27.04.2022 Aufrufe

antriebstechnik 5/2022

antriebstechnik 5/2022

antriebstechnik 5/2022

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG<br />

Um die Verhältnisse verständlich darstellen zu können ist das Lager<br />

vereinfacht und die Exzentrizitäten des Käfigs sind vergrössert<br />

gezeichnet. Auch die Kraftpfeile zeigen die Kräfte nur qualitativ.<br />

Einesteils wird der Rollensatz infolge der Exzentrizität des sie<br />

führenden Käfigs in seiner Rollbahn, andernteils jede einzelne<br />

Rolle um ihre eigene Achse beschleunigt. Bei diesen beiden Beschleunigungsarten<br />

herrschen unterschiedliche Bedingungen:<br />

Bei der Beschleunigung des Rollensatzes in ihrer Rollbahn sind<br />

die Rollen in den Taschen formschlüssig gefangen; sie müssen<br />

zwangsläufig die volle, geometrisch bestimmte Beschleunigung<br />

mitmachen. Dabei entstehen sowohl in der Beschleunigungswie<br />

in der Verzögerungsphase an den Kontaktlinien zwischen<br />

Rolle und Taschenflanke Reibkräfte. So entstehen trotz der „Rekuperation“<br />

der Trägheitsenergie in der Verzögerungsphase insgesamt<br />

Verluste (FRB und FRV). Weitere Reibverluste entstehen<br />

an der Kontaktfläche der treibenden Rolle (FRA) und an der<br />

Stützstelle des Käfigs (FRS).<br />

Bei der Beschleunigung der Rollen um ihre eigene Achse sind<br />

die Verhältnisse komplizierter: Dabei sind die „Haltekräfte“ am<br />

Berührungspunkt Rolle/Außenring infolge Zentrifugalkraft und<br />

Reibwert groß genug, um zusammen mit den Taschenkräften<br />

(-FB) die Beschleunigung der Rollen zu bewirken. Andernteils<br />

wirken die Reibkräfte an der Kontaktlinie Rolle/Käfigtasche<br />

bremsend auf die Rolle. Bezüglich Beschleunigung der Rollen<br />

um ihre Achse wirkt die Haltekraft nur kraftschlüssig. Die Laufbahn<br />

der Rollen ist nicht perfekt. Bei einem n*dm-Wert von<br />

750.000 mm/min beträgt die Gleitgeschwindigkeit des Käfigs<br />

rund 72 km/h. Dadurch ist es möglich, dass sich am Außenring<br />

kein reines Abrollen ergibt, sondern eine Art „Rollgleiten“. Da die<br />

Reibungskoeffizienten an den beiden Kontaktstellen nicht genau<br />

bekannt sind, kann die effektive Beschleunigung der Rollen nur<br />

aufgrund der Versuchsresultate abgeschätzt werden. Im Extremfall<br />

ist sogar möglich, dass in der „Beschleunigungsphase“ die<br />

Bremskräfte in den Taschen überwiegen und die Rolle abgebremst<br />

wird. Zu beachten ist auch, dass die Verluste durch Gleiteffekte<br />

verursacht werden. Man kann also nicht mit einem bekannten<br />

Reibwert rechnen, sondern mit einem variablen Wert,<br />

der ähnlichen Gesetzmäßigkeiten folgt wie ein hydrodynamisches<br />

Gleitlager. Dazu kommt, dass die geometrischen Verhältnisse<br />

der „Lagerstellen“ zwischen Rolle und Käfigtasche einerseits<br />

und zwischen Käfig und Führungsbord anderseits völlig unterschiedlich<br />

sind.<br />

Die Berechnung der Reibwerte auf dieser Basis wurde primär für<br />

die Lagergrösse NU316 durchgeführt, um die Ergebnisse direkt mit<br />

den Versuchsresultaten vergleichen zu können. Weil es darum<br />

geht, die Plausibilität eines Faktors um 3 aufzuzeigen sind einige<br />

Vereinfachungen zulässig. Diese beeinflussen das Grundsätzliche<br />

minimal, lassen aber das Wesentliche viel leichter darstellen.<br />

Dies sind vor allem:<br />

n Die Wälzkörper sind in der Lastzone zwischen Innen- und Außenring<br />

eingespannt. Sie werden durch den Innenring angetrieben<br />

und treiben ihrerseits den Käfig an. Wir betrachten die<br />

ganze Antriebskraft auf eine Rolle konzentriert.<br />

n Die Beschleunigung der Wälzkörper durch den Käfig folgt ungefähr<br />

