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WIKO 2023 – Das Wirtschaftsmagazin für Altmühlfranken

Der Wirtschaftskompass Altmühlfranken stellt leistungsfähige Unternehmen der Region vor und widmet sich in Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen der Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaftswelt.

Der Wirtschaftskompass Altmühlfranken stellt leistungsfähige Unternehmen der Region vor und widmet sich in Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen der Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaftswelt.

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Besuch nicht unwesentlich damit zu<br />

tun hat, dass der Ellinger Stadtrat seitdem<br />

ziemlich geschlossen hinter dem<br />

Projekt steht. „Ich habe denen das<br />

Gleiche erzählt wie Ihnen“, lässt Siegemund<br />

gerade wissen. Der 50-Jährige<br />

ist ein kleiner, kompakter Mann mit<br />

rötlichem Haar und einem freundlich-amüsierten<br />

Lächeln im bartbestoppelten<br />

Gesicht. Er kann einem aus<br />

dem Stegreif die Unterschiede in den<br />

Kompostierverordnungen Sachsens<br />

und Bayerns bezüglich Straßengrün<br />

referieren und nahtlos zu einem Werbeblock<br />

<strong>für</strong> eine nahe gelegene Mountainbike-Route<br />

überleiten.<br />

Der Mann ist Kommunalpolitiker<br />

durch und durch. Ihm geht es darum,<br />

<strong>für</strong> seinen Heimatort etwas zu erreichen.<br />

Egal, ob beim Kompost oder der<br />

Digitalisierung. Nur, dass ihm die Digitalisierung<br />

die Mittel beschert, die<br />

Sache mit dem Kompost zu regeln. Na<br />

ja, und auch noch das mit der Rathaussanierung,<br />

der neuen Tourismusinfo<br />

und einer ganzen Reihe anderer Sonderprojekte<br />

...<br />

<strong>Das</strong>s man sich in Ellingen Sorgen um<br />

die Zukunft der Stadt macht, wenn<br />

Hetzner ein Rechenzentrum auf die<br />

grüne Wiese stellen sollte, nimmt Siegemund<br />

höflich zur Kenntnis. „Bei<br />

uns gab es damals keine Proteste. Im<br />

Gegenteil, es war eine große Neugier,<br />

was die da wohl machen.“ Vermutlich<br />

hätte man sich in Falkenstein eher<br />

Sorgen um die Zukunft der Stadt gemacht,<br />

wenn Hetzner kein Rechenzentrum<br />

auf die grüne Wiese gestellt<br />

hätte …<br />

„Wir sind eine wirtschaftlich schwache<br />

Region, wo es nicht so viele Arbeitsplätze<br />

gibt, da war man eigentlich froh<br />

über die Ansiedelung“, erklärt auch<br />

Lutz Hergert. Der Journalist bei der<br />

Freien Presse hat die Ansiedelung<br />

in Falkenstein seit den Anfängen begleitet.<br />

„Grundsätzlich sind sie sehr<br />

präsent auf dem Arbeitsmarkt. Es gibt<br />

immer wieder Stellenanzeigen, sie gehen<br />

auch in die Schulen und werben<br />

<strong>für</strong> ihren Beruf“, berichtet er. „Viele<br />

der Azubis kommen auch von hier und<br />

konnten dadurch dann in der Region<br />

bleiben.“<br />

Was nicht funktioniert habe, sei allerdings,<br />

rund um das Rechenzentrum<br />

weitere IT-Unternehmen anzusiedeln.<br />

„<strong>Das</strong> liegt aber wohl auch daran, dass<br />

diese Firmen auch qualifiziertes Personal<br />

bräuchten, und da sind wir dann<br />

halt doch ein bisschen ab vom Schuss.<br />

Wenn du vorher in Berlin warst, dann<br />

sind Falkenstein und Plauen halt schon<br />

ein Kaff.“<br />

Es gibt durchaus gewisse Parallen<br />

zwischen dem Vogtland als dem ländlichen<br />

Teil des Freistaats Sachsens und<br />

<strong>Altmühlfranken</strong> als dem ländlichen<br />

Teil des Freistaats Bayern. In beiden<br />

Fällen handelt es sich um die eher<br />

arme Verwandtschaft in der Großfamilie.<br />

Nur dass man als arme Verwandtschaft<br />

aus Bayern bei den Sachsen vermutlich<br />

am Tisch der Großkopferten<br />

Platz nehmen dürfte. Die Not, das<br />

Verlangen nach zukunftsgerichteten<br />

Arbeitsplätzen war im Vogtland sicher<br />

größer, als es in Ellingen der Fall ist.<br />

