Stenografischer Bericht 4. Sitzung - Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht 4. Sitzung - Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht 4. Sitzung - Deutscher Bundestag
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
(A)<br />
(B)<br />
Bundesminister Dr. Peter Struck<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 15. Wahlperiode – <strong>4.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 113<br />
und einer Bereitschaftszeit von sieben Tagen zu installieren.<br />
Dieser Vorschlag von Rumsfeld ist aber noch nicht<br />
konkretisiert worden. Die Konkretisierung erfolgt jetzt<br />
peu à peu.<br />
Herr Schäuble, darüber wird in Prag nicht entschieden<br />
werden. Das wäre auch nicht möglich, weil wir in der europäischen<br />
Sicherheits- und Verteidigungspolitik – Sie<br />
haben es selbst angesprochen – die so genannten Helsinki-Headline-Goals<br />
beschlossen haben, das heißt – das<br />
wissen auch Sie –: Wir wollen eine eigene europäische<br />
Eingreiftruppe installieren. Deutschland soll sich an einer<br />
solchen Truppe mit maximal 32 000 Soldaten beteiligen.<br />
Ich will Ihnen dazu nur Folgendes sagen: Ich halte es für<br />
sehr vernünftig, dass man, bevor man auf eine Initiative<br />
der Amerikaner eingeht, zunächst einmal prüft, ob das,<br />
was wir in der europäischen Sicherheitspolitik verabredet<br />
haben, kompatibel mit dem ist, was Donald Rumsfeld und<br />
andere wollen.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des<br />
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)<br />
Herr Schäuble, da wägen wir noch ab. Vielleicht können<br />
wir uns in einem Punkte treffen: Es macht keinen<br />
Sinn, zwei parallele Eingreiftruppen für nahezu den gleichen<br />
Zweck mit jeweils einem deutschen Kontingent zu<br />
installieren. Das ist nicht machbar.<br />
Ich will noch etwas zu den internationalen Einsätzen,<br />
gerade zum ISAF-Mandat, dessen Verlängerung demnächst<br />
ansteht, sagen. Ich habe mich mit meinem niederländischen<br />
Amtskollegen darauf geeinigt, dass wir die<br />
Lead-Funktion übernehmen. Ich will dem Parlament Folgendes<br />
nicht vorenthalten: Das wird bedeuten, dass die<br />
Anzahl der deutschen Soldaten, die jetzt für ISAF in Kabul<br />
tätig sind, erhöht werden muss. Das hängt insbesondere<br />
damit zusammen, dass wir von der Türkei, der jetzigen<br />
Lead Nation, den Betrieb und die Bewachung des<br />
Flughafens in Kabul übernehmen müssen, was höchst<br />
personalintensiv ist. Die Übernahme der Lead-Funktion<br />
ist sehr vernünftig: Deutschland ist das Land, das, was<br />
Auslandseinsätze angeht, nach den Amerikanern weltweit<br />
das größte Kontingent stellt.<br />
Zum Thema Deutschland/Amerika will ich Ihnen<br />
noch Folgendes sagen: Natürlich gibt es auf der anderen<br />
Seite Irritationen. Wir müssen uns nicht vorwerfen lassen,<br />
im Kampf gegen den internationalen Terrorismus oder<br />
beim Aufbau Afghanistans nicht das Nötige getan zu haben<br />
– ganz im Gegenteil, meine Damen und Herren.<br />
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/<br />
DIE GRÜNEN)<br />
Das wissen die Amerikaner auch.<br />
Es wird sich alles normalisieren, auch meine Begegnungen<br />
mit meinem amerikanischen Amtskollegen.<br />
(Zurufe von der FDP: Ihre Nichtbegegnungen!)<br />
Das alles wird so laufen, dass Sie nachher sagen: Na wunderbar,<br />
die Verhältnisse haben sich entwickelt.<br />
