Stuttgarter Ausgabe 01/2021
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§ §<br />
Interessante Urteile<br />
INTERESSANTE<br />
URTEILE<br />
EIGENTÜMER¬GEMEINSCHAFT<br />
MUSS NOTWENDIGE<br />
SANIERUNGSMASSNAHMEN<br />
AN SCHWIMMBAD- UND<br />
SAUNABEREICH IM<br />
GEMEINSCHAFTS-EIGENTUM<br />
DURCHFÜHREN<br />
AUSSCHLUSS VOM GEBRAUCH VON<br />
SCHWIMMBAD UND SAUNA KOMMT<br />
ENTZUG DES MIETGEBRAUCHS GLEICH<br />
Hat eine Wohnanlage ein Schwimmbad als Gemeinschaftseigentum,<br />
haben die Eigentümer einen Anspruch auf<br />
Nutzung, so dass dort notwendige Sanierungsmaßnahmen<br />
durchzuführen sind.<br />
Im zugrunde liegenden Streitfall war der Schwimmbad-, Umkleide-,<br />
Dusch- und Saunabereich einer Wohnanlage bereits<br />
wiederholt Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen.<br />
Im Jahr 2<strong>01</strong>4 wurden auf Beschluss der Eigentümerversammlung<br />
Verträge zur Sanierung mit den entsprechenden Firmen<br />
abgeschlossen. Nachdem mit den Abbrucharbeiten begonnen<br />
worden und das Schwimmbad entkernt sowie der Fliesenbelag<br />
entfernt worden war, stellte sich heraus, dass die beschlossene<br />
Sanierung zu dem vorgesehenen Betrag in Höhe von<br />
210.000 Euro nicht ausgeführt werden konnte. Eine von dem<br />
Architekturbüro erstellte Kostenermittlung ergab, dass ein<br />
Umbau brutto 562.888,65 Euro und ein Abriss und Neubau<br />
brutto 750.000 Euro kosten würde. Mit den bereits beauftragten<br />
Firmen wurden Aufhebungsverträge geschlossen. Am<br />
10. Mai 2<strong>01</strong>5 beschloss die Eigentümerversammlung, den<br />
Schwimmbad-, Umkleide-, Dusch- und Saunabereich angemessen<br />
zu konservieren durch den Einbau z. B. neuer Außentüren<br />
und durch die Verbesserung einiger Außenbauteile. Es<br />
wird ein Kostenbudget in Höhe von max. 10.000 Euro inkl.<br />
der gesetzlichen Mehrwertsteuer zur Verfügung gestellt. Die<br />
Arbeiten werden mit den Verwaltungsbeiräten abgesprochen<br />
und beauftragt. Die Finanzierung erfolgt aus der Instandhaltungsrücklage.<br />
EIGENTÜMERGEMEINSCHAFT HÄLT<br />
SANIERUNG DES SCHWIMMBADES FÜR<br />
WIRTSCHAFTLICH UNSINNIG<br />
Zwei der Wohnungseigentümer fochten den Beschluss der Eigentümergemeinschaft<br />
an und erhoben Anfechtungsklage vor<br />
dem Amtsgericht München mit dem Ziel, dass der Beschluss<br />
für ungültig erklärt wird. Die Eigentümergemeinschaft weigerte<br />
sich, den Beschluss aufzuheben. Eine Sanierung des<br />
Schwimmbades sei wirtschaftlich unsinnig. Die meisten Mitglieder<br />
der Gemeinschaft seien auch nicht in der Lage, Sonderumlagen<br />
in entsprechender Größenordnung zu zahlen. Auch<br />
die nach einer Sanierung sich ergebenden Folgekosten für den<br />
Unterhalt des Schwimmbades seien zu bedenken, diese seien<br />
wirtschaftlich nicht vertretbar. Die überwältigende Mehrheit<br />
der Wohnungseigentümer wolle all dies derzeit auch nicht.<br />
NOTWENDIGKEIT DES SCHWIMMBADS<br />
NICHT ENTSCHEIDEND<br />
Das Amtsgericht München gab den Klägern Recht und erklärte<br />
den Beschluss für nichtig. Die Wohnanlage sei mit einem<br />
Schwimmbad und einer Sauna ausgestattet, die im Gemeinschaftseigentum<br />
stehen und allen Eigentümern zur Verfügung<br />
stehen. Die Eigentümer hätten einen Anspruch auf Nutzung<br />
des Schwimmbades und der Sauna. Eine solche Nutzung sei<br />
unstreitig aber nur möglich, wenn die notwendigen Sanierungsmaßnahmen<br />
durchgeführt würden. Jeder Käufer einer<br />
Wohnung wisse, dass es in der Anlage ein Schwimmbad gibt.<br />
Dies könne die Kaufentscheidung maßgeblich beeinflussen.<br />
Im Gegenzug wisse auch jeder, dass mit dem Schwimmbad<br />
erhöhte Kosten verbunden sind. Auf die Notwendigkeit<br />
des Schwimmbads komme es nicht an. Die Instandsetzung<br />
von Gemeinschaftseigentum entfällt nicht etwa deswegen als<br />
