25.03.2022 Aufrufe

WIKO 2023 – Das Wirtschaftsmagazin für Altmühlfranken

Der Wirtschaftskompass Altmühlfranken stellt leistungsfähige Unternehmen der Region vor und widmet sich in Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen der Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaftswelt.

Der Wirtschaftskompass Altmühlfranken stellt leistungsfähige Unternehmen der Region vor und widmet sich in Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen der Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaftswelt.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Der Geist der Gründerzeit hat bei<br />

Hetzner das Wachstum überlebt.<br />

Nicht nur, weil viele MitarbeiterInnen<br />

der ersten Stunde noch an Bord sind.<br />

Der Grundansatz des Unternehmens<br />

war es immer, sich vorhandene Dinge<br />

genau anzusehen, sie etwas besser zu<br />

machen und sie günstig auf dem Markt<br />

zur Verfügung zu stellen. Unkonventionelle<br />

Lösungen sind dabei ausdrücklich<br />

erwünscht.<br />

„Wir verwenden in vielen Fällen Consumer-Elektronik“,<br />

erklärt Andreas<br />

Fischer, als man in der Werkstatt des<br />

Rechenzentrums steht. „Einfach weil<br />

sie billiger ist und oft unsere Anforderungen<br />

erfüllt, wenn wir sie anpassen.“<br />

Deswegen steht das Paketklebeband<br />

in der Serverschmiede. Mit dem wird<br />

standardmäßig der Lüftungskanal einer<br />

Consumer-Hardware-Komponente<br />

nach oben zugeklebt, weil damit die<br />

Hetzner‘sche Luftstromkühlung besser<br />

arbeitet.<br />

Sieht als Standard eines internationalen<br />

Top-Unternehmens seltsam aus,<br />

funktioniert aber und ist unschlagbar<br />

günstig. „Wir basteln hier einfach<br />

immer noch gerne“, stellt Fischer mit<br />

einem Lächeln fest. Etwas Garagen-<br />

Geist in der Industriehalle.<br />

Treu geblieben ist man bei Hetzner<br />

auch der Region. Obwohl Martin<br />

Hetzner inzwischen Multimillionär<br />

ist. Überlegungen, den Firmensitz von<br />

Gunzenhausen zu verlegen, gab es nie,<br />

stellt Christian Fitz fest. Man fühle<br />

sich dort wohl und alle Führungskräfte<br />

lebten auch in der Gegend.<br />

Diese Heimatverbundenheit sorgt nun<br />

aber <strong>für</strong> ein Problem. Denn Hetzner<br />

will ein neues Falkenstein. Nur diesmal<br />

vor der eigenen Haustür. Und dabei<br />

hat man sich offenbar verkalkuliert.<br />

„Wir hatten es nicht erwartet, dass Gegenwind<br />

kommt, das hatten wir nicht<br />

auf dem Schirm“, gesteht Fitz. „Auch<br />

als sich die Bürgerinitiativen gegründet<br />

haben, dachten wir, dass sich das wieder<br />

legen wird.“<br />

Proteste statt Blumen<br />

Nun, gelegt hat es sich eher nicht. Die<br />

überzeugten Gegner sind laut. Wobei<br />

<strong>–</strong> wie immer bei Bürgerprotesten<strong>–</strong><br />

schwer einzuschätzen ist, wie die Stimmung<br />

bei der schweigenden Mehrheit<br />

aussieht. Bei Hetzner Online allerdings<br />

hatte man wohl eher mit Blumen<br />

denn mit Protesten gerechnet.<br />

So kannte man das ja aus Falkenstein,<br />

wo man vor lauter Dankbarkeit dem<br />

Unternehmen gleich eine Martin-<br />

Hetzner-Straße vor die Füße legen<br />

wollte. Dem scheuen und zurückhaltenden<br />

Firmengründer war das jedoch<br />

eher ein Graus. Man einigte sich<br />

schließlich auf die Adresse „Am Datacenter-Park“.<br />

Marco Siegemund: Der Bürgermeister<br />

der Stadt Falkenstein verliert kein<br />

schlechtes Wort über Hetzner.<br />

Von Dankbarkeit war beim Heimspiel<br />

der Hetzner-Leute bislang nicht viel zu<br />

spüren. Obwohl sich die Kommunalpolitik<br />

stets mühte. In Gunzenhausen<br />

flog dem Unternehmen der geplante<br />

Standort um die Ohren, weil die Bauern<br />

ihr Land nicht hergeben wollten.<br />

Dann sagte Weißenburg aus eigenen<br />

Stücken ab und Treuchtlingen hätte<br />

zwar gerne gewollt, fand aber partout<br />

keine Flächen. Übrig blieb Ellingen,<br />

wo sich die Stadt vor einigen Jahrzehnten<br />

schwer verschuldet hatte, um<br />

zig Hektar an Grund zu kaufen. Erst<br />

träumte man dort von einem Golfplatz<br />

mit Hotel, dann von einem Freizeitpark<br />

und war jahrelang chronisch<br />

klamm, bis man den Bauboom nutzte<br />

und Teile der Flächen sukzessive mit<br />

Eigenheimen bebauen ließ. Jetzt streitet<br />

man über das Rechenzentrum.<br />

Klar ist, dass es um viel Geld geht.<br />

Allein der Grundstücksverkauf würde<br />

Millionensummen in die Ellinger<br />

Stadtkasse spülen. Bei den Be<strong>für</strong>wortern<br />

träumt man zudem von Millionen<br />

an Gewerbesteuer pro Jahr, die<br />

Ellingen zur reichsten Gemeinde im<br />

Landkreis machen könnte. Kritiker allerdings<br />

warnen vor einem Ausverkauf<br />

der Heimat, Flächenfraß und werfen<br />

den Be<strong>für</strong>wortern naive Träumerei mit<br />

Blick auf die Steuereinnahmen vor.<br />

Wer recht hat? Für die Zukunft schwer<br />

zu sagen. Aber vielleicht lässt sich das<br />

mit Blick auf Vergangenheit und Gegenwart<br />

feststellen. Am besten fragt<br />

man einen, der es wissen muss. Den<br />

Bürgermeister von Falkenstein, der<br />

rund vier Kilometer von der grünen<br />

Hetzner-Online-Wiese in seinem Rathaus<br />

sitzt. Wobei genau genommen<br />

sitzt er in einer Interimslösung. <strong>Das</strong><br />

Rathaus <strong>–</strong> ein „Prunkbau“ aus der<br />

Gründerzeit <strong>–</strong> wird gerade saniert.<br />

Und weil man schon dabei ist, spendiert<br />

man dem Backsteinmonument<br />

einen modernen Anbau aus Glas und<br />

Stahl.<br />

In Ellingen formiert sich Protest: Frank Strixner (Mitte) ist einer der Vertreter der Bürgerinitiative,<br />

Ellingens Bürgermeister Matthias Obernöder (re.) hat sich bislang offen<br />

<strong>für</strong> eine Ansiedlung gezeigt.<br />

Wo das Geld <strong>für</strong> die Sanierung herkommt?<br />

„Da gibt es Zuschüsse“, sagt<br />

Marco Siegemund (CDU) und lächelt.<br />

„Natürlich braucht es da<strong>für</strong> trotzdem<br />

Eigenmittel, und die kommen unter<br />

anderem über die Gewerbesteuer.“ Er<br />

weiß schon, warum man fragt und dass<br />

es ums Geld geht. Der Ellinger Stadtrat<br />

war auch schon zum Hausbesuch in<br />

Falkenstein und saß bei Siegemund auf<br />

den Besucherstühlen.<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong> 71

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!