antriebstechnik 5/2022
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FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG<br />
Um die Verhältnisse verständlich darstellen zu können ist das Lager<br />
vereinfacht und die Exzentrizitäten des Käfigs sind vergrössert<br />
gezeichnet. Auch die Kraftpfeile zeigen die Kräfte nur qualitativ.<br />
Einesteils wird der Rollensatz infolge der Exzentrizität des sie<br />
führenden Käfigs in seiner Rollbahn, andernteils jede einzelne<br />
Rolle um ihre eigene Achse beschleunigt. Bei diesen beiden Beschleunigungsarten<br />
herrschen unterschiedliche Bedingungen:<br />
Bei der Beschleunigung des Rollensatzes in ihrer Rollbahn sind<br />
die Rollen in den Taschen formschlüssig gefangen; sie müssen<br />
zwangsläufig die volle, geometrisch bestimmte Beschleunigung<br />
mitmachen. Dabei entstehen sowohl in der Beschleunigungswie<br />
in der Verzögerungsphase an den Kontaktlinien zwischen<br />
Rolle und Taschenflanke Reibkräfte. So entstehen trotz der „Rekuperation“<br />
der Trägheitsenergie in der Verzögerungsphase insgesamt<br />
Verluste (FRB und FRV). Weitere Reibverluste entstehen<br />
an der Kontaktfläche der treibenden Rolle (FRA) und an der<br />
Stützstelle des Käfigs (FRS).<br />
Bei der Beschleunigung der Rollen um ihre eigene Achse sind<br />
die Verhältnisse komplizierter: Dabei sind die „Haltekräfte“ am<br />
Berührungspunkt Rolle/Außenring infolge Zentrifugalkraft und<br />
Reibwert groß genug, um zusammen mit den Taschenkräften<br />
(-FB) die Beschleunigung der Rollen zu bewirken. Andernteils<br />
wirken die Reibkräfte an der Kontaktlinie Rolle/Käfigtasche<br />
bremsend auf die Rolle. Bezüglich Beschleunigung der Rollen<br />
um ihre Achse wirkt die Haltekraft nur kraftschlüssig. Die Laufbahn<br />
der Rollen ist nicht perfekt. Bei einem n*dm-Wert von<br />
750.000 mm/min beträgt die Gleitgeschwindigkeit des Käfigs<br />
rund 72 km/h. Dadurch ist es möglich, dass sich am Außenring<br />
kein reines Abrollen ergibt, sondern eine Art „Rollgleiten“. Da die<br />
Reibungskoeffizienten an den beiden Kontaktstellen nicht genau<br />
bekannt sind, kann die effektive Beschleunigung der Rollen nur<br />
aufgrund der Versuchsresultate abgeschätzt werden. Im Extremfall<br />
ist sogar möglich, dass in der „Beschleunigungsphase“ die<br />
Bremskräfte in den Taschen überwiegen und die Rolle abgebremst<br />
wird. Zu beachten ist auch, dass die Verluste durch Gleiteffekte<br />
verursacht werden. Man kann also nicht mit einem bekannten<br />
Reibwert rechnen, sondern mit einem variablen Wert,<br />
der ähnlichen Gesetzmäßigkeiten folgt wie ein hydrodynamisches<br />
Gleitlager. Dazu kommt, dass die geometrischen Verhältnisse<br />
der „Lagerstellen“ zwischen Rolle und Käfigtasche einerseits<br />
und zwischen Käfig und Führungsbord anderseits völlig unterschiedlich<br />
sind.<br />
Die Berechnung der Reibwerte auf dieser Basis wurde primär für<br />
die Lagergrösse NU316 durchgeführt, um die Ergebnisse direkt mit<br />
den Versuchsresultaten vergleichen zu können. Weil es darum<br />
geht, die Plausibilität eines Faktors um 3 aufzuzeigen sind einige<br />
Vereinfachungen zulässig. Diese beeinflussen das Grundsätzliche<br />
minimal, lassen aber das Wesentliche viel leichter darstellen.<br />
Dies sind vor allem:<br />
n Die Wälzkörper sind in der Lastzone zwischen Innen- und Außenring<br />
eingespannt. Sie werden durch den Innenring angetrieben<br />
und treiben ihrerseits den Käfig an. Wir betrachten die<br />
ganze Antriebskraft auf eine Rolle konzentriert.<br />
n Die Beschleunigung der Wälzkörper durch den Käfig folgt ungefähr<br />
