Heft 2, Jahrgang 140 - Canisianum
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THEOLOGIE UND KIRCHE<br />
systeme und Lebenswelten des Sports, der<br />
Kultur, der Wissenschaft, der Ökonomie, des<br />
Geldes, der NGO’s, des Alltags, der Freizeit<br />
entwickeln Rollen und Modelle von Führen<br />
und Leiten. Auch die Vorstellungen vom<br />
Führen und Leiten in der Kirche sind vielfältig.<br />
Jede Lebenswelt und jeder Lebensbereich hat<br />
eine eigene Sprache, entwickelt Leitungsstile<br />
und Typen von Führen. Dabei gibt es durchaus<br />
eine Interaktion zwischen den Lebenswelten,<br />
d.h. ein Lernen und Befruchten zwischen<br />
denen, die in den unterschiedlichen<br />
Bereichen vorne stehen. Freilich gibt es auch<br />
ein Besetzen eines Bereichs (z.B. der Kirche)<br />
durch einen anderen (z.B. Management,<br />
Psychologie). Wird das Vokabular der Wirtschaft<br />
auf die Kirche übertragen, so zieht<br />
damit auch ein neuer Geist oder auch Ungeist<br />
in die Kirche ein.<br />
Leitung durch Wort und Eucharistie<br />
„Das Volk Gottes wird an erster Stelle geeint<br />
durch das Wort des lebendigen Gottes, das<br />
man mit Recht vom Priester verlangt. Da niemand<br />
ohne Glaube gerettet werden kann, ist<br />
die erste Aufgabe der Priester als Mitarbeiter<br />
der Bischöfe, allen die frohe Botschaft Gottes<br />
zu verkünden. … ‚Der Glaube kommt aus der<br />
Predigt, die Predigt aber durch Christi Wort’<br />
(Röm 10,17). Die Priester schulden also allen,<br />
Anteil zu geben an der Wahrheit des<br />
Evangeliums, deren sie sich im Herrn erfreuen.“<br />
(PO 4)<br />
Leitung und Hirtenamt werden nicht an der<br />
Eucharistie vorbei verwirklicht. Sie ist die<br />
Quelle und der Höhepunkt des ganzen christlichen<br />
Lebens (LG 11), aus ihr lebt und wächst<br />
die Kirche immerfort (LG 26), sie ist die<br />
Darstellung und Verwirklichung der Einheit der<br />
Gläubigen (LG 3), in ihr wird die Gemeinschaft<br />
mit Christus und untereinander verwirklicht<br />
(LG 7), durch sie geschieht die Eingliederung<br />
in den Leib Christi (PO 5)<br />
Es ist also Aufgabe der Leitung, das<br />
Evangelium zu verkünden und dem Evangelium<br />
ein Gesicht zu geben. Leitung ist<br />
(mit)verantwortlich, dass Gemeinden in der<br />
Spur des Evangeliums bleiben. Prägung der<br />
Kirche geschieht ja nicht nur durch die amtli-<br />
che Verkündigung, sondern vielmehr durch<br />
das gelebte Zeugnis im Alltag. Gleichzeitig<br />
gehört die Feier der Eucharistie zu den<br />
Grundvollzügen des sakramentalen Amtes.<br />
Das schließt ein Leben aus dem Geheimnis<br />
der Eucharistie mit ein. Kirchliche Pastoral hat<br />
zu den Quellen des Glaubens und der Kirche<br />
zu führen und von da her der Einheit und der<br />
Versöhnung zu dienen wie auch Visionen und<br />
Leitbilder für die Zukunft zu entwickeln.<br />
Der gute Hirt<br />
Leitung ist biblisch besonders durch das Bild<br />
des guten Hirten geprägt, der gekommen ist,<br />
damit die Seinen Leben in Fülle haben. So<br />
verstanden soll Leitung dazu führen, dass<br />
eine Gemeinde sich entwickelt, wächst, aufgebaut<br />
wird, geeint wird, zur Entfaltung<br />
kommt, blüht. „Er hinterlässt einen<br />
Scherbenhaufen.“ – So kann man es über<br />
einen Menschen hören, der eine Verantwortung<br />
und Aufgabe zurücklässt und einen<br />
Ort verlassen muss. Seine Entscheidungen,<br />
seine Arbeit, seine Weise, mit Menschen<br />
umzugehen, hat nicht aufgebaut, nicht zum<br />
Wachstum, zum Fortschritt geführt, sondern<br />
zum Chaos. Er hat bisherige Freunde gegeneinander<br />
aufgebracht, Familien gespalten.<br />
Beziehungen sind nachhaltig vergiftet,<br />
Feindschaften werden sich vielleicht über<br />
Generationen hinweg halten. Ein in sich zerrissener<br />
und gespaltener Mensch treibt einen<br />
Spaltpilz überall dort hinein, wo er lebt. „Er<br />
hinterlässt einen Schuldenberg“, d.h. er hat<br />
auf Kosten anderer gelebt, gewirtschaftet,<br />
spekuliert. Die Last müssen andere tragen.<br />
Sie verlieren ihren Arbeitsplatz, ihre Sicherheit,<br />
ihre soziale Rolle und ihre gesellschaftliche<br />
Identität. Nicht alle Hinterlassenschaften<br />
bzw. Erbschaften bergen ein Vermögen in<br />
sich. Manche müssen bei einem großen<br />
Minus anfangen.<br />
„Es blüht hinter ihm her.“ – So lautet ein Wort<br />
von Hilde Domin. Ein Leiter im Sinne Jesu ist<br />
kein Sauger oder Ausbeuter, schon gar kein<br />
Tyrann, sondern einer der ermächtigt, das<br />
volle Potential zu entfalten. Ein Leiter im Sinne<br />
des guten Hirten hält die anderen nicht in<br />
schlechter Abhängigkeit, sondern befähigt sie<br />
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