Heft 2, Jahrgang 140 - Canisianum
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vielmehr Zuversicht aus der Gewissheit: Die<br />
Kraft des Lebens ist stärker. Sie wird sich<br />
durchsetzen, auch wenn es zunächst anders<br />
aussieht.<br />
Diese Wahrheit hat Jesus im kostbaren<br />
Gleichnis von der von selbst wachsenden<br />
Saat betont und entfaltet. (Mk 4,26-29). Für<br />
mich ist das eines der trostreichsten<br />
Gleichnisse vom Wachsen des Gottesreiches:<br />
Der Sämann hat getan, was er tun konnte und<br />
tun musste. Dann aber gibt er alles aus der<br />
Hand und überlässt über Wochen und Monate<br />
hinweg die weitere Entwicklung der<br />
Samenkörner der Natur bzw. – mit den Augen<br />
des Glaubens gesehen – dem Schöpfer, der<br />
allein das Wachstum schenkt (vgl. 1 Kor 3,6).<br />
Wochen und Monate vergehen, und nichts<br />
scheint sich zu tun: Dann aber „bringt die Erde<br />
von selbst ihre Frucht“.<br />
Automáte¯ he¯ ge¯ karpophorei´. Dieses<br />
automáte¯ hat natürlich nicht die Bedeutung<br />
unseres seelenlosen „Automaten“. Das verborgene<br />
Wachstum geschieht ohne eine für<br />
den Menschen sichtbare, erkennbare<br />
Ursache, als Wundertat Gottes, als sein wunderbares<br />
Wirken.<br />
4. Gelassenheit und Hoffnung<br />
Dieses Gleichnis von der von selbst wachsenden<br />
Saat entlastet uns! Es befreit uns vom<br />
Druck, alles selbst tun zu müssen. Wir müssen<br />
nicht von früh bis spät auf Trab sein, um<br />
alles in Gang zu halten. Wir dürfen Sachen<br />
aus der Hand geben. Wir dürfen ernst machen<br />
mit der Tatsache, dass wir nur Handlanger,<br />
nur „unnütze Knechte“ (Lk 17,10) sind. Der<br />
Herr der Ernte ist ein anderer!<br />
Mir erwächst aus diesem Gleichnis eine tiefe<br />
Gelassenheit. Auch wenn ich schlafe, ist Er<br />
am Werk. Ida Friederike Görres hat einem<br />
ihrer Büchlein das Leitwort vorangestellt: „Es<br />
wächst viel Brot in der Winternacht.“ 1 Der<br />
Glaube daran bewahrt uns vor Panik und<br />
Hektik.<br />
Er bestärkt uns zugleich in der Hoffnung.<br />
Manchmal habe ich den Eindruck, dass die<br />
Hoffnung unter den drei „göttlichen Tugenden“<br />
etwas stiefmütterlich behandelt und beurteilt<br />
wird. Dabei ist sie eine typisch christliche<br />
42<br />
THEOLOGIE UND KIRCHE<br />
Tugend. Ich glaube nicht, dass es eine andere<br />
Religion gibt, die so stark von der Hoffnung<br />
geprägt ist.<br />
Ich weiß nicht, ob es Euch auch aufgefallen<br />
ist, dass die Schreiben, die Papst Johannes<br />
Paul II. in den letzten Jahren seines Lebens<br />
veröffentlicht hat, unter dem Generalthema<br />
der Hoffnung stehen. Ich erinnere nur an die<br />
jüngsten Nachsynodalen Schreiben Ecclesia<br />
in Europa zum Thema „Jesus Christus, der in<br />
seiner Kirche lebt – Quelle der Hoffnung für<br />
Europa“ und Pastores gregis zum Thema „Der<br />
Bischof – Diener des Evangeliums Jesu<br />
Christi für die Hoffnung der Welt“. Auch sein<br />
Apostolisches Schreiben „Novo millennio ineunte“<br />
zum Beginn des neuen Jahrtausends<br />
atmet diesen Geist der Hoffnung.<br />
Nun muss man die Hoffnung deutlich abheben<br />
vom Optimismus. Der Optimist ist immer in<br />
der Gefahr, die Probleme zu unterschätzen<br />
und seine eigenen Fähigkeiten und Kräfte zu<br />
überschätzen. „Krempeln wir die Ärmel hoch.<br />
Das kriegen wir schon hin, das schaffe ich<br />
schon!“<br />
Umgekehrt läuft der Pessimist Gefahr, die<br />
Probleme zu überschätzen und seine eigenen<br />
Möglichkeiten zu verkennen. Er sieht in jedem<br />
Maulwurfhügel gleich einen hohen Berg. „Das<br />
kann ich nicht. Das schaffe ich nicht.“<br />
Beide begehen den fundamentalen Fehler,<br />
dass sie nur auf ihre eigenen Fähigkeiten und<br />
Möglichkeiten schauen. Die christliche<br />
Hoffnung hingegen nimmt die Probleme nüchtern<br />
und ehrlich wahr. Der Christ ist ein<br />
Realist. Er steckt den Kopf nicht in den Sand.<br />
Er spielt die Probleme nicht herunter. Aber er<br />
weiß, dass es nicht nur – und nicht einmal in<br />
erster Linie – auf ihn ankommt: „Ich bin bei<br />
euch!“<br />
Der selige Papst Johannes XXIII. hat es in seinem<br />
manchmal etwas kindlich anmutenden,<br />
aber tiefen Glauben so formuliert. „Wer<br />
Glauben hat, der zittert nicht. Er überstürzt<br />
nichts, er ist nicht pessimistisch, er verliert<br />
nicht die Nerven. Glauben, das ist die<br />
Heiterkeit, die von Gott kommt.“ 2