SPENGLER CUP DAVOS - Jahrbuch 2022 (70-er Jahre)

SIEGER VON DAMALS
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: Der Kreis hat sich geschlossen
Václav Nedomanský – 1973 beim 50-Jahr-Jubiläum des Spengler Cup der Publikumsliebling
– blickt auf eine einmalige Karriere zurück. Mit der Aufnahme in die renommierte
Hockey Hall of Fame im Jahr 2019 schloss sich der Kreis für einen ausserordentlichen
Spieler, bei dem die sportlichen Erfolge im Rückblick gar nicht im Zentrum stehen.
Am 26. Dezember 1971 wartete die Eishockey-Schweiz
vor den Fernsehapparaten
gespannt auf den ersten Auftritt
von Václav Nedomanský (auf dem Bild
links). Dieser lag jedoch mit einer Grippe
im Bett und konnte vorerst nicht zum
Spengler Cup anreisen. « Auf Anweisung
meines Trainers trank ich Tee mit
Whisky, damit ich möglichst rasch
wieder auf die Beine kam », erinnert er
sich. So wurde er für das letzte Spiel
doch noch eingeflogen. Davoser
Schulkinder verteilten 2000 gedruckte
Handzettel mit dieser Neuigkeit im
ganzen Dorf. Davon bekam Nedomanský
aber nicht viel mit: « Ich war auf das Spiel
unserer Mannschaft fokussiert. » Der
Aufwand lohnte sich sportlich nicht,
denn Slovan Bratislava unterlag dem
SKA Leningrad mit 3 : 5 Toren. « Ich war
ein junger Spieler und wollte erfolgreich
umsetzen, was die Trainer uns vorgaben.
An das Drumherum kann ich mich nicht
mehr übermässig erinnern. » Diese Einstellung
war auch geprägt von harten
Trainings durch das ganze Jahr hindurch,
mit lediglich zwei Wochen
Ferien.
Publikumsliebling am Spengler Cup 1973
Zwei Jahre später avancierte der Center
zum Publikumsliebling. Im Finalspiel
von Slovan Bratislava gegen Traktor
Tscheljabinsk zeichnete er sich durch je
zwei Tore und Assists aus. Bescheiden
reflektiert er aber nicht den sportlichen
Erfolg als bleibende Erinnerung: « An der
Weltmeisterschaft in Prag 1972 siegten
wir gegen die Schweizer Nationalmannschaft
19 : 1. Das Wiedersehen mit dem
einen oder anderen Spieler beim Spengler
Cup war speziell. » Zudem war es dem
Ausnahmespieler erlaubt, mit der Teilnahme
am Spengler Cup in die Schweiz
zu reisen, ein nicht alltägliches Erlebnis
zu jener Zeit.
Von der Leaderfigur bei
Slovan Bratislava nach Nordamerika
Bei Slovan Bratislava war er längst
zu einer Leaderfigur gereift. Allerdings
lehnte er das Kapitänsamt immer wieder
ab: « Ich wollte meinen Weg in Nordamerika
finden. Entsprechend versuchte ich mich
beim Geheimdienst so wenig wie möglich
zu exponieren. » Nach der Flucht 1974
nach Kanada wurden die USA schliesslich
neuer Lebensmittelpunkt von Václav
Nedomanský. Er fasste Fuss in der National
Hockey League (NHL). « Das Spiel war
schon damals physischer und intensiver
als in Europa. Dazu kam das kleinere
Spielfeld. » Mit einem Lächeln ergänzt er:
« Niemand wartete auf mich. Im Gegenteil,
die einheimischen Spieler gingen
generell die ausländischen Spieler gezielt
härter an. » Als erster Spieler in der NHL
aus einem kommunistisch regierten Land
erlebte der gebürtige Tschechoslowake
aber nicht nur Highlights: « Es wurde
einem nichts versprochen und auch
nichts geschenkt. Jeder Spieler arbeitete
hart, um sich einen der limitierten
Plätze in einem NHL-Team zu verdienen. »
« Wir hatten kaum Geld, um das
Notwendige zum Leben zu kaufen »
Mit der Aufnahme in die berühmte
Hockey Hall of Fame im Jahr 2019 und dem
Empfang des speziellen Rings schloss
sich der Zirkel für « Big Nedo », wie Nedomanský
noch heute genannt wird: « Ich
habe mich von einem jungen, unerfahrenen
Spieler weiterentwickelt, konnte
Eishockey über ein Jahrzehnt auf einem
hohen Niveau spielen. Danach sammelte
ich im Coaching, Scouting und auch in
der Entwicklung des Eishockeys viel Erfahrung.
» Eines sticht im Gespräch immer
wieder hervor – seine Bescheidenheit:
« Es war toll, dass ich die Aufnahme
in die berühmte Hockey Hall of Fame zusammen
mit Freunden und Mitspielern
feiern durfte. » Trotz dieser sportlichen
Ehrung nennt er als Highlight seiner
Karriere erneut die persönlichen Aspekte:
« Ich habe immer versucht, mich persönlich
weiterzuentwickeln – auch in der
Schule. Wir hatten kaum Geld, um uns das
Notwendige zum Leben zu kaufen. Entsprechend
habe ich immer gut trainiert,
um spielerisch besser zu werden. » Mit
viel Erfahrung im Rucksack war es ihm im
Scouting wichtig, die jungen Spieler über
einen längeren Zeitraum zu beobachten.
« Die Umstellung speziell vom europäischen
Hockey auf die NHL ist gross –
dieser Prozess ist oft kritisch. » Die
Attribute, um den Durchbruch zu schaffen,
die « Big Nedo » im weiteren Verlauf
des Gesprächs benennt, sind nicht überraschend:
« Charakter, eine starke
Mentalität und nicht zuletzt Fleiss und
Ausdauer.» Das Schweizer Hockey beobachtet
Nedomanský nach wie vor: « Es
hat seine Zeit gebraucht. Als Land mit
einer limitierten Anzahl an potenziellen
Spielern hat es sich aber gut entwickelt.
Das spiegelt sich momentan durch die
herausragenden Spieler in der NHL
wider, wie zum Beispiel Roman Josi,
Nino Niederreiter, Nico Hischier oder
Timo Meier. » Aber auch die Schweiz ist
noch immer präsent: « Gerne erinnere
ich mich an das Eisstadion in Davos mit
ihrer einmaligen Holzkonstruktion und
ihrer wunderbaren Atmosphäre. Zudem
habe ich gute Freunde in der Schweiz. »
Rückzug als Zuschauer –
aber äusserst interessiert
War Nedomanský beim Aufbau des NHL-
Franchise in Las Vegas noch in einer
aktiven Rolle mit dem Eishockey verbunden,
beschränkt sich der 78-Jährige
heute auf die Zuschauerrolle – aber nicht
weniger intensiv: « Es kann schon sein, dass
ich über die Zeitzonen hinweg an einem
Tag vier Partien am Fernseher verfolge. »