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Wozzeck - Institut für Szenische Interpretation von Musik + Theater

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end hinzugezogen, während im wesentlichen sprachlich-körpersprachlich (rein „dramatisch“)<br />

gearbeitet wurde. Die latente Gegenüberstellung Berg-Büchner behinderte die szenische <strong>Interpretation</strong><br />

der Oper, weil sie stets auf eine Metaebene führte. Die Einfühlung in Bergs musikalisch<br />

gezeichnete Rollen und damit das Erfahrungslernen wurden gestört durch die philologische<br />

und literaturwissenschaftliche Reflexion der Rollenunterschiede zwischen Berg und<br />

Büchner.<br />

Nachdem in der ersten Erprobung der Materialien zur szenischen <strong>Interpretation</strong> <strong>von</strong> „<strong>Wozzeck</strong>“<br />

die SpielerInnen kritisiert hatten, daß nicht Bergs Oper „als solche“ interpretiert wurde,<br />

sondern Büchners Dramenfragment mit Berg’scher Begleitmusik, wurden in den drei darauffolgenden<br />

Jahren zahlreiche musikspezifische Methoden entwickelt, Arrangements und Playbacks<br />

erarbeitet und ein Woyzeck-Songbook zusammengestellt. Was zunächst als großes<br />

Handicap <strong>von</strong> „<strong>Wozzeck</strong>“ angesehen wurde, stellte sich bald als eine neuartige Chance heraus:<br />

Während gewisse Passagen aus „Figaros Hochzeit“, „Carmen“ oder der „West Side Story“<br />

<strong>von</strong> SchülerInnen notengetreu nachgesungen werden können, ist eine derartige Reproduktion<br />

der <strong>Musik</strong> Bergs ausgeschlossen. Der musikpraktische Umgang mit Bergs <strong>Musik</strong> kann also<br />

nicht darin bestehen, daß die <strong>Musik</strong> notengetreu reproduziert wird. Aus Pietätsgründen sind<br />

<strong>Musik</strong>lehrerInnen aber gewohnt, Bergs <strong>Musik</strong> unbedingt notengetreu im <strong>Musik</strong>unterricht<br />

besprechen zu wollen - denn so, wie die Noten gesetzt sind, ist die bedeutendste Oper des 2O.<br />

Jahrhunderts ja auch gemeint! Indessen enthält Bergs „<strong>Wozzeck</strong>“-<strong>Musik</strong> selbst viele Verfremdungseffekte:<br />

Volkslieder, Tänze, Märsche, tonale Assoziationen, bekannte Gesten, gängige<br />

Illustrationseffekte, Tonmalerei werden in verzerrter Form eingesetzt, vor allem aber<br />

auch die Sprache der SchauspielerInnen/SängerInnen. Warum kann sich auf dem Hintergrund<br />

dieserart originärer Verfremdung nicht auch die musikalische Aneignung im Rahmen der szenischen<br />

<strong>Interpretation</strong> abspielen?<br />

Es wurden drei Typen musikalischer „Reproduktion“ <strong>von</strong> Bergs „<strong>Wozzeck</strong>“-<strong>Musik</strong> entwickelt<br />

und in den Dienst der Verfahren des szenischen Spiels gestellt:<br />

* Das gestische Singen: hier wird der Gesamtgestus einer meist kürzeren Phrase oder Passage<br />

frei nachgeahmt, wobei ohne Befolgung der genauen Tonhöhen und Rhythmen versucht werden<br />

soll, das Wesentliche (eben den „Gestus“) der <strong>Musik</strong> zu erfassen. Kriterium dieses „Gestus“<br />

ist, daß der <strong>von</strong> Berg intendierte psychische Gehalt erhalten bleibt. (Siehe MET8 Singhaltungen.)<br />

* Das melodramatische Sprechen: hier wird in Anlehnung an die <strong>von</strong> Berg selbst vorgegebene<br />

breite Palette <strong>von</strong> Sprech- und Singweisen zur <strong>Musik</strong> frei gesprochen und darauf vertraut, daß<br />

die <strong>Musik</strong> einen musikalischen Sprechduktus stimuliert, der den Personen in Bergs Oper angemessen<br />

ist. (Siehe MET7 Sprechhaltungen.)<br />

* Das Singen und Spielen <strong>von</strong> Bearbeitungen der <strong>Musik</strong> Bergs, die so etwas wie eine „Entzerrung“<br />

der erwähnten Verfremdungseffekte darstellen: Lieder, Tänze und Märsche werden<br />

tonal „rückübersetzt“ und in dieser vereinfachten Form gesungen und gespielt. (Siehe MET10<br />

<strong>Musik</strong>alische Spielhaltungen. Siehe auch das „<strong>Wozzeck</strong>-Songbook“!)<br />

Alle drei Verfahren führen nicht <strong>von</strong> Bergs <strong>Musik</strong> weg, sondern treffen wesentliche Aspekte<br />

Berg’scher Kompositionstechnik. Mit allen drei Verfahren werden jene Archetypen direkt<br />

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