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Wozzeck - Institut für Szenische Interpretation von Musik + Theater

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Der Theorieteil<br />

I. Vorwort<br />

Der vorliegende dritte Band der Reihe „<strong>Szenische</strong> <strong>Interpretation</strong> <strong>von</strong> Opern“ ist das Ergebnis<br />

<strong>von</strong> Lehrerfahrungen mit Materialien, die Ingo Scheller und ich zur szenischen <strong>Interpretation</strong><br />

<strong>von</strong> Alban Bergs „<strong>Wozzeck</strong>“ 1988/89 erstellt hatten. Diese Erfahrungen waren gekennzeichnet<br />

durch einen mühsamen Ablösungsprozeß „<strong>Wozzeck</strong>s“ vom erdrückend großen Vorbild<br />

des „Woyzeck“ Georg Büchners: denn das Büchner’sche Dramenfragment ist zur szenischen<br />

<strong>Interpretation</strong> derart gut geeignet, daß wir fragen mußten, warum man sich mit der <strong>Musik</strong> Alban<br />

Bergs herumschlagen sollte. Ich hoffe, daß es mir gelingt, mit dem vorliegenden Band<br />

eine überzeugende Antwort auf diese Frage zu formulieren. Hervorgegangen ist diese Antwort<br />

aus der Arbeit des Teams der Arbeitsstelle „<strong>Musik</strong> + Szene“ in Oldenburg (Ralf Nebhuth,<br />

Markus Kosuch, Rainer Brinkmann) sowie zahlreicher Lehrerinnen und Lehrer, die die Methoden<br />

der szenischen <strong>Interpretation</strong> soweit „musikalisiert“ haben, daß eine Bearbeitung der<br />

Oper „<strong>Wozzeck</strong>“ nunmehr vertretbar erscheint.<br />

Aufgrund der Hypothek des einmaligen Realismus Büchners hatten wir uns das Ziel gesetzt,<br />

eine szenische <strong>Interpretation</strong> der Oper „<strong>Wozzeck</strong>“ zu begründen, die nicht hinter Büchner<br />

zurückfällt oder zur Ausrede Zuflucht nehmen muß, daß <strong>für</strong> „<strong>Wozzeck</strong>“ als der bedeutendsten<br />

Oper des 20. Jahrhunderts jede Methode legitim sei, die es ermöglicht, dies Kunstwerk in der<br />

Schule durchzusetzen. Wir fanden in mühsamer Kleinarbeit heraus, daß das, was ich mit dem<br />

Schlagwort „psychosozialer Kreislauf“ belegte, nicht nur Büchners eigentliches Thema gewesen<br />

ist, sondern sich auch in Bergs Oper wiederfindet, wenn man erfahrungsbezogen mit der<br />

<strong>Musik</strong> umgeht und das Kunstwerk, um dessen Geschlossenheit sich Berg so viel Sorgen gemacht<br />

und dessen Konstruktion ihm so viel Mühe bereitet hat, wie ein „<strong>Musik</strong>dramenfragment“<br />

benutzt.<br />

Das Ergebnis jener Kleinarbeit ist ein „<strong>Wozzeck</strong>“-Konzept, das nicht nur <strong>für</strong> SchülerInnen<br />

hoch aktuell ist, die sich auf Überlebensstrategien im Deutschland der „neuen Armut“ vorbereiten,<br />

sondern das auch zu einer interessanten Akzentverschiebung geführt hat. Zentrum des<br />

„<strong>Wozzeck</strong>“ ist nicht mehr der gepeinigte Stadtsoldat, der <strong>von</strong> allen guten Geistern verlassen,<br />

<strong>von</strong> seiner Umwelt gequält oder mißverstanden und <strong>von</strong> der Geliebten verraten wird, sondern<br />

die Beziehung eines unverheirateten Paares mit Kind, dessen Phantasieproduktionen nicht<br />

mehr dazu ausreichen, dem tötlichen Kreislauf der Rundum-Verelendung zu entkommen.<br />

Die neu akzentuierte <strong>Interpretation</strong>, die wir hier zu „<strong>Wozzeck</strong>“ vorlegen, kann auch unabhängig<br />

<strong>von</strong> der Methode der szenischen <strong>Interpretation</strong> diskutiert und vermittelt, sie konnte aber<br />

nicht ohne die Mittel der szenischen <strong>Interpretation</strong> gefunden werden. Diese Tatsache zeigt,<br />

daß die szenische <strong>Interpretation</strong> nicht nur eine Methode der Vermittlung ist, sondern auch ein<br />

Weg, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen. Und daher ist es auch sinnvoll, sie in<br />

der Schule bis hinauf zum wissenschaftspropädeutischen Unterricht der gymnasialen Oberstufe<br />

einzusetzen.<br />

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