Nicht ohne Grund kam damals zur<br />

Eröffnung der ersten Hetzner-Halle<br />

in Falkenstein 2009 kein Demonstrationszug,<br />

sondern der sächsische Ministerpräsident<br />

Stanislaw Tillich angereist.<br />

Und zwar zum Gratulieren.<br />

Erst im Januar war nun sein Nachfolger<br />

Michael Kretschmer bei einem<br />

Bürgerdialog in Falkenstein. „Ich freue<br />

mich wie Bolle, dass es das Vogtland<br />

ist, das beim Thema Internet ganz<br />

vorne dabei war“, lobte er das Hetzner-<br />

Rechenzentrum gleich in seinen ersten<br />

Worten. „<strong>Das</strong> haben Sie, das habt Ihr<br />

„Ich kann aus Sicht<br />

von Falkenstein wirklich<br />

nichts Negatives<br />

sagen„<br />

da hingestellt, und alle haben gestaunt,<br />

wie das geht.“<br />

Ein bisschen gestaunt hat man nun in<br />

Falkenstein über die Bedenken der fernen<br />

Ellinger. „Ich kann aus Sicht von<br />

Falkenstein wirklich nichts Negatives<br />

sagen“, stellt Siegemund fest und zuckt<br />

fast ein wenig bedauernd die Schultern.<br />

Alle Versprechen des Unternehmens<br />

seien eingehalten worden. Probleme<br />

mit Anwohnern? Gebe es nicht,<br />

obwohl einige Häuser relativ nah an<br />

den Serverhallen stehen.<br />

Arbeitsplätze? Die Firma bilde aus und<br />

sei auch in den Schulen vor Ort aktiv.<br />

Und die Verankerung in der Region?<br />

Der soziale Zusammenhalt der Gesellschaft<br />

spiele <strong>für</strong> das Unternehmen<br />

eine große Rolle, sagt Siegemund. <strong>Das</strong><br />

Unternehmen bringe selbst die Leute<br />

immer wieder zusammen und sorge so<br />

<strong>für</strong> neue Netzwerke. Außerdem trete<br />

man als Sponsor <strong>für</strong> Vereine auf, fördere<br />

soziale Projekte und gebe IT-Ausrüstung<br />

an Schulen.<br />

Und das Thema aller Themen: die<br />

Gewerbesteuer? „Wir bekommen keine<br />

Schlüsselzuweisungen vom Freistaat,<br />

sondern zahlen im Rahmen des<br />

Finanzausgleichs selbst Abgaben. Im<br />

Vogtland gibt es meines Wissens nur<br />

noch zwei andere Gemeinden, bei<br />

denen es so ist.“ Den Satz lässt der Bürgermeister<br />

mal kurz wirken und setzt<br />

dann nach: „<strong>Das</strong> liegt zu 100 Prozent<br />

an Hetzner Online.“<br />

Aber dauert es nicht, bis eine so gewaltige<br />

Investition steuerlich abgeschrieben<br />

ist? Siegemund: „Hier hat<br />

das nicht lange gedauert. <strong>Das</strong> Unternehmen<br />

ist hochprofitabel und die<br />

Zahlungen wurden von Jahr zu Jahr<br />

mehr.“<br />

Der Ball liegt nun in Ellingen. Im<br />

Frühjahr sollen dort konkrete Pläne<br />

der Öffentlichkeit vorgestellt werden.<br />

Dann soll es endlich Antworten geben,<br />

wie die Anlage auf dem Karlshofplateau<br />

aussehen könnte. Wo genau die<br />

PV-Flächen liegen, wo die Hallen stehen,<br />

welche Abstände es gibt, vielleicht<br />

auch, welche Grundstückspreise das<br />

Unternehmen zahlt. <strong>Das</strong>s man bislang<br />

nur spärlich informierte, <strong>–</strong> und meist<br />

erst dann, wenn die Dinge ohnehin<br />

schon öffentlich waren, hat seinen Teil<br />

dazu beigetragen, dass es auch Misstrauen<br />

in der Stadt gibt.<br />

Bei Hetzner tut man ohnehin, was<br />

man in Sachen Öffentlichkeitsarbeit<br />

eigentlich immer tut: Man hält sich zurück<br />

und überlässt anderen das Reden.<br />

Also verweist Unternehmenssprecher<br />

Fitz darauf, dass die Stadt das Heft<br />

des Handelns in der Hand habe und<br />

den weiteren Prozess bestimme. Der<br />

große zeitliche Druck sei inzwischen<br />

ohnehin aus der Sache heraus, weil die<br />

härtesten Spitzen des Digitalisierungsschubs<br />

während Corona abgearbeitet<br />

seien und man sich jetzt wieder in<br />

einem „gesunden Wachstum“ befinde,<br />

wie Andreas Fischer feststellt. Aber<br />

72<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2023</strong>

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