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Heft 2, Jahrgang 140 - Canisianum

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THEOLOGIE UND KIRCHE<br />

die vergebende Liebe waltet, die sich selbst<br />

mitteilt.“ 46 In dieser ekklesiologischen<br />

Konsequenz einer Herz-Jesu-Verehrung, die<br />

nicht im Modus des Verfügens, sondern im<br />

Horizont des Geheimnisses lebt, besteht zweifellos<br />

ein uneingelöstes Vermächtnis der<br />

Theologie Karl Rahners. Nehmen wir seinen<br />

Gedanken ernst: „Der Priester von morgen<br />

wird sein der Mensch mit dem durchbohrten<br />

Herzen, aus dem allein die Kraft seiner<br />

Sendung kommt.“ 47<br />

2. Entäußerung (Franz Schupp)<br />

In den wenigen Jahren, in den Franz Schupp<br />

(* 1936) als Ordinarius für Dogmatik an der<br />

Innsbrucker Theologischen Fakultät tätig sein<br />

konnte (1971-1974), unternahm er den innovativen<br />

und herausfordernden Versuch, den<br />

Anspruch christlicher Glaubensverantwortung<br />

im Kontext zeitgenössischer Sprach-, Kulturund<br />

Wissenschaftstheorie zu reformulieren 48 .<br />

Schon in dem Beitrag im „Korrespondenzblatt<br />

des <strong>Canisianum</strong>s“, in dem er sich als junger<br />

Dozent vorstellt, kommt Schupp auf die „radikale<br />

Vergeschichtlichung des Denkens“ sowie<br />

auf die „Technisierung der Wissenschaft“ zu<br />

sprechen 49 . In dieser Lage kann es weder<br />

darum gehen, „einfach einen vorgegebenen<br />

modernen Wissenschaftsbegriff für die<br />

Theologie zu übernehmen“ noch den „antiken<br />

theoria-Begriff als reines Vernehmen und<br />

Annehmen der göttlichen Wahrheit“ 50 aufrechtzuerhalten.<br />

Vielmehr hat Theologie den<br />

geistig-kulturellen Lebens- und Denkzusammenhang<br />

ernst zu nehmen und darin ihre<br />

eigenen Aussagen zu verifizieren, und zwar<br />

im Bewusstsein, „dass nicht nur die Formulierung,<br />

sondern die Wahrheit selbst geschichtlich<br />

und eschatologisch gedacht werden<br />

muss“ 51 .<br />

Theologie ist kein „sicheres Wissen“ dergestalt,<br />

dass sie Glaubenssätze auf eine gesellschaftliche<br />

und kulturelle Krisensituation „anwendet“;<br />

vielmehr ist die „Endgültigkeit“, für<br />

die sie steht, eschatologisch verheißen, nicht<br />

aber gegenwärtig verfügbar. Daraus ergibt<br />

sich, „dass das sogenannte eschatologische<br />

Bewusstsein sich in ein ihm korrespondierendes<br />

methodologisches Prinzip umsetzen<br />

muss“, und zwar in eine „kritische Theorie der<br />

Geschichte“ 52 . Gegen die stets neu auftretende<br />

Tendenz, die Suche des Menschen nach<br />

Heil, Wahrheit und Freiheit für „abgeschlossen“<br />

und „beantwortet“ zu erklären, versteht<br />

sich christliche Theologie als kritische<br />

Negation solcher totalen Vermittlungen.<br />

„Theologie hat die geschichtlich-reale<br />

Versöhnung nicht als Gegenstand, sondern<br />

nur als regulatives Prinzip vor sich.“ 53 Die<br />

Kategorie aber, in der eine theologische Kritik<br />

von Totalität möglich ist, ist das Fragment. Von<br />

daher entwickelte Schupp einen christologischen<br />

Ansatz, der unter dem Titel „Vermittlung<br />

im Fragment“ das Bekenntnis zu Jesus<br />

Christus von seiner totalitätskritischen (weil<br />

eschatologischen und fragmentarischen)<br />

Denkform her aufwies.<br />

Die Botschaft Jesu, sein gewaltsamer Tod, die<br />

bleibende Gültigkeit seines Lebens lassen<br />

sich nur vom „Kreuz als Symbol des<br />

Fragments“ 54 her verstehen: „Fragmentarität<br />

ist der Ausdruck der Gültigkeit der Praxis dessen,<br />

der sich dem System widersetzte, weil er<br />

dessen Gewalt durchschaute, der so für seine<br />

eigene Praxis auch nicht den Schein der<br />

Vollendung in Anspruch nehmen konnte.<br />

Ohne Bereitschaft, verfügtes Fragment zu<br />

bleiben, wäre die Verkündigung bedingt<br />

geblieben.“ 55 Die Identität der Person und<br />

Botschaft Jesu besteht gerade darin, nicht „fix<br />

und fertig“ zu sein; sein Anspruch erschöpft<br />

sich nicht darin, „befriedigende Antworten“<br />

innerhalb eines geschlossenen Systems zu<br />

geben; und Theologie geht nicht darin auf,<br />

„Inhalte“ des Glaubens „darzustellen“. Die<br />

Verkündigung des Todes und der Auferstehung<br />

Jesu erfolgt nicht in der „Sprache der<br />

Tatsachen“. „Das ‚Faktum’, die ‚Tatsache’ des<br />

Kreuzes ist das Ende in deskriptiver<br />

Sprache“ 56 , betont Schupp und äußert die<br />

Vermutung: „Es gibt vielleicht so etwas wie die<br />

Kreuzgestalt von Theologie.“ 57 Eine von der<br />

Denkform des Kreuzes geprägte Theologie<br />

setzt bis in ihre Axiomatik hinein nicht eine<br />

geschlossene, sondern eine „fragmentarische<br />

Identität“ voraus, die sich nicht als „objektive“<br />

(oder gar totalitäre) Theorie versteht, sondern<br />

„als sich weggebende Praxis“ 58 .<br />

Was Schupp hier christologisch einmahnt,<br />

hängt mit jener widerständigen Erfahrung<br />

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