einem Sinusverlauf. Wir nehmen eine konstante Beschleunigung<br />

über den halben Umfang an.<br />

n Das Taschenspiel im Käfig wird nicht berücksichtigt.<br />

Die Prinzipskizze (Bild 05) zeigt folgendes:<br />

Auf den Käfig wirken folgende Kräfte:<br />

- Die Antriebskraft FA<br />

- Die Trägheitskräfte FB in der Beschleunigungsphase<br />

- Die treibenden Trägheitskräfte FV in der Verzögerungsphase<br />

- Die Stützkraft FS, welche den Käfig mit den vorerwähnten Kräften<br />

im Gleichgewicht hält<br />

- Die Reibkräfte FRA, FRB, FRV und FRS an den Kontaktstellen<br />

Die Reibungskräfte bewirken, dass nur ein Teil der Beschleunigungsenergie<br />

in der Verzögerungsphase wieder an den Käfig zurückgegeben<br />

wird. Die gesamten Reibungsverluste werden damit<br />

bestimmt durch die spielbedingte Exzentrizität mit den zyklischen<br />

Geschwindigkeitsschwankungen, den daraus resultierenden<br />

Kräften und den Reibungsverlusten an allen Kontaktstellen.<br />

Dabei können die Kontaktstellen nicht eindeutig definierten Lagerungstypen<br />

zugeordnet werden. Die Art der Reibung und die<br />

Größe der Verluste werden deshalb im Folgenden untersucht.<br />

6. ANALYSE DES GLEITLAGERS<br />

Nachdem die Gleitlagerung die kritische Komponente des konventionellen<br />

Lagers ist, befassen wir uns genauer mit dessen<br />

Grundlagen. Im Idealfall wäre es ein hydrodynamisches Gleitlager.<br />

Im Bild 06 sind einige seiner typischen Kenngrößen ersichtlich.<br />

Eine der wichtigen ist die Sommerfeldzahl So. Die Formel<br />

dazu lautet:<br />

Dabei bedeuten:<br />

p spezifische Lagerbelastung<br />

ψ Verhältnis zwischen max. Betriebsspiel und Lager-∅<br />

η dynamische Viskosität des Öles<br />

ω Winkelgeschwindigkeit<br />

Bei dieser Betrachtung zeigt sich sofort, dass die Verhältnisse bei<br />

der Lagerung des Käfigs und bei den Kontakten zwischen Käfigtasche<br />

und Rolle so weit von denjenigen normaler hydrodynamischer<br />

Gleitlager entfernt sind, dass sich die Lagerstellen im<br />

Rollenlager mit der Theorie des hydrodynamischen Gleitlagers<br />

nicht berechnen lassen. Insbesondere betrachten die diesbezüglichen<br />

Abhandlungen Verhältnisse von Lagerbreite zu Lagerdurchmesser<br />

im Bereich von 2 bis 1/8, normale Werte von ψ sind<br />

um 0.001 und typische spezifische Lagerbelastungen pm liegen<br />

um 5 N/mm 2 . Bei der Käfiglagerung im Aussenring sind die entsprechenden<br />

Werte für b/d um 0.02, für ψ um 0.005 und für pm<br />

um 0.03. Beim Kontakt zwischen Rolle und Käfig ist es vor allem<br />

der Wert ψ, der infolge der Flankenform die Anwendung der<br />

Formel illusorisch macht. Die Betrachtung der Gleitlager ist aber<br />

nützlich, um die charakteristische Abhängigkeit des Reibwertes<br />

von der Drehzahl zu sehen und Kennzahlen für die Reibwerte<br />

des konventionellen Wälzlagers zu bestimmen. n<br />

Abbildungen: Rudolf Gehring<br />

Literaturverzeichnis:<br />

Der Beitrag wird in der Ausgabe<br />

<strong>antriebstechnik</strong> 06/<strong>2022</strong> fortgesetzt.<br />

[1] ETR, Eisenbahntechnische Rundschau 12/1995.:Bahnbrechende Neuerungen<br />

[2] SER, Schweizer Eisenbahn-Revue 12/2011: Fettgeschmierte Fahrmotorlager<br />

mit doppelter Lebensdauer bei der BLS<br />

[3] Konstruktion 48 (1996):neues Verfahren zur Berechnung der Reibung von<br />

Kugellagern<br />

[4] ETH Zürich: Webemarc/Dimensionieren/ Vorlesungsfolien Gleitlager<br />

[5] „Die Wälzlagerpraxis“ von Brändlein, Eschmann, Hasbargen, Weigand<br />

www.<strong>antriebstechnik</strong>.de <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2022</strong>/05 57

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!