einem Sinusverlauf. Wir nehmen eine konstante Beschleunigung<br />
über den halben Umfang an.<br />
n Das Taschenspiel im Käfig wird nicht berücksichtigt.<br />
Die Prinzipskizze (Bild 05) zeigt folgendes:<br />
Auf den Käfig wirken folgende Kräfte:<br />
- Die Antriebskraft FA<br />
- Die Trägheitskräfte FB in der Beschleunigungsphase<br />
- Die treibenden Trägheitskräfte FV in der Verzögerungsphase<br />
- Die Stützkraft FS, welche den Käfig mit den vorerwähnten Kräften<br />
im Gleichgewicht hält<br />
- Die Reibkräfte FRA, FRB, FRV und FRS an den Kontaktstellen<br />
Die Reibungskräfte bewirken, dass nur ein Teil der Beschleunigungsenergie<br />
in der Verzögerungsphase wieder an den Käfig zurückgegeben<br />
wird. Die gesamten Reibungsverluste werden damit<br />
bestimmt durch die spielbedingte Exzentrizität mit den zyklischen<br />
Geschwindigkeitsschwankungen, den daraus resultierenden<br />
Kräften und den Reibungsverlusten an allen Kontaktstellen.<br />
Dabei können die Kontaktstellen nicht eindeutig definierten Lagerungstypen<br />
zugeordnet werden. Die Art der Reibung und die<br />
Größe der Verluste werden deshalb im Folgenden untersucht.<br />
6. ANALYSE DES GLEITLAGERS<br />
Nachdem die Gleitlagerung die kritische Komponente des konventionellen<br />
Lagers ist, befassen wir uns genauer mit dessen<br />
Grundlagen. Im Idealfall wäre es ein hydrodynamisches Gleitlager.<br />
Im Bild 06 sind einige seiner typischen Kenngrößen ersichtlich.<br />
Eine der wichtigen ist die Sommerfeldzahl So. Die Formel<br />
dazu lautet:<br />
Dabei bedeuten:<br />
p spezifische Lagerbelastung<br />
ψ Verhältnis zwischen max. Betriebsspiel und Lager-∅<br />
η dynamische Viskosität des Öles<br />
ω Winkelgeschwindigkeit<br />
Bei dieser Betrachtung zeigt sich sofort, dass die Verhältnisse bei<br />
der Lagerung des Käfigs und bei den Kontakten zwischen Käfigtasche<br />
und Rolle so weit von denjenigen normaler hydrodynamischer<br />
Gleitlager entfernt sind, dass sich die Lagerstellen im<br />
Rollenlager mit der Theorie des hydrodynamischen Gleitlagers<br />
nicht berechnen lassen. Insbesondere betrachten die diesbezüglichen<br />
Abhandlungen Verhältnisse von Lagerbreite zu Lagerdurchmesser<br />
im Bereich von 2 bis 1/8, normale Werte von ψ sind<br />
um 0.001 und typische spezifische Lagerbelastungen pm liegen<br />
um 5 N/mm 2 . Bei der Käfiglagerung im Aussenring sind die entsprechenden<br />
Werte für b/d um 0.02, für ψ um 0.005 und für pm<br />
um 0.03. Beim Kontakt zwischen Rolle und Käfig ist es vor allem<br />
der Wert ψ, der infolge der Flankenform die Anwendung der<br />
Formel illusorisch macht. Die Betrachtung der Gleitlager ist aber<br />
nützlich, um die charakteristische Abhängigkeit des Reibwertes<br />
von der Drehzahl zu sehen und Kennzahlen für die Reibwerte<br />
des konventionellen Wälzlagers zu bestimmen. n<br />
Abbildungen: Rudolf Gehring<br />
Literaturverzeichnis:<br />
Der Beitrag wird in der Ausgabe<br />
<strong>antriebstechnik</strong> 06/<strong>2022</strong> fortgesetzt.<br />
[1] ETR, Eisenbahntechnische Rundschau 12/1995.:Bahnbrechende Neuerungen<br />
[2] SER, Schweizer Eisenbahn-Revue 12/2011: Fettgeschmierte Fahrmotorlager<br />
mit doppelter Lebensdauer bei der BLS<br />
[3] Konstruktion 48 (1996):neues Verfahren zur Berechnung der Reibung von<br />
Kugellagern<br />
[4] ETH Zürich: Webemarc/Dimensionieren/ Vorlesungsfolien Gleitlager<br />
[5] „Die Wälzlagerpraxis“ von Brändlein, Eschmann, Hasbargen, Weigand<br />
www.<strong>antriebstechnik</strong>.de <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2022</strong>/05 57