Arabische Pferde IN THE FOCUS 2/2022 (Vol. 30) - public
Zeitschrift für Liebhaber und Züchter arabischer Pferde
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Der Fotograf steht auf der Höhe des Kopfes, dadurch sind die Linien<br />
nicht parallel, es entsteht eine perspektivische Verzerrung. Das Vorderteil<br />
des <strong>Pferde</strong>s wirkt zu groß, das Hinterteil zu klein.<br />
Der Fotograf steht jetzt parallel zur Längsachse des <strong>Pferde</strong>s auf Höhe<br />
knapp hinter der Schulter. Die Linien sind parallel, die Proportionen<br />
bleiben erhalten.<br />
Foto-Tipps<br />
d. h. der vordere Bereich des <strong>Pferde</strong>s erscheint größer als der hintere,<br />
bzw. umgekehrt. Je kürzer die Brennweite, desto mehr tritt dieser Effekt<br />
zutage – hier sind wir wieder bei den Handys, wo dieser Effekt sehr<br />
häufig auftritt. Aber auch Handy-Fotografen können perspektivisch<br />
korrekte Fotos machen, wenn sie die oben genannten Positionen genau<br />
einhalten!<br />
Im Eifer des Gefechts kommt es auch häufig vor, dass man den Apparat<br />
nicht genau in der Waagerechten hält, das Pferd dann auf dem Foto<br />
kopflastig wird, oder kruppenlastig. Das ist ein „Fehler“, den man leicht<br />
nachträglich bei der Bearbeitung beheben kann. Was nur begrenzt zu<br />
beheben ist, ist, wenn das Pferd tatsächlich bergauf oder bergab steht,<br />
denn dann würden bei einer nachträglichen Korrektur die Beine ggf.<br />
nicht mehr im senkrechten Lot stehen.<br />
Ein anderer Aspekt, dem der Fotograf bei einem korrekten Standbild sein<br />
Augenmerk geben muß, ist der Hals. Der Hals soll mit Aufrichtung „stolz<br />
getragen“ werden. Dies erreicht man am ehesten durch die oben beschriebene<br />
„Aufmerksamkeit“. Ein Pferd, das in der Ferne etwas sieht oder<br />
hört, wird sich automatisch aufrichten. Es unterscheidet sich grundlegend<br />
von dem auf Shows beliebten in die Höhe und Länge Zerren des Halses.<br />
Und last not least ist da noch der Kopf. Dieser darf (muß aber nicht) leicht<br />
zum Fotografen gedreht sein, oder aber genau im Profil aufgenommen<br />
werden. Wichtig ist selbstredend, dass die Ohren gespitzt sind und das<br />
Auge wach ist – womit wir wieder bei der „Aufmerksamkeit“ sind. Den<br />
Glanzpunkt im Auge erreicht man am ehesten bei tiefer stehender Sonne<br />
am Morgen und Abend. Wenn kein Glanzpunkt vorhanden ist, sollte man<br />
sich davor hüten, diesen nachträglich zu setzen – in 99 von 100 Fällen<br />
sieht es „irgendwie nicht richtig“ aus, weil es einen Lichtreflex darstellt,<br />
wo kein Licht vorhanden ist (oder von der falschen Richtung kommt).<br />
Was eher geht, ist die nachträgliche Verstärkung eines vorhandenen<br />
Lichtreflexes im Auge, der oft auch bei bewölktem Wetter erkennbar ist.<br />
Die Show-Pose<br />
Nun fragen sich vielleicht viele, wenn das beschriebene Standbild „korrekt“<br />
sein soll, warum sieht man dann so viele „unkorrekte“ Standbilder,<br />
selbst in Hochglanzbroschüren und Zeitschriften? Was immer im Einzelnen<br />
dahinter stecken mag – das kann Unerfahrenheit, Unvermögen<br />
oder Absicht sein -, ich persönlich frage mich als Betrachter immer, was<br />
will der Fotograf bzw. Besitzer verbergen? Denn dieser überstreckte<br />
Stand, wie wir ihn von Shows kennen, diente ursprünglich dazu, die<br />
Fehler des <strong>Pferde</strong>s zu kaschieren: Die Oberlinie ist etwas weich, und<br />
die Kruppe „nicht waagerecht“ genug? Dann muß man das Pferd unter<br />
