HUK 333 November 2020
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Hamburger<br />
Geschichte(n)<br />
Kunzt&Kult<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>333</strong>/NOVEMBER <strong>2020</strong><br />
#8 Derzeit wird die Lombardsbrücke aufwendig restauriert.<br />
Auch die Kandelaber, die auf dem historischen Foto aus<br />
dem Jahr 1895 zu sehen sind, werden wieder leuchten.<br />
Die Lombardsbrücke<br />
Sie gehört zu Hamburgs beliebtesten Fotomotiven und zeigt die<br />
Stadt von ihrer besten Seite. Doch die Geschichte der Lombardsbrücke<br />
erzählt auch von der Kehrseite des Wohlstands.<br />
Verzierte Kandelaber, ehrwürdiges<br />
Mauerwerk und von der Brüstung aus<br />
der Blick auf Hamburgs schönste Stadtsilhouette<br />
– so hat Jürgen Jobsen die<br />
Lombardsbrücke verinnerlicht. Doch<br />
nun ist von der ganzen Pracht kaum etwas<br />
zu sehen: Baugerüste und rot-weiße<br />
Straßensperren säumen die Brücke, von<br />
den Kandelabern keine Spur. „Wie<br />
schade“, meint Jürgen. „Ich stand schon<br />
oft davor und hab sie mir angeguckt.“<br />
Die Engelsfiguren, die Reliefe …, „da<br />
sind auch Geschichten mit verbunden.“<br />
Besonders spannend findet Spurensucher<br />
Jürgen allerdings, was sich<br />
gerade nicht im Prunk widerspiegelt,<br />
sondern im Namen der Brücke: „Lombard“<br />
wurde früher das benachbarte<br />
Pfandhaus genannt. Fast 200 Jahre<br />
lang, von 1651 bis 1827, stand es auf<br />
dem Wall am Westufer zwischen Binnen-<br />
und Außenalster. „Da sind die<br />
Hamburger hingegangen, wenn sie sich<br />
Geld leihen mussten“, erklärt Jürgen.<br />
Er sieht sie regelrecht vor sich, wie sie<br />
TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN<br />
FOTOS: ANDREAS HORNOFF (2), HAMBURG BILDARCHIV<br />
über die Brücke Richtung Dammtor<br />
laufen, um ihre Habe zu verpfänden.<br />
Glanz und Laternenschein kommen in<br />
diesen Szenen nicht vor. „Die Leute haben<br />
es vorgezogen, erst bei Dämmerung<br />
über die Brücke zu gehen, damit<br />
sie nicht erkannt werden“, sagt Jürgen.<br />
So hat er es gelesen, er versteht das<br />
auch. „Zum Pfandleiher zu gehen, war<br />
ja auch damals eine unangenehme Sache.“<br />
Was ihn vor allem umtreibt: Ging<br />
es fair zu in diesem Pfandhaus? Gab der<br />
„Lombard“ den Leuten eine Chance?<br />
„Der war bestimmt nicht arm“, vermutet<br />
der Hinz&Kunzt-Mitarbeiter.<br />
Ein Blick in die Quellen bestätigt<br />
das. Allerdings bereicherte sich im<br />
„Lombard“ kein Privatmann. Das<br />
Pfandhaus war städtisch. Zinsen, die<br />
die Schuldner abzudrücken hatten, flossen<br />
weiter in den Stadtsäckel. Kassiert<br />
wurden sie von zwei Staatsdienern: Verwalter<br />
und Schreiber lebten im Pfandhaus<br />
und hatten „gemäß ihrem geleisteten<br />
Eide“ die Leihhaus-Ordnung des<br />
Senats „aufs Genaueste und Gewissenhafteste<br />
zu befolgen“. In einer Novelle<br />
vom 26. Juli 1833 ist nachzulesen, was<br />
die Ratsherren da runter auch verstanden:<br />
„Sie haben das mit ihnen verkehrende<br />
Publicum mit Anstand und Bescheidenheit<br />
zu behandeln, und dabei<br />
nicht aus den Augen zu verlieren, daß<br />
es in der Regel Mitleid verdienende<br />
Unglückliche sind, welche die Hülfe des<br />
Leihhauses nachsuchen.“ Wucher?<br />
„Auf das Ernstlichste und bei nachdrücklicher<br />
Strafe untersagt.“ Gute<br />
Nachrichten für Jürgen – ebenso wie<br />
die Auskunft, dass die Brücke denkmalgerecht<br />
restauriert wird. Auch die schönen<br />
Kandelaber sollen zurückkommen.<br />
Laut Verkehrsbehörde ist ein<br />
Lichtkonzept geplant, das nicht nur die<br />
sanierten Laternen umfasst, sondern<br />
auch Nachbauten ihrer früheren Gegenstücke<br />
auf der Außenalsterseite.<br />
Von den Armen, die im Dunkeln zum<br />
Pfandhaus schlichen, werden dann nur<br />
noch die wissen, die genauer nachlesen –<br />
so wie Jürgen Jobsen. •<br />
Kontakt: annabel.trautwein@hinzundkunzt.de<br />
Jürgen Jobsen (64)<br />
war früher<br />
Hinz&Künztler und<br />
arbeitet seit Jahren<br />
im Vertrieb.<br />
Rätselfrage: Wie hieß das Bollwerk<br />
im Stadtwall, an dessen Fuß sich das<br />
frühere Hamburger Leihhaus befand?<br />
Schreiben Sie uns! (Siehe rechts)<br />
56