Industrieanzeiger 14.2022
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denheit legt, war die Entscheidung schnell gefällt. Die<br />
Realität bestätigte die Prognose und hat den Blick des<br />
Konzerns auf den 3D-Druck inzwischen nachhaltig<br />
verändert. Der Fall unterstreicht, dass sich AM auch<br />
dann lohnen kann, wenn durch Lieferengpässe sonst<br />
andere hohe Kosten entstehen oder die Kundenbeziehung<br />
belastet wird. Kurze Vorlaufzeiten in der Produktion,<br />
aber auch kurze Lieferwege aufgrund dezentraler<br />
Verfügbarkeit der Technologie können entscheidende<br />
Vorteile sein, wenn schnelle Reaktionen gefragt sind.<br />
Ist der 3D-Druck reif für die Serienproduktion?<br />
Als Betreiber einer der größten 3D-Druck-Anlagen in<br />
Europa können wir sagen: Ja, das ist sie eindeutig.<br />
Nicht nur der Fall CNH, sondern auch zahlreiche Produkte,<br />
die wir im Kundenauftrag regelmäßig in Serie<br />
fertigen, belegen das. Zu den Anwendungsbereichen,<br />
in denen wir tätig sind, zählen zum Beispiel individualisierte<br />
Verbraucherlösungen. Das können Healthcare-Produkte<br />
wie Zahnkronen sein, aber auch<br />
Brillen, Einlegesohlen oder Innenschuhe von Skistiefeln.<br />
Die Individualisierung sorgt für perfekten Sitz,<br />
für perfekte Unterstützung<br />
und ermöglicht meist hohe<br />
Margen im Verkauf. Weitere<br />
typische Einsatzfelder sind<br />
kunden- oder anwendungsspezifisch<br />
angepasste Maschinen-<br />
und Werkzeugkomponenten.<br />
In Serie fertigen<br />
wir zudem verschiedene Lösungen,<br />
bei denen die Kosten pro Bauteil weniger relevant<br />
sind als andere Faktoren. Dazu zählen geringes<br />
Gewicht, gesteigerte Funktionalität oder – wie<br />
im Fall von CNH Industrial – Kundenzufriedenheit.<br />
Auch gute Optik oder Platzersparnis können wichtiger<br />
sein als die Fertigungskosten. Wie zu sehen ist,<br />
gibt es jetzt schon zahlreiche Serienanwendungen, in<br />
denen sich AM lohnt. Und mit Maschinen und Software,<br />
die immer leistungsfähiger und raffinierter<br />
werden, sowie mit neuen externen Herausforderungen<br />
und Produktideen wird die Zahl noch wachsen.<br />
Welche Unterstützung brauchen die Kunden bei<br />
der additiven Fertigung?<br />
Viele produzierende Unternehmen nutzen den<br />
3D-Druck bereits, doch schöpfen das Potenzial bei<br />
Weitem nicht aus. Das liegt vielfach daran, dass nicht<br />
konsequent nach sinnvollen AM-Anwendungen gefahndet<br />
oder der Blick nur auf bestimmte, bewährte<br />
Einsatzfelder wie das Prototyping oder komplexe<br />
Komponenten gerichtet wird. Häufig werden auch die<br />
Kosten-Nutzen-Effekte falsch eingeschätzt. Helfen<br />
können externe Fachkräfte, die Erfahrung mit unter-<br />
» Viele produzierende<br />
Unternehmen nutzen den<br />
3D-Druck bereits, doch<br />
schöpfen das Potenzial bei<br />
Weitem nicht aus. «<br />
schiedlichsten additiven Anwendungen einbringen.<br />
Im besten Fall gehen sie mit dem Kunden gemeinsam<br />
und systematisch die Produktion und die Produkte<br />
durch und identifizieren „Verdachtsfälle“ – immer im<br />
Hinterkopf, welche Verbesserungen mit 3D-Druck<br />
hier möglich sind. Bei der Bewertung fließen anschließend<br />
nicht nur die Kosten pro Bauteil ein, sondern<br />
auch Wettbewerbsvorteile, die sich etwa durch<br />
effizientere Produktionsprozesse oder neue Mehrwerte<br />
beim Endprodukt ergeben. Mit Materialise<br />
Mindware bieten wir einen Beratungsansatz, bei dem<br />
unsere erfahrenen Fachkräfte Unternehmen nicht nur<br />
bei der Identifikation sinnvoller AM-Anwendungen<br />
unterstützen, sondern auch bei Forschung und Entwicklung.<br />
Abschließend helfen sie auf Wunsch, den<br />
Produktionsprozess zu optimieren und zu skalieren.<br />
Wie kann die additive Fertigung dazu beitragen,<br />
dass innovativere Produkte entwickelt werden?<br />
Bei der Entwicklung innovativer Produkte spielt neben<br />
dem schnellen Prototypenbau vor allem auch die Designfreiheit<br />
eine Rolle. Durch Leichtbaustrukturen oder<br />
integrierte Funktionen sind<br />
zum Teil vollkommen neuartige<br />
Lösungen möglich. Ein Beispiel<br />
hier sind neue drohnenartige<br />
Fluggeräte für den individuellen<br />
Personentransport.<br />
Viele Bauteile dort lassen<br />
sich nur mittels 3D-Druck<br />
leicht und zugleich stabil genug<br />
bauen, um nicht nur das Fliegen, sondern auch einen<br />
sicheren Betrieb zu ermöglichen. Die Designfreiheit<br />
war auch wichtig, als wir zu Beginn der Corona-<br />
Pandemie mit einem Mediziner zusammen einen<br />
Adapter entwickelten, mit dem sich klinische Standardartikel<br />
in Beatmungslösungen umwandeln lassen.<br />
Ebenso half sie, verschiedene Produktionswerkzeuge<br />
wie einen Sauggreifer oder eine Lampenhalterung<br />
deutlich zu verbessern. Und sie ist bei jedem spezifisch<br />
angepassten Serienprodukt von Bedeutung. Vollkommen<br />
neue Geschäftsmodelle wie individuell angepasste<br />
Einlegesohlen und Skistiefel-Innenschuhe wären<br />
ohne die Gestaltungsfreiheit nicht denkbar. Zu innovativen<br />
Lösungen trägt 3D-Druck auch dadurch bei, dass<br />
er von Beginn an auf digitalen Daten basiert. Das vereinfacht<br />
zum Beispiel den Aufbau datenbasierter Endto-End-Lieferketten<br />
für individualisierte Serienprodukte:<br />
Die kundenspezifischen Daten werden vor Ort digital<br />
definiert und anschließend per Knopfdruck an den<br />
Fertigungsstandort übermittelt, wo das Bauteil mit<br />
den entsprechenden Anpassungen entsteht. Das fertige<br />
Produkt geht abschließend an die gewünschte<br />
Lieferadresse.<br />
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