Heft 2, Jahrgang 140 - Canisianum
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Severin Leitner SJ<br />
Fakultät Schule des Lebens, Denkens<br />
und Glaubens<br />
44<br />
Severin Leitner SJ<br />
Ein denkwürdiger Anlass führt uns heute zur<br />
Eucharistie – zur Dankesfeier zusammenführt:<br />
die 150 – Jahrfeier der Wiedereröffnung der<br />
Theologischen Fakultät durch Kaiser Franz<br />
Josef am 4. November 1857 1 . Schon im<br />
Gründungsakt sind drei für diese Fakultät<br />
typisch gebliebene Merkmale sichtbar, auf die<br />
der Jesuitenorden größten Wert gelegt hat:<br />
die Fakultät sollte nicht diözesan gebunden,<br />
aber den Diözesen zu Diensten, sie sollte<br />
international sein und sich durch hohe Qualität<br />
in Lehre und Forschung auszeichnen. So war<br />
es der Wille des Papstes und des Generals in<br />
Rom, so war es auch der erklärte Wille des<br />
Fürstbischofs Vinzenz Gasser von Brixen. Die<br />
Fakultät durchlief Perioden großer Bedrohungen<br />
durch liberale, antikirchliche Kräfte, sie<br />
erlebte die Aufhebung durch die Nationalsozialisten,<br />
sie sah aber auch Perioden ruhiger<br />
Aufbauarbeit bis hin zu Weltruf.<br />
Weltbekannt wurde die Universität Innsbruck<br />
durch die Theologische Fakultät und das<br />
<strong>Canisianum</strong>, durch das Wirken großer Lehrer,<br />
die die besten Schüler aus aller Welt hier<br />
anzogen. Als staatliche Fakultät ist sie eingebunden<br />
in die staatlich-öffentliche Universität,<br />
gestaltet die Entwicklungen mit und erhebt im<br />
öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs<br />
ihre Stimme. Die internationale Ausstrahlung<br />
dieser Fakultät war und ist groß, hinein in<br />
unser Land und unsere Kirche, hinein in das<br />
Europa heute und in die Kontinente. Ich möch-<br />
THEOLOGIE UND KIRCHE<br />
te an dieser Stelle den Lehrenden und Lernenden<br />
für ihren tagtäglichen Beitrag zum<br />
Gelingen des Ganzen an dieser Alma Mater<br />
Anerkennung und Dank aussprechen. In<br />
Hochachtung und großer Dankbarkeit wollen<br />
wir auch jene nicht vergessen, die unten in der<br />
Krypta dieser Kirche ihre letzte Ruhe gefunden<br />
haben.<br />
Als ich die heutigen drei Lesungen meditierte,<br />
hatte ich den Eindruck, sie seien für mich<br />
geschrieben. An ihrer Botschaft möchte ich<br />
meine Gedanken und Anliegen für diese<br />
Predigt strukturieren.<br />
1. Theologische Fakultät, eine Schule des<br />
Lebens und des Staunens<br />
Das Buch der Weisheit preist Gott als den<br />
Schöpfer der ganzen Welt. „Herr, die ganze<br />
Welt ist vor dir wie ein Stäubchen auf der<br />
Waage, wie ein Tautropfen, der am Morgen<br />
zur Erde fällt. Du hast mit allem Erbarmen,<br />
weil Du alles vermagst. … Du liebst alles, was<br />
ist,… Herr, Du Freund des Lebens (der<br />
Philobios)“ (Weih 11,22. 26). Das Buch der<br />
Weisheit atmet Weite, Vertrauen und dankbares<br />
Staunen. Eine Weltsicht, die nicht naiv<br />
aber auch nicht bedrohlich ist. Die Welt ist ein<br />
großer Raum der Liebe und des Vertrauens.<br />
Das genau ist auch die Grundinspiration der<br />
ignatianischen Mystik und Spiritualität, die<br />
Karl Rahner eine „Mystik der Weltfreudigkeit“<br />
nannte: Der Mensch ist geschaffen, Gott den<br />
Herrn zu loben, ihm Ehrfurcht zu erweisen und<br />
zu dienen. Alles auf der Welt ist ihm dazu<br />
Hilfe. Von dieser Grundinspiration her hatte<br />
die Theologie der Jesuiten immer eine ganz<br />
positive Weltsicht, ein positives Menschenbild,<br />
das den Menschen mit einem großen Ziel<br />
beschenkt sieht: Gott und den Menschen zu<br />
dienen, – in allem – „amar y servir en todo“.<br />
Ist nicht das der beste Ausgangspunkt einer<br />
jeden Tätigkeit, allen Forschens an einer<br />
Theologischen Fakultät, das Staunen, das<br />
Fragen, die Neugier zu wecken über das<br />
unfassbare Geheimnis Gottes und seiner<br />
Schöpfung?<br />
Dürfen wir das noch, angesichts globaler<br />
Probleme und Bedrohungen? Ist das nicht<br />
naiv und blind? Nein, wir müssen den Boden