Heft 2, Jahrgang 140 - Canisianum
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Die Richtigkeit ist die syntaktische Dimension,<br />
die den formalen Aspekt der Wahrheit betont.<br />
Die Übereinstimmung ist die semantische<br />
Dimension, die uns auf den sachlichen Inhalt<br />
der Wahrheit hinweist. Und schließlich ist die<br />
Wahrhaftigkeit die pragmatische Dimension,<br />
die die einzelne intersubjektive Gültigkeitsbedeutung<br />
der Wahrheit ausdrückt.<br />
Infolgedessen ist die Richtigkeit die logische<br />
sprachliche Vorbereitung der Übereinstimmung,<br />
deren Zweck die Wahrhaftigkeit ist. 19<br />
Gerade deshalb ist die Gültigkeit eines intersubjektiven<br />
Konsenses möglich mit Hilfe der<br />
formalen Richtigkeit und aufgrund des sachlichen<br />
Inhalts des Konsenses. Also schließt<br />
keine Wahrheitsdimension die anderen aus,<br />
weil sie sich gegenseitig ergänzen und drei<br />
analoge Wahrheitsdeutungen sind. 20 Von diesem<br />
Standpunkt aus bleibt Beuchot im Gespräch<br />
mit der Analytischen Philosophie und<br />
mit der Philosophie der Kommunikationsvorgänge<br />
bzw. Diskursethik. 21<br />
6. Ethik und analoge Grundlegung der<br />
Menschenrechte<br />
Während die analoge Hermeneutik bei der<br />
Suche nach einer philosophischen Vermittlung<br />
zwischen Metaphysik und Ethik hilft, ist die<br />
Anthropologie der Ausgangspunkt und ständige<br />
Anhaltspunkt dieser Vermittlung. Die<br />
Beuchotsche Ethik ist gleichzeitig teleologisch<br />
und deontologisch, d.h. eine Zweck– und eine<br />
Pflichtethik. Die analoge Hermeneutik entwirft<br />
eine kommunikative Verbindung mit den anderen<br />
Menschen, fordert ein ethisches Engagement<br />
für sie und erhält absichtlich eine metaphysische<br />
Tendenz, weil das Sein uns anhand<br />
der Sprache der anderen anspricht. Deswegen<br />
lädt uns die analoge Hermeneutik zu<br />
einem anhaltenden Gespräch ein und zu einer<br />
Teilnahme an der Dialogethik.<br />
Die Menschenrechte sind ein ethisches<br />
Thema, für das sich Beuchot besonders interessiert.<br />
Allerdings brauchen solche Rechte<br />
eine Grundlegung. Manchmal scheinen sie<br />
bloß urbane Mythen zu sein, d.h. bisher haben<br />
die Menschenrechte einer plausiblen Grund-<br />
16<br />
PHILOSOPHIE<br />
legung ermangelt, deswegen müssen sie begründet<br />
werden. Laut Beuchot erfordert diese<br />
Grundlegungsaufgabe eine Deutung der<br />
„menschlichen Natur“ und des „Naturrechts“,<br />
welche analoge Begriffe sind und von der<br />
Beuchotschen Hermeneutik semantisch und<br />
pragmatisch gedeutet werden.<br />
Dadurch können diese Begriffe umgewandelt<br />
werden und ihre Rigidität kann überwunden<br />
werden, denn ihretwegen und aufgrund vernünftiger<br />
Argumente sind diese Begriffe auch<br />
abgelehnt worden. Offensichtlich ist diese<br />
semantische Pragmatisierung dem Einfluss<br />
der Analytischen Philosophie und des amerikanischen<br />
Pragmatismus auf Beuchot zugeschrieben<br />
worden, der diesen Einfluss bewusst<br />
übernommen hat.<br />
Mit Hilfe dieser analogen Semantisierung und<br />
Pragmatisierung können die Menschenrechte<br />
mit den „menschlichen Natur-„ und „Naturrechtsbegriffen“<br />
begründet werden, wobei<br />
diese Begriffe analog gedeutet werden. Von<br />
diesem Standpunkt aus sind die menschliche<br />
Natur und das Naturrecht dynamische Vorgänge,<br />
die das Wesen des Menschen allmählich<br />
in der Geschichte jeder Person entfalten.<br />
Laut Beuchot kommt der von der Analytischen<br />
Philosophie „natural class“ genannte Begriff<br />
ähnlich der Thomanischen «essentia» und der<br />
Aristotelischen «phy´sis» nahe, denn Beuchot<br />
betrachtet das Wesen des Menschen oder<br />
die menschliche Natur als etwas Analoges.<br />
Das bedeutet folgendes: Die menschliche<br />
«phy´sis» beinhaltet essentiell jene ähnlichen<br />
Elemente, die sich die Mitglieder des selbes<br />
„natural class“ zwar teilen, aber die Unterschiede<br />
sind zwischen ihnen größer als die<br />
Ähnlichkeiten.<br />
Die analoge Deutung der menschlichen Natur<br />
und des Naturrechts erfordert sogar eine<br />
Pragmatisierung der Ontologie und eine<br />
Ontologisierung der Pragmatik. 22 Die erstere<br />
besteht in einem solidarischen Engagement<br />
für die menschlichen Bedürfnisse und die letztere<br />
in einem ontologischen Bezug dieses<br />
Engagements auf die menschliche Natur.<br />
Deshalb besteht die semantische Pragma-