gab September 2022
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MUSIK<br />
NACHGEFRAGT<br />
ROBBIE<br />
WILLIAMS:<br />
„Ich konkurriere mit Gleichaltrigen …“<br />
Mit Nacktheit hat der 48-Jährige offenbar kein Problem. Auch auf dem Cover seines Albums „XXV“, mit dem er<br />
jetzt seine 25-jährige Solokarriere zelebriert, zeigt er sich unbekleidet. Während er für das Foto abgelegt hat,<br />
kommen seine Songs nun in einem anderen Gewand daher. Deutlich aufwendiger produziert. Der Sänger hat<br />
Klassiker wie „Let Me Entertain You“ oder „She's the One“ und selbstverständlich seinen kommerziell erfolgreichsten<br />
Hit „Angels“ mit dem niederländischen Metropole Orkest neu eingespielt. Mit herrlich schwelgerischer<br />
Opulenz. Allerdings waren die Musiker überhaupt nicht gemeinsam im Studio. Während der Pandemie, erzählt<br />
Robbie Williams, sei er in Los Angeles gewesen, das Orchester habe sich dagegen in Holland aufgehalten:<br />
„Es wäre sehr teuer geworden, alle einfliegen zu lassen.“<br />
Zum Glück kann man dank moderner<br />
Technik auch aus der Ferne<br />
ziemlich gut zusammenarbeiten.<br />
Mit dem Ergebnis ist Robbie<br />
Williams nun mehr als zufrieden.<br />
Vor allem mit seinem ganz<br />
persönlichen Lieblingssong „Feel“,<br />
den erwartungsgemäß nach dem<br />
altvertrauten Klavier-Intro Streicher<br />
veredeln. Auch in dieser Version<br />
treffen einen Sätze wie „Scare<br />
myself to death“ oder „I don't<br />
wanna die / but I ain't keen on living<br />
either“ immer noch mitten ins Herz.<br />
Wenn man danach in dem neuen<br />
Stück „Lost“ die erste Zeile „I wake<br />
up, terrifying myself again“ hört,<br />
klingt das beinahe wie eine „Feel“-<br />
Fortsetzung. Mit dieser Feststellung<br />
ist der vierfache Familienvater<br />
durchaus einverstanden. „Lost“, urteilt<br />
er, mute wie eine altmodische Robbie-<br />
Williams-Nummer an: „Die emotionalen<br />
Akkorde beschwören geradezu eine Introspektive<br />
der dunkelsten Momente herauf.“<br />
Sich dann vor sich selber zu erschrecken<br />
und aus dem seelischen Gleichgewicht zu<br />
geraten, diese Situation ist dem Musiker<br />
nur allzu vertraut: „Wenn ich nicht gerade<br />
mit meiner Familie zusammen bin oder<br />
mit jener Handvoll Menschen, in deren<br />
Gegenwart ich mich am wohlsten fühle,<br />
überwältigen mich meine Gedanken oft.<br />
Einfach weil ich einen sehr geschäftigen<br />
Geist habe.“<br />
Um das zu kompensieren, griff Robbie<br />
Williams früher regelmäßig zu Drogen<br />
und Alkohol: „Als ich total verloren war,<br />
habe ich mich selber medikamentiert.“<br />
Inzwischen ist er clean, seit mehr als 20<br />
Jahren. Seine Familie ist das, was ihn erdet:<br />
„Ich bin natürlich für sie verantwortlich.“<br />
Gleichwohl haben sich seine Probleme<br />
keineswegs in Luft aufgelöst. Als Robbie<br />
Williams kürzlich bei einer Awareness-<br />
Veranstaltung in St. Tropez vor 500<br />
geladenen Gästen eine Rede hielt, erzählte<br />
er von seinen Depressionen, von seiner<br />
ADHS-Störung, von seiner Legasthenie,<br />
von seinen Zwangsvorstellungen. Er soll<br />
sich als Alkoholiker geoutet haben, als<br />
Süchtiger. Spricht man ihn auf diesen<br />
Abend an und erkundigt sich, ob er mutig<br />
für psychisch Kranke in die Bresche<br />
gesprungen sei, dann gibt er sich erstaunlich<br />
bescheiden: „Ich habe einfach den<br />
Drang, das auszusprechen, was mir durch<br />
den Kopf geht. Falls ich damit anderen<br />
helfen kann – wunderbar!“<br />
So lässig diese Sätze klingen mögen: Das<br />
gesamte Szenario dürfte Robbie<br />
Williams einiges abverlangt haben.<br />
In seiner Ansprache offenbarte<br />
er nämlich ebenfalls, dass er die<br />
Tendenz habe, sich zu isolieren.<br />
Wie schafft er es dennoch, bei<br />
seinen Konzerten vor Tausenden<br />
oder sogar Zehntausenden<br />
aufzutreten? „Ich habe in diesem<br />
Moment die Verantwortung, viele<br />
Menschen gut zu unterhalten“,<br />
erklärt er. „Diese Verantwortung<br />
nehme ich sehr ernst. Unabhängig<br />
davon, wie es mir gerade geht.“<br />
Schließlich ist Robbie Williams<br />
nach wie vor ehrgeizig. Sein Ziel ist<br />
es, mit seinen Alben weiterhin an<br />
der Spitze der Charts zu stehen. In<br />
möglichst vielen Ländern: „Ich will<br />
unbedingt relevant bleiben.“ Allerdings<br />
steht die nächste Generation bereits<br />
in den Startlöchern, etwa mit Harry Styles.<br />
Mit ihm könne man nicht konkurrieren,<br />
stellt Robbie Williams sofort klar: „Ich<br />
konkurriere mit Gleichaltrigen oder mit<br />
Musikern, die noch älter sind.“ Obgleich<br />
ihn Harry Styles nicht zwingend an<br />
den jungen Robbie erinnert, lobt<br />
er seinen Landsmann in den<br />
höchsten Tönen: „Ich kann bloß<br />
Positives über Harry sagen. Er<br />
ist charismatisch und sieht<br />
wirklich gut aus. Seine Songs<br />
sind großartig, zudem ist er<br />
ein toller Performer.“<br />
Ähnliches denken gewiss<br />
unzählige Leute nach<br />
wie vor über Robbie<br />
Williams. Kein Wunder,<br />
dass er keinen<br />
FOTO: LEO BARON