Festspielzeit Sommer 2023 - 1
Das Magazin der Bregenzer Festspiele
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SPIEL AUF DEM SEE<br />
In einer kleinen Schatulle bewahrt<br />
Cio-Cio-San, als Geisha Butterfly<br />
genannt, ihre Schätze auf. Es<br />
sind Erinnerungen an ihr früheres<br />
Leben in ihrer traditionellen japanischen<br />
Familie. Kleine Püppchen<br />
erinnern an ihre Ahnen, ein Dolch<br />
an den Selbstmord des Vaters.<br />
Stolz, aber auch wehmütig zeigt sie<br />
die Schatzkiste ihrem Liebsten, dem<br />
US-amerikanischen Marineoffizier<br />
Pinkerton. Der lacht über den alten<br />
Kram, hält die Gefühle seiner jungen<br />
Frau für Sentimentalität und macht<br />
sich über Kultur und Tradition ihres<br />
Heimatlandes lustig. Die Szene<br />
offenbart koloniales Denken des<br />
westlichen Mannes, die Einseitigkeit<br />
der Gefühle in dieser ungleichen<br />
Partnerschaft. Die Betrachtung<br />
eines Gegenstands führt mitten<br />
hinein in die traurige Geschichte<br />
von Cio-Cio-San.<br />
Es sind die kleinen Dinge, die<br />
auf einer Bühne Atmosphäre schaffen.<br />
Sorgsam auf das große Bild<br />
abgestimmte Details »machen<br />
Harmonie und Perfektion spürbar«,<br />
beschreibt Ausstattungsleiterin<br />
Susanna Boehm die Wirkung von<br />
Requisiten. Auch wenn kleine<br />
Ausstattungsdetails mit all ihren<br />
Facetten nicht bis in die letzte Tribünenreihe<br />
sichtbar seien, nehme<br />
das Publikum wahr, ob sie stimmig<br />
seien. Dem Ausstattungsteam, das<br />
aus acht Personen besteht, muss<br />
es gelingen, Wirkung auf eine Entfernung<br />
von 30 bis 50 Metern zu<br />
erzeugen, gleichzeitig müssen<br />
die Requisiten auch einer nahen<br />
Betrachtung bei Foto- und Filmaufnahmen<br />
standhalten.<br />
Jedes Requisit hat seine Entstehungsgeschichte.<br />
Sie beginnt<br />
mit den ersten, grundlegenden<br />
Ideen des Leading Teams, im Falle<br />
der Bregenzer Madame Butterfly<br />
von Regisseur Andreas Homoki,<br />
Bühnenbildner Michael Levine und<br />
Kostümbildner Antony McDonald.<br />
»Bei den ersten Proben sehen sie<br />
dann, dass man manche Dinge<br />
verändern muss, andere Sachen<br />
braucht oder größere Stückzahlen«,<br />
erzählt Boehm und ergänzt<br />
lachend: »Am liebsten hätten sie<br />
das bis zur nächsten Probe, da<br />
geht dann der Wirbel bei uns los.«<br />
Provisorische Requisiten dienen<br />
zur Überbrückung, bis das rundum<br />
passende Stück gefertigt ist.<br />
VON SCHIRMEN<br />
UND BLÜTEN<br />
In großer Zahl waren für<br />
Madame Butterfly asiatisch<br />
anmutende Schirme gewünscht.<br />
Bereits 2021 wurde<br />
mit der Recherche der<br />
Lieferant:innen begonnen.<br />
Massenware aus dem Internet<br />
war nicht brauchbar,<br />
eine New Yorker Firma mit<br />
einem Partnerbetrieb in<br />
Thailand konnte schließlich<br />
liefern, was gebraucht wurde:<br />
Schirme in Spezialgröße<br />
und ohne Kunststoffgriffe.<br />
Den eigens bedruckten<br />
Stoff lieferte jene Firma<br />
in Como, die auch für den<br />
Stoffdruck der Kimonos<br />
verantwortlich war. Bespannt<br />
wurden die Schirme<br />
dann in der Werkstatt der<br />
Bregenzer Festspiele.<br />
Dort werden sie auch – wenn durch<br />
zahlreiche Auftritte in Mitleidenschaft<br />
gezogen – repariert.<br />
Nicht erfüllt werden konnte der<br />
Wunsch nach Kirschblüten. Weil sie<br />
viel zu zierlich und zu leicht für die<br />
Seebühne gewesen wären, waren<br />
Alternativen gefragt. Susanna<br />
Boehm fand Hortensienblüten als<br />
Vorbild und suchte nach passenden<br />
Kunstblumen. Sie ging selbst ans<br />
Werk, bastelte erste Prototypen.<br />
Eine Serie von 500 Kunstblumen<br />
wurde produziert. Größe und Gewicht<br />
mussten für den Bühnenauftritt<br />
sorgfältig ausgetüftelt werden.<br />
»Sie dürfen nicht zu schwer sein,<br />
damit sie nicht herunterplumpsen<br />
wie ein Stein, wenn man sie streut.<br />
Und sie dürfen auch nicht zu leicht<br />
sein, weil sie der leiseste Wind wegblasen<br />
würde.« Damit die Blüten,<br />
die über die steile Bühne verstreut<br />
sind, nicht im See landen, wurden<br />
verborgene Fischernetze gespannt,<br />
die wegrollende Blüten auffangen.<br />
KREATIVE<br />
ORGANISATIONSTALENTE<br />
Kreativität, handwerkliches Geschick<br />
und Mut zu eigenen Ideen<br />
sind Grundvoraussetzungen für<br />
den Beruf der Requisiteurin und des<br />
Requisiteurs. Sehr strukturiert und<br />
organisiert müsse man sein, sagt<br />
Susanna Boehm: »Und man muss<br />
genau arbeiten können, empathisch<br />
und belastbar sein.«<br />
Requisiteur:in ist in Österreich<br />
kein Lehrberuf. Man kann jedoch<br />
nach einer handwerklichen oder<br />
künstlerischen Berufsausbildung<br />
durch Weiterbildung die Berufsbezeichnung<br />
»Geprüfter Requisiteur«<br />
durch die Wirtschaftskammer<br />
bekommen. Wer für ein Musiktheater<br />
arbeiten will, sollte zudem<br />
Musik verstehen, rät Susanna<br />
Boehm, »und zumindest fragmentarisch<br />
Noten lesen können«.<br />
Gefragt seien auch Menschen<br />
mit besonderen Begabungen.<br />
Bewährt habe sich bei der<br />
Arbeit für Madame Butterfly das<br />
Hobby einer Bühnentechnikerin:<br />
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