<strong>Das</strong> Ende des großen Bauens Von Jan Stephan 32 <strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>
Bauen ist so teuer wie nie, und auf einmal kosten auch Kredite wieder Geld. Die mögliche Folge: ein Ende des Einfamilienhauses auf dem Land. Vielleicht aber sind das gar keine schlechten Aussichten. K-R-I-S-E <strong>–</strong> dem ein oder anderen jüngeren Handwerker wird man das Wort in Ruhe buchstabieren müssen. Die vergangenen eineinhalb Jahrzehnte hat diese fünf Buchstaben am Bau keiner in den Mund genommen. Warum auch? Wenn es wo gebrummt hat, dann hier. Die größte Herausforderung war es, schneller neue Auftragsbücher zu kaufen, als man die alten vollgeschrieben hatte. Na ja, und natürlich Leute zu finden, die einem die viele Arbeit auch erledigten. Aber dazu später mehr. Jetzt muss man erst mal die sich überschlagenden Weltuntergangsszenarien verdauen, die seit Monaten kursieren. Denn eines ist klar: Die Zeit des Baubooms scheint vorbei. Von einem „dramatischen Einbruch“ ist die Rede, von der „vielleicht ganz, ganz großen Krise“, von „einem abrupten Stopp des Baubooms“. Und all das ist richtig <strong>–</strong> zumindest ein bisschen. Aber jetzt sitzt man erst mal im rundum gefliesten Büro der Firma Kamm Bau in Ellingen. Am Tisch hat Klaus Weber Platz genommen, der nicht nur hier der Chef ist, sondern auch in der Bauinnung Weißenburg-Gunzenhausen als Obermeister den Hut aufhat. Wenn es den Bach runtergeht, dann sollte Klaus Weber den nahenden Wasserfall als Erster hören. Weber schaut nachdenklich aus dem Fenster. Sein Blick fällt auf das Betonwerk seiner Firma, das im Winterschlaf verlassen vor sich hindöst. Er sucht nach einer Antwort auf die Frage, die sich am Bau gerade alle stellen: Wie schlimm wird es? Jetzt scheint er sie in diesem nassen Januarmorgen gefunden zu haben. Er gibt sich einen Ruck, strafft sich und diktiert dem Journalisten in den Block: „Ich sehe es eigentlich positiv!“, sagte er. „Wenn es jemand schafft, dann wir, das Handwerk.“ Dann wird er wieder ein bisschen kleiner: „Ich muss es ja positiv sehen“, setzt er hinzu und zuckt mit den Schultern. „Aus Angst vor dem Tod Selbstmord begehen, das machen wir sicher nicht …“ Was Weber da die nächste Stunde an Fakten auf den Tisch packt, das ist aber auch tatsächlich viel mehr als nur Durchhalteparole. Da ist doch ziemlich viel Licht am Ende eines vielleicht nicht ganz so dunklen Tunnels. Denn bei aller aufziehenden Krise <strong>–</strong> eines betont fast jeder in der Branche: Es konnte nicht so weitergehen wie im vergangenen Jahrzehnt. Immer noch mehr Arbeit, noch mehr Aufträge, noch mehr Bauen … „<strong>Das</strong> Problem ist nur, dass wir nach einer Zeit mit 150 Prozent jetzt nicht bei 100 Prozent landen, sondern das Pendel gleich komplett zurückschwingt“, sagt Klaus Weber. Aber: Die Firmen haben nach diesen fetten Jahren Speck auf den Rippen. Und das ist nicht die schlechteste Voraussetzung, um eine Krise durchzustehen. Auch wenn sie diesmal vielleicht grundlegender ausfällt. Die Gründe <strong>für</strong> das Ende des Baubooms sind schnell zusammengefasst. Erstens: Corona und der Krieg in der Ukraine haben Lieferketten reißen lassen, was Material knapp macht. Zweitens: Die Energiepreise sind extrem gestiegen, was Material teuer macht. Drittens: Die kräftig gestiegenen Zinsen haben da<strong>für</strong> gesorgt, dass man das viele Geld, das Bauen kostet, am besten auch wieder selbst haben sollte. In Kombination verdichten sich diese Faktoren zu einem Ergebnis: Bauen kann sich kaum mehr einer leisten. Auch <strong>–</strong> und vielleicht sogar erst recht <strong>–</strong> nicht in Weißenburg-Gunzenhausen. Im privaten Haus- und Wohnungsbau hörte man die Schüsse am schnellsten. „Acht Tage nach der Entscheidung der Europäischen Zentralbank, die Zinsen erstmalig zu erhöhen, hatten wir zwei private Stornierungen“, erzählt Klaus Weber. Und nicht nur ihm geht es so … Ortswechsel: Indernbuch, ein kleines Dorf auf dem Weißenburger Jura. Da liegt im Juli noch Schnee, scherzten früher die Weißenburger über das Hochplateau, wo die Äcker ein bisschen steiniger und die Menschen ein bisschen ruhiger sind. Hier hat die Baufirma von Horst Beckstein ihren Sitz. Der Unternehmer hat das vergangene Vierteljahrhundert damit verbracht, seine Baufirma aus dem Nichts aufzubauen. Er hat in der Branche schon vieles und viele kommen und gehen sehen. Beckstein ist ein zupackender Typ, praktisch, pragmatisch, stets mit einem Lächeln im Gesicht. So leicht wirft ihn nichts um. Auch nicht die aktuelle Krise auf dem Bau. „Jammern auf hohem Niveau“, stellt er fest. Man habe so starke Jahre gehabt, da müsse man jetzt auch mal durch schwierige Monate hindurch. „Wobei es schon krass ist, wie schnell sich das jetzt gedreht hat“, räumt er ein. Aufträge von zwei, drei Millionen habe er Anfang eines Jahres normalerweise <strong>für</strong> den Sommer in den Büchern, stellt er fest. „Jetzt sind es vielleicht 300 000 Euro <strong>–</strong> und die sind noch nicht sicher.“ „Ein normales Einfamilienhaus, da braucht man unter 800 000 nicht mehr anzufangen„ Aber wen wundert‘s?! „Ein normales Einfamilienhaus auf zeitgemäßem Standard, da braucht man unter 800 000 nicht mehr anzufangen“, erzählt Beckstein. Was das bedeutet, weiß er aus Gesprächen mit seinen Kunden: „<strong>Das</strong> heißt, dass du da dann erst mal zehn Jahre kein Kind kriegen brauchst, weil beide voll verdienen müssen. Und zwar so, dass da auch 4000 bis 5000 Euro netto übrig bleiben.“ Jobs dieser Art liegen in Weißenburg- Gunzenhausen aber nicht auf der Straße <strong>–</strong> anders als vielleicht in Eichstätt oder Ingolstadt. Während in <strong>Altmühlfranken</strong> die große Flaute auf dem Baumarkt angekommen ist, geht das große Bauen beim oberbayerischen Nachbarn <strong>für</strong>s Erste weiter. Wenn auch mit verminderter Geschwindigkeit. Und das, obwohl man hier noch mal 20 bis 30 Prozent mehr <strong>für</strong>s Haus einplanen darf. Wegen hoher Grundstückskosten und des allgemeinen Preisniveaus. <strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong> 33