gemeinschaftseigene Aufgabe der ordnungsmäßigen Verwaltung,<br />
weil der sanierungsbedürftige Teil des Gemeinschaftseigentums<br />
(nach einer angeblich herrschenden Verkehrsauffassung)<br />
derzeit als überflüssig, übertrieben, übermäßig luxuriös<br />
oder ähnliches anzusehen wäre.<br />
KONSERVIERUNG DER SCHWIMMHALLE<br />
KOMMT STILLLEGUNG GLEICH<br />
Eine (unbefristete) Konservierung der Schwimmhalle und<br />
der Sauna anstelle der notwendigen Sanierungsmaßnahmen<br />
bedeutet im Ergebnis dasselbe wie eine Stilllegung. Das<br />
Schwimmbad und die Sauna können nicht mehr zweckbestimmt<br />
genutzt werden, sämtliche Wohnungseigentümer werden<br />
vom Gebrauch des Schwimmbades und der Sauna ausgeschlossen,<br />
was einem Entzug des Mitgebrauchs gleichkommt,<br />
so das Gericht.<br />
Amtsgericht München, Urteil vom 11.<strong>01</strong>.2<strong>01</strong>7 - 485 C 12234/16 WEG -<br />
Quelle: kostenlose-urteile.de<br />
HAUSVERKÄUFER MUSS SELBST<br />
BEI NICHT AKUTEM SANIERUNGS-<br />
BEDARF ÜBER BLEI-ROHRE IM<br />
HAUS AUFKLÄREN<br />
BLEIROHRE STELLEN SACHMANGEL IM SINNE<br />
VON § 434 ABS. 1 SATZ 2 NR. 2 BGB DAR<br />
Der Verkäufer eines Hauses muss darüber aufklären, dass im<br />
Haus Bleirohre vorhanden sind. Dies gilt selbst dann, wenn<br />
noch kein akuter Sanierungsbedarf vorliegt. Bleirohre im<br />
Haus stellen einen Sachmangel gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr.<br />
2 BGB dar. Dies hat das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden.<br />
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nach dem Kauf<br />
eines Mehrfamilienhauses im Jahr 2<strong>01</strong>6 stellte der Käufer fest,<br />
dass im Haus Bleirohre verbaut waren. Zum Zeitpunkt der Errichtung<br />
des Hauses im Jahr 1955 war dies üblich. Der Käufer<br />
ging dennoch von einer Mangelhaftigkeit aus und verlangte<br />
daher von der Verkäuferin den Ersatz der Kosten für den Austausch<br />
der Bleirohre in Höhe von fast 55.000 EUR. Da sich<br />
diese weigerte dem nachzukommen, erhob der Käufer Klage.<br />
Das Landgericht Duisburg gab der Klage statt. Dagegen richtete<br />
sich die Berufung der Beklagten.<br />
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ANSPRUCH AUF KOSTENERSTATTUNG WEGEN<br />
AUSTAUSCHS DER BLEIROHRE<br />
Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte die Entscheidung<br />
des Landgerichts. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf<br />
Erstattung der Austauschkosten zu. Ein mit Bleirohren versehenes<br />
Haus sei - unabhängig vom Baujahr - mit einem Sachmangel<br />
gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB behaftet.<br />
Blei gehöre zu den Umweltgiften, die zu einer chronischen<br />
Gesundheitsgefährdung führen können. Unabhängig von<br />
dem mit dem Kauf verfolgten Zweck, weise ein mit Bleirohren<br />
versehenes Gebäude deshalb schon wegen des Risikos eines<br />
bevorstehenden Austauschs der Rohre und damit einhergehender<br />
Wertminderung sowie der Gefahr einer öffentlich-rechtlichen<br />
Inanspruchnahme bei Überschreitung der<br />
Grenzwerte nicht die übliche Beschaffenheit auf.<br />
ÜBERSCHREITUNG DER GRENZWERTE<br />
NICHT ERFORDERLICH<br />
Es komme nach Auffassung des Oberlandesgerichts nicht darauf<br />
an, ob bereits die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung<br />
überschritten und damit sich die mit den Bleirohren<br />
verbundene Gefahr realisiert hat. Da nämlich seit Jahren die<br />
Grenzwerte zur Erhaltungsmaßnahmen kontinuierlich herabgesetzt<br />
werden, sei in Zukunft mit einem Verstoß gegen die<br />
Verordnung zu rechnen. Dies genüge für das Vorliegen eines<br />
Sachmangels.<br />
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Quelle: kostenlose-urteile.de<br />
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