Anspannung in der Pinkelstellung hinstellen, und schon ist die „tabletop“<br />
Oberlinie perfekt. Die Winkelung der Sprunggelenke ist zu stark?<br />
Auch dann hilft das „Hintenraus-Stellen“ und Strecken – kein Richter<br />
2/<strong>2022</strong> - www.in-the-focus.com<br />
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kann so die tatsächliche Winkelung mehr erkennen. Die Fesselung ist<br />
zu steil? Dann werden die Vorderbeine vorne herausgestellt. Der Hals<br />
ist zu kurz? Ganz klar, dann muß er gestreckt werden. Und <strong>Pferde</strong>, deren<br />
Beine auf jedem Foto hinter bunten Blumenarrangements verborgen<br />
sind, haben vermutlich kein korrektes Fundament.<br />
Gut, das alles mag etwas verallgemeinernd wirken – aber es trifft den<br />
Kern der Sache: Man muß noch gar nicht mit Photoshop (oder anderen<br />
Softwares) direkt am Foto manipulieren, es gibt auch die oben<br />
beschriebenen Möglichkeiten, den Gesamteindruck eines <strong>Pferde</strong>s zu<br />
verändern – und die Übergänge sind natürlich stufenlos.<br />
Photoshop & Co.<br />
Für viele stellt sich die Frage: Was ist nun bei der nachträglichen Bearbeitung<br />
von Digitalfotos erlaubt und was nicht? Grundsätzlich gilt für<br />
mich, dass ich keine Veränderung am Pferd mache. Erlaubt ist es daher,<br />
die technische Qualität eines Fotos zu verbessern – also Schärfe,<br />
Bildausschnitt und Kontrast. Der Bildausschnitt ist wichtig, denn hierbei<br />
sollte man darauf achten, dass waagerechte und senkrechte Linien (z. B.<br />
Haus, Koppelzaun) auch tatsächlich waagerecht und senkrecht stehen.<br />
Ist dies nicht der Fall, versucht das Auge beim Betrachten dieser Linien<br />
das Bild „geradezurücken“. Leider steckt auch im Kippen eines Bildes mitunter<br />
ein Manipulationsversuch: Es soll eine waagerechte Kruppe, topfebene<br />
Oberlinie oder eine hohe Aufrichtung vorgegaukelt werden,<br />
wird aber durch die Linien, die nicht im Lot sind, leicht entlarvt. Bei der<br />
Farbe kommen wir schon wieder in einen Graubereich: Denn wenn<br />
man bei einem Rappen mit Rotstich (Sommerrappe) die rote Farbe herausnimmt,<br />
dann ist das m. E. Manipulation, weil man die tatsächlich<br />
vorhandene Farbe des <strong>Pferde</strong>s verändert. Wenn ich aber nur die etwas<br />
faden, blaustichigen Farben eines „Schattenbildes“ verändere, dann<br />
nicht, weil der Blaustich in der Natur der Aufnahme liegt. Erlaubt ist<br />
somit auch, den Hintergrund zu retouchieren (störende Objekte entfernen),<br />
nicht erlaubt hingegen, die Kontur des <strong>Pferde</strong>s zu verändern (z. B.<br />
Rücken- und Kruppenlinie). Erlaubt ist, die Fliege am Auge des <strong>Pferde</strong>s<br />
wegzuretouchieren, aber nicht das Auge insgesamt zu verändern (z.<br />
B. zu vergrößern). Grundsätzlich halte ich es so, dass „unveränderliche<br />
Merkmale“ (Abzeichen, Narben etc.) des <strong>Pferde</strong>s nicht verändert werden,<br />
während oberflächliche „Makel“ (nicht glatt liegendes Fell, Mistflecken,<br />
Insekten), „geputzt“ bzw. retouchiert werden dürfen.<br />
Wer ein korrektes Standbild machen will, der tut das, um die Wirklichkeit<br />
abzubilden. Wenn man überhaupt ein Pferd anhand von Fotos beurteilen<br />
will, dann braucht es Fotos, die die Wirklichkeit wiedergeben,<br />
nicht eine schöne Fantasiewelt. Dazu gehört ein gewisser Mut und<br />
Selbstkritik. In diesem Sinne: Haben Sie Mut zum korrekten Standbild!<br />
Gudrun Waiditschka