unserem Antrag haben Sie<br />
nicht zugestimmt!)<br />
Nehmen Sie sich auch dieses überfälligen Reformprojekts<br />
an.<br />
Auf eine gute Zusammenarbeit mit Ihnen! Wir freuen<br />
uns darauf.<br />
Danke schön.<br />
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)<br />
Präsident Wolfgang Thierse:<br />
Ich erteile dem Kollegen Günter Nooke von der CDU/<br />
CSU-Fraktion das Wort.<br />
Jörg Tauss [SPD]: Das ist der neue Kulturminister!)<br />
Günter Nooke (CDU/CSU):<br />
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!<br />
Zunächst, Frau Staatsministerin, auch von mir als<br />
Sprecher für Kultur und Medien herzlichen Glückwunsch<br />
zum Amtsantritt. Sie treten ein Amt an, das mit einer<br />
großen Hypothek belastet ist. Die Erwartungen der einschlägigen<br />
Szene sind umso größer.<br />
Leider wurde das Amt von den bisherigen Inhabern ein<br />
bisschen als Durchlauferhitzer verstanden oder – besser<br />
gesagt – missverstanden. Das hat dem Amt nicht gutgetan.<br />
Ich kann nur hoffen, dass Sie das besser machen und die<br />
Kultur im Rahmen Ihrer Amtsausführung mit größerer<br />
Verlässlichkeit fördern.<br />
Das Wichtigste ist doch, dass wir hier für dieses Land<br />
arbeiten und dass das, im Gegensatz zu Ihren Vorgängern,<br />
als ehrenvolle Aufgabe angesehen wird. Bei Herrn<br />
Naumann und Herrn Nida-Rümelin kritisiere ich nicht<br />
den Mangel an Engagement, aber was Ihren Vorgängern<br />
doch nachgesagt werden muss, ist etwas, was auch mit<br />
Kultur zu tun hat, nämlich ein Mangel an Patriotismus,<br />
(Lachen bei der SPD)<br />
für den man sich gerade als für Kultur Verantwortlicher in<br />
Deutschland wohl nicht schämen sollte.<br />
Das Angebot der konstruktiven Mitarbeit vonseiten<br />
der Opposition will auch ich Ihnen hier machen. Ich tue<br />
das umso lieber, wenn Sie sich die Anträge und Vorschläge<br />
der Union zu Eigen machen, in denen wir uns<br />
bemühen werden, die überzeugenderen Lösungen anzubieten,<br />
wie wir das schon in den vergangenen vier Jahren<br />
gemacht haben.<br />
Unter den vielen nicht ganz zu Ende gedachten, wenig<br />
überzeugenden und von vornherein korrekturbedürftigen<br />
Papieren zur Kulturpolitik der Koalitionsfraktionen, mit<br />
denen Sie sich in den vergangenen Jahren auch im Ausschuss<br />
für Kultur und Medien beschäftigten, gehört der<br />
Koalitionsvertrag nun wirklich zu den schwächsten Texten.<br />
Mein Eindruck, dass diese Worte zur Kultur eine<br />
Sammlung von Selbstverständlichkeiten, Wünschen und<br />
kostenlosen Versprechungen an die Klientel sind, wurde<br />
durch das, was Sie hier gesagt haben und was der Bundeskanzler<br />
heute Vormittag gesagt hat, leider bestätigt.<br />
Das wäre nach den vielen Enttäuschungen dieser Art mit<br />
einem eben noch vertretbaren Maß an Gleichmut hinnehmbar.<br />
Wenn sich aber schon knapp 24 Stunden nach<br />
der Unterzeichnung herausstellt, dass Ihre Ministerkollegen<br />
– vor allem der Finanzminister – den Text ohnehin nur<br />
als unverbindliche Empfehlung ansehen und sich ihn eben<br />
nicht zu Eigen machen, dann muss schon die Ernsthaftigkeit<br />
der Aussagen, die Sie hier treffen und die Sie zu Papier<br />
gebracht haben, infrage gestellt werden.<br />
(C)<br />
(D)