SOM_02_2022
Störfeld, Neuraltherapie , Tinnitus, Schwindel, CMD
Störfeld, Neuraltherapie , Tinnitus, Schwindel, CMD
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Wissenschaft
Systematik
Man unterscheidet zwei Arten von Tinnitus (abgeleitet vom lateinischen
‚tinnire‘ = klingen):
• Dem seltenen objektiven Tinnitus liegt, eine mess- und hörbare
Schallquelle in der Nähe des Innenohrs zugrunde, z.B.
durch Gefäß- oder Muskelaktivität
• Der häufig auftretende subjektive Tinnitus, hat keine Schallquelle
im Körperinneren. Er wird von den Betroffenen,
aufgrund einer fehlerhaften Informationsverarbeitung im
Hörsystem, als Ton oder Schmalbandgeräusch (Rauschen,
Brummen, Summen, Pfeifen usw.) wahrgenommen.
In den ersten 3 Monaten spricht man von einem Ohrgeräusch
oder akuten Tinnitus, danach handelt es sich um einen chronischen
Tinnitus. Je früher ein Ohrgeräusch einer Therapie zugeführt
wird, umso höher ist die Erfolgsquote. Das bedeutet nicht
zwangsweise, dass ein seit mehreren Jahren bestehender Tinnitus
nicht doch noch deutlich gebessert werden kann.
Als Ärztin oder Arzt sollte man der Patientin oder dem Patienten
nie die Hoffnung auf eine vollständige Heilung oder deutliche
Besserung nehmen. Die Erzeugung einer übersteigerten
Erwartungshaltung, nur um eine IGEL-Leistung anzubieten,
ist jedoch genauso verwerflich. Denn neben hohen Kosten
kann sich daraus auch eine zunehmende Frustration, manchmal
sogar eine Symptomverschlechterung entwickeln. Bei der
ersten persönlichen Untersuchung wird versucht der Ursache
auf den Grund zu gehen. Sollte dem Tinnitus eine Grunderkrankung
zugrunde liegen, ist es unverzichtbar, diese gezielt zu
behandeln. Bei akut auftretendem Tinnitus ohne gleichzeitige
Schwerhörigkeit ist in ca. 80% der Fälle Stress für die Entstehung
irregulärer Erregungsmuster im Bereich der Hörverarbeitung
mit ursächlich.
Bei der Behandlung des chronischen Tinnitus ist es von wesentlicher
Bedeutung, ob das Ohrgeräusch kompensiert wird, d.h.
keine wesentliche Beeinträchtigung hervorruft, oder ob es bereits
zu einer Dekompensation geführt hat. Wenn der Tinnitus
im Gehirn durch plastische Veränderungen und Vernetzung in
der emotionalen Bewertung sowie durch konsekutive Hinwendung
verschaltet und damit verstärkt wird, so verhindert dies ein
Überhören und es entsteht ein Leiden am Tinnitus [1] [2]. Eine
Dekompensation äußert sich in einer Einschränkung der Lebens-
und Gestaltungsfähigkeit und kann psychosoziale Begleiterscheinungen,
wie z.B. manifeste Depressionen, Angsterkrankungen,
Konzentrations- und Schlafstörungen nach sich ziehen.
Tinnitus-Schweregrade:
Grad 1 (leichtgradig): Wahrnehmung nur in stiller Umgebung,
kein Leidensdruck, gut kompensiert
Grad 2 (mittelgradig): Wahrnehmung auch bei geringem Außengeräuschpegel,
durch gewöhnliche - Umgebungsgeräusche
und Lärm maskierbar, stört bei Stress/Belastung
Grad 3 (schwergradig): Störend unabhängig vom Pegel der
Außengeräusche, praktisch nicht maskierbar, dauernde Beeinträchtigung
im privaten und beruflichen Bereich, sowohl emotionale
als auch kognitive Auswirkungen
Grad 4 (schwerstgradig): Völlige Dekompensation im privaten
und beruflichen Bereich, bis zur Arbeitsunfähigkeit
Diagnostik
• Ausführliche, ganzheitliche Anamnese: Frühere Operationen,
Unfällen, Narben? Störfeldermittlung
• HNO-ärztliche Untersuchung, Ohrmikroskopie, Tubendurchgängigkeit
(Valsalvamanöver)
• Nasopharyngoskopie, Sonographie der Nasennebenhöhlen
• Inspektion Gebiss (schiefstehender 8er?) und Kauapparat
(Bruxismus? Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD)?), evtl.
OPG/DVT Störfeldermittlung
• Abtasten der Halswirbelsäule (HWS) und Nackenmuskulatur
• Tonaudio-, Sprachaudio-, Tympanometrie, Stapediusreflexe
• Tinnitusbestimmung mit Frequenz und Lautstärke (meist
5-15 dB über der Hörschwelle und praktisch immer in der
Frequenz des größten Hörverlusts [3])
• OAE (Otoakustische Emissionen), BERA (Brainstem Evoked
Response Audiometry)
• Bei Schwindel: orientierende Vestibularisprüfung, KIT (Kopf-
Impuls-Test), Lagerung
• Bei pulssynchronen Ohrgeräuschen: Auskultation des Ohres
und der A. carotis
• Suche nach Grunderkrankungen z.B. Blutdruck und Pulsmessung,
Apnoescreening
• Zum Ausschluss einer zentralen Genese: MRT-Schädel mit
Kontrastmittel und Feinschichtung im Kleinhirnbrückenwinkel
• Psychologische Diagnostik bei hohem Leidensdruck mittels
validierter Fragebögen:
• Tinnitusfragebogen nach Goebel und Hiller [4]
• Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) [5]
Ursachen
• Stress mit muskulären Verspannungen sowie vermehrter
Kortisolausschüttung und Minderdurchblutung
• Craniomandibuläre Dysfunktion (siehe CMD-Artikel Dr. K.
Schwenzer-Zimmerer und Dr. S. Zimmerer)
• HWS-, Schulter-Arm-Syndrom mit Verspannungen im Bereich
der Nackenmuskulatur, des Musculus (M.) trapezius
im Rahmen einer chronischen Fehlbelastung oder bei Z. n.
Systemische Orale Medizin · 10. Jahrgang 2/2022 23