USA | Alaska Schön wachsam: Das Weißkopfseeadlerpaar rackert rund um die Uhr, um den Nachwuchs satt zu kriegen. zeigt unser Herr Bär sofort lüsternes Interesse. Schon sausen beide über einen Wassergraben hinfort zum näheren Kennenlernen. Uns stockt immer noch der Atem. Erst auf der Rückfahrt weicht das Adrenalin langsam den Glückshormonen. Doch das Wetter in Alaska ist ungestüm. Unvorhersehbar. Und so kommt es, dass wir den Nachmittag in der Lodge verbringen. Allerdings wohl verwöhnt. Tom zaubert Blaubeerpfannkuchen in Bärenform. Zeit, ein wenig zu plaudern und die Anekdoten auszupacken. Bei dampfendem Kaffee erzählen die Guides von ihren ersten Touren, als sie selbst noch Rookies waren. Jake erzählt, wie er einem Seeadlernest zu nahe kam: »Ich hatte nicht realisiert, dass die Adler Nachwuchs haben. Die Eltern haben mich sofort mit ihren messerscharfen Krallen attackiert. Ich musste mich mehrmals zu Boden werfen und konnte mich zum Glück in die Büsche schlagen.« Und dann ist da noch die Geschichte des Grizzly Man, der in der Kaflia Ba wirkte, die wir ja just besucht hatten. Perr empfiehlt uns: »Am besten seht ihr euch die Doku zu ihm an.« Gesagt, getan. Das filmische Meisterwerk von keinem Geringeren als dem deutschen Werner Herzog lässt uns das Blut in den Adern gefrieren. Timothy Treadwell, ein blondgelockter Surfer aus Kalifornien, war ein radikaler Tierschützer und Bärenfan. Er kam über Jahre hinweg in die Kaflia Ba, lebte dort allen Warnungen zum Trotz mit den Bären. Er filmte etensiv, wurde alsbald von Firmen und Hollywoodstars gesponsert, trat sogar in der David-Letterman-Show auf. Herzog zeichnet in seiner prämierten Doku das Bild eines sympathischen, aber letztlich auch geistig verwirrten Grenzgängers. Er lässt seine Eltern und Weggefährten zu Wort kommen und verwendet hauptsächlich das Originalmaterial von Treadwell. Nach 13 <strong>Sommer</strong>n kam es wie es wohl kommen musste. Treadwell wird im Oktober 2003 von dem 28 Jahre alten Bären 141 angefallen, der nicht mehr ordentlich jagen und fischen konnte. Er ruft seiner Freundin Amie Huguenard noch zu, dass sie fliehen soll. Die aber versucht, den hungrigen Bären mit einer Bratpfanne zu vertreiben. Auch sie wird getötet und teils gefressen. Tatsächlich wollte er den Bären filmen, als er attackiert wurde, die Kamera lief bereits, aber der Objektivdeckel blieb oben. Das Tondokument vom Todeskampf der beiden ist der blanke Horror. Herzog verwendet es nicht und empfiehlt den Erben, es zu vernichten. Für eine ganze Weile ist in unserer Lodge nur noch das Prasseln des Kaminfeuers zu hören. Am nächsten Tag klart es auf. Leider. Es ist Abreisetag. Die De-Havilland-Beaver-Wasserflieger landen direkt vor der Lodge. Pilot Jerry ist so ein netter Kerl, dass er für uns eine Panoramaroute einlegt. Gleich nach Über- uerung der Shelikof Strait steuert er jäh abfallende Bergkämme an. Zeigt uns schneeweiße Bergziegen, die in schier senkrechten Wänden grasen. Dann taucht er zum intensiven Grün der Tundra hinab. Schwebt über Sitka-Fichten-Wälder und glitzernde Mäander eines namenlosen Flussdeltas. Kurz vor dem Landekanal an der Ostseite von Kodiak verspricht er uns über den knarzenden Bordfunk ein riesiges Otterfloß. Und dann kann er es selbst kaum fassen, dass auch noch eine Schule Finnwale prustend auftaucht, bevor wir endgültig landen. Ich sage nur: Perspektivenwechsel – check! Abenteuer – check! Glück – check! Ich habe einen Bärenglück. INFO ANREISE Über Anchorage und Kodiak mit dem Wasserflugzeug direkt zur Lodge. Meist müssen zwei zusätzliche Übernachtungen in Anchorage und Kodiak eingeplant werden. Anchorage-Kodiak mit einer großen Propellermaschine der Alaska Air. www.alaskaair.com Kodiak-Katmai Wilderness Lodge mit dem Wasserflugzeug, Island Air Service, www.flyadq.com ÜBERNACHTEN Adressen unter: www.alaska.org und www.kodiak.org Tipp: Sheraton Anchorage Hotel & Spa (www.marriott.com) und Best Western Kodiak Inn (www.kodiakinn.com) LODGE Auf der Ostseite des Parks gibt es nur eine Lodge, die Katmai Wilderness Lodge. Pakete mit drei, vier oder sieben Nächten buchbar, ab € 4.325. All-inclusive mit Guides, Bootsfahrten, Vollverpflegung, alkoholische Getränke, Ausrüstung wie Regenzeug, Wattstiefel und Fliegennetze – und mit Bärengarantie. www.katmai-wilderness.com Paket buchbar mit kompletter Beratung und Zubringerflügen bei: DIAMIR Erlebnis<strong>reisen</strong> GmbH, Berthold-Haupt-Str. 2, 01257 Dresden, Tel. + 49 (0) 351 312070, info@diamir.de, www.diamir.de Fotos: Norbert Eisele-Hein (11), Anton Klocker (2), Perry Mollan (2); Illustration: Rainer Lesniewski/Shutterstock.com 56 <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong> sommer <strong>2023</strong>
Kopfstand: In der Kaflia Bay spiegeln sich die umliegenden Gipfel wunderschön in einer Regenwasserlagune. Pilot Jerry Borchard liebt seinen Job und dreht auch gerne mal eine Extrarunde. Die Wasserflieger landen direkt vor der Hütte und bringen neben Touristen auch frische Nahrungsmittel. herbst 2020 <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong> 57