Ich möchte zum Schluss auf Folgendes hinweisen: Es<br />
gibt verteidigungspolitische Richtlinien, die aus dem<br />
Jahre 1992 stammen, vom Kollegen Rühe damals festgelegt.<br />
Das ist jetzt zehn Jahre her und in diesen zehn Jahren<br />
hat sich viel verändert. Wir haben fast 10 000 Soldaten<br />
im Einsatz. Wir geben für den Auslandseinsatz der<br />
deutschen Soldaten 1,7 Milliarden Euro aus. Vor vier Jahren<br />
waren es nur 170 Millionen. Natürlich gibt es auch<br />
eine andere Bedrohungsanalyse. Davon ist heute in dieser<br />
Debatte schon die Rede gewesen. Deshalb werde ich dem<br />
Parlament gegebenenfalls im März oder April nach Abschluss<br />
der Diskussion mit dem Generalinspekteur und<br />
den Inspekteuren der Teilstreitkräfte neue verteidigungspolitische<br />
Richtlinien vorlegen, die ich für das Haus erarbeiten<br />
will, weil ich glaube, dass sich die Bundeswehr auf<br />
eine andere Situation einstellen muss, als wir sie noch vor<br />
zehn Jahren hatten.<br />
Ich setze nicht nur auf eine freundliche Zusammenarbeit<br />
mit meiner eigenen Fraktion – davon gehe ich aus;<br />
das ist eine Selbstverständlichkeit – oder dem grünen<br />
Partner, sondern auch auf eine konstruktive Zusammenarbeit<br />
mit Ihnen von der CDU/CSU und der FDP.<br />
Vielen Dank.<br />
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/<br />
DIE GRÜNEN)<br />
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:<br />
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Christian Schmidt.<br />
Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU):<br />
Herr Verteidigungsminister, das Angebot der guten, der<br />
fairen Zusammenarbeit wiederhole ich gerne auch von<br />
unserer Seite. Wir alle wissen, dass die Bundeswehr ein<br />
Organismus ist, der aus Menschen besteht, die zwar, wie<br />
man dem Löchel-<strong>Bericht</strong> und anderen <strong>Bericht</strong>en entnehmen<br />
kann, langsam, aber nachhaltig das Vertrauen in ihre<br />
politische Führung verloren haben, dass sie aber unter der<br />
Bereitschaft, ihr Leben einzusetzen, politische und militärische<br />
Aufträge für uns erfüllen, bei denen sie nicht den<br />
Eindruck haben sollten, hier werde über ihren Kopf hinweg<br />
entschieden und eigentlich würden ihre Interessen<br />
überhaupt nicht berücksichtigt.<br />
Heute Vormittag war bereits die Rede davon, dass in der<br />
Regierungserklärung darüber überhaupt kein Wort verloren<br />
worden ist. Das finde ich bedauerlich. Es reicht eben<br />
nicht – um einen kleinen Nachtrag zu machen, Herr<br />
Struck –, zu Bier und großer Party etwa 50 000 Soldaten<br />
einzuladen und ihnen einen Dank abstatten zu wollen, der<br />
eigentlich nur camoufliert, dass man mit ihnen Wahlkampf<br />
machen will. Die Soldaten haben nicht vergessen und wir<br />
haben auch nicht vergessen, dass Sie versucht haben, die<br />
Bundeswehr parteipolitisch zu instrumentalisieren. Das<br />
darf nicht durchgehen und darüber werden wir noch reden<br />
müssen. Halbwahrheiten und Verdrehungen, die Sie genannt<br />
haben, sind in keiner Weise geäußert worden.<br />
Natürlich ist das Thema: Die Not ist groß; wie kommen<br />
wir um die notwendigen Canossa-Gänge herum? Herr<br />
Fischer ist jetzt gerade auf einem unterwegs. Wie kommen<br />
wir wieder ins Gespräch mit den Amerikanern, die<br />
wir im eigenen Interesse brauchen? Was können wir ihnen<br />
(C)<br />
(D)