WIKO 2023 – Das Wirtschaftsmagazin für Altmühlfranken

Das Internet sucht
eine Heimat – und
klingelt in Ellingen
Von Jan Stephan
Ellingen muss in den
nächsten Monaten eine
der größten Entscheidungen
der jüngeren
Vergangenheit treffen.
Es geht um die Zukunft,
das Internet, Flächenverbrauch
und die Frage:
Demo oder Blumenstrauß
Es ist eine dieser Garagen-Geschichten
aus den Anfängen des Internets.
Als das World Wide Web noch Wilder
Westen war. Als es noch unabgesteckte
Claims gab, Möglichkeitsspielräume
für Menschen, die tief drin waren in
einer Materie, von der nicht klar war,
dass sie die Welt aus den Angeln heben
würde.
Wie weit diese Zeit von heute entfernt
ist? Nun, als Hetzner 1997 in Gunzenhausen
gegründet wurde, ging im
selben Jahr eine amerikanische Suchmaschine
online. Ihr Name: Google.
Mark Zuckerberg war damals ein
13-jähriger Teenager in New York,
der sich vermutlich mit seinen drei
Schwestern stritt und nicht ahnte, dass
er mal Facebook erfinden und einer der
mächtigsten Menschen der Welt werden
würde …
Und Martin Hetzner, der war 1997
ein 26 Jahre alter studierter Elektrotechniker
aus Gunzenhausen, der sich
wunderte. Er wunderte sich, warum
man in den USA Speicherplatz und
Rechenkapazität viel günstiger bekam
als in Deutschland. Wo es doch den
Daten egal war, ob sie in Schlungenhof
oder Kalifornien auf Festplatten lagen.
Hetzner hatte früh verstanden, dass
das neue Online-Business ein weitgehend
ortloses Geschäft war. Und diese
schlichte Erkenntnis nutzte er dazu,
den größten Rechenzentrumsanbieter
Europas aufzubauen. In seiner Heimatstadt
Gunzenhausen, mitten im
digitalen World Wide Web sozusagen.
Der Gunzenhäuser kaufte in den
USA Webspace ein, verkaufte ihn in
Deutschland teuer weiter und war
immer noch der Günstigste auf dem
Markt. Die Anzeige im Wert eines
Kleinwagens, die Hetzner in einem
großen deutschen Computermagazin
schaltete, gehört heute zum Gründungsmythos
der Firma. Sie war der
Beginn eines Ansturms, der sich bis
heute nicht so richtig gelegt hat.
So fing sie an, die Geschichte, die gute
25 Jahre später auf ein verschneites
Feld im Göltzschtal im sächsischen
Vogtland führt. Man ist dorthin gefahren,
um über die Zukunft Ellingens
nachzudenken. Denn aus der metaphorischen
Gründergarage von einst
sind mächtige Industriehallen geworden.
Weil Hetzner irgendwann klar
wurde, dass es langfristig besser ist, den
Speicherplatz, den man verkauft, auch
selbst zu besitzen.
Hier stehen sie also die Hallen: grau
und rot, in Beton, Stahl und Wellblech,
in Reihe, mitten auf der sächsischen
Scholle. Mit der energiesparenden
Luftkühlung hat man einen Umweltpreis
gewonnen, auf den Architekturpreis
dürfte man allerdings noch länger
warten. Eine Zierde sind die Hallen
nicht. Industrielle Zweckbauten, mit
stacheldrahtbewehrten Zäunen rundherum.
Wirtschaftsmagazin WIKO
69