HOTEL Schon beeindruckend so ein Leben hier in den mallorquinischen Bergen. Gestresst steige ich in Köln in den Flieger. Und ebenso gestresst steige ich in Palma aus. Die kurze Flugzeit hat nicht gereicht, den Wahnsinn der letzten Wochen abzuschütteln. Abgabe meiner Masterarbeit. Einen Tag nach meinem 30. Geburtstag. Berufsbegleitend. Kurzum: nicht zu empfehlen. Dann bleibt kein Millimeter Spielraum mehr für irgendwelche Eventualitäten – und davon gab es bei mir einige, der plötzliche Kurzschluss im Laptop war mit kilometerweitem Abstand die kleinste Katastrophe. Nun gut, ich will hier nicht jammern, aber kurz einordnen in mein Seelenheil. Die warme Begrüßungssonne auf der Lieblingsinsel der Deutschen will meine Haut noch nicht so richtig spüren. Daher fühlt sich die kurvige Straße, die sich schon wenig später durch die Bergwelt der Serra de Tramuntana windet, eher wie ein Traum als Realität an. Ebenso das Tor, das zur Rechten den Weg weist, wo sich die ockerfarbenen Gebäude des Belmond La esidencia weitläufig zwischen den knorrigen Olivenbäumen und Palmen an den Berg schmiegen. Ein Erfrischungsgetränk, ein warmes Lächeln, mein Koffer wird für mich fortgetragen. Und dann geleitet man mich auch schon weiter nach oben, zu Fuß, vorbei am Atelier des chilenischen Bildhauers und Töpfers Juan Waelder, einer der Artists-in-Residence hier im Hotel. Vorbei an der Ebene des ersten, großen Pools. Eine weitere Treppe höher, ein zweiter Pool, noch eine Treppe – da bin ich nun also. Ganz oben mit dem Blick weit über das Meer liegt mein Refugium. Kein Zimmer gleicht dem anderen. Nicht nur wird die Kunst an den Wänden regelmäßig neu kuratiert, auch das esort wird seit seiner Eröffnung stetig erweitert und Fincas und Häuser im Dorf hinzugekauft, restauriert und wunderschön eingerichtet. Deshalb hat jedes Zimmer seinen ganz eigenen Charme. Ob die Matthew Williamson Suite, die farbenfroh im Mustermix den Stil des Designers repräsentiert und mit privatem Pool begeistert, oder die verwinkelte dreistöckige Tower Suite im Herzen der Anlage mit kleiner Rooftop-Terrasse und Teleskop zum Sternegucken. Meine geräumige Executive Suite hat neben einer riesigen marmornen Badewanne, kuscheligstem Bett und ausgewählten antiken Möbeln und moderner Kunst dieses Highlight: einen privaten Pool. Erste Gefühle regen sich in mir: Da möchte ich rein. Also steige ich kurz später in das erstaunlich frische Wasser des kleinen Pools. Der Blick über die grünen Hügel und bis zum Meer. Da passiert es: Der Stress wird förmlich abgewaschen und in dem kalten Nass erstickt. Und plötzlich bin ich hier. Hier auf Mallorca. Hier im wunderschönen Belmond La Residencia. Und das Leben, ja, das Leben kann auch verdammt schön sein. Und so schnappe ich mir kurzerhand meine Begrüßungs-Macarons und einen kühlen Drink aus der Minibar. Dieses wunderbare Gefühl von neu erlangter Freiheit und unbegrenzten Möglichkeiten muss gefeiert werden. Auf einmal scheint alles mit einem wohligen Filter belegt – ist das dieses warme Licht, von dem immer alle auf Mallorca sprechen? Ich schwebe also von nun an. Zum Beispiel wenig später die Treppen wieder hinunter. Dabei höre ich auf einmal das Zwitschern der Vögel aus allen Ecken. Auf einmal spüre ich die warme <strong>Sommer</strong>brise, die an meinem Kleid zuckelt. Auf einmal erhascht mein Blick kleine Früchte an den bauchigen, verholzten Olivenbäumen, die bestimmt ihre 100 Jahre auf dem Buckel haben. Der Pool glitzert, die Palmen wanken und plötzlich hat alles diesen magischen »Glow«. Ich trete ins Café Miró ein. Das Restaurant trägt seinen Namen nicht von ungefähr: Stolze 33 originale Prachtwerke des spanischen Künstlers, der viel Lebenszeit auf Mallorca verbrachte, hängen in dem eleganten Restaurant aus. Mirós Enkel hat einen engen Bezug zum Hotel. Der legendäre Belmond Afternoon Tea wird auf der schönen Sonnenterasse mit Blick auf den Skulpturengarten sogar auf eigens für das Hotel gefertigtem Porzellan mit Miró-Mustern serviert. Ihr wisst schon, diese typischen Formen abstrakter Linien mit bunten Farben gefüllt. Ja, Kunst spielt eine große Rolle im Belmond La Residencia, dazu später mehr. Erst einmal gebe ich mich den köstlichen mediterranen Tapas hin. Austern, gegrillter Oktopus, Gambas aus dem nahen Sóller, dazu ein Glas mallorquinischer Callet – endlich, endlich schmecke ich wieder, wie köstlich das Leben sein kann. Mein Gaumen wird verwöhnt mit Seafood, meine alte Liebe ist wieder neu entfacht. Zum Abschluss des Abends malt Chefkoch Guillermo Méndez kurzerhand mein Dessert auf den Tisch – zum Abschlecken gut. Einen Löffel benutze ich dann aber dennoch und erwische mich dabei, wie ich die Reste von der übergeworfenen Plastiktischdecke kratze. Was für ein Auftakt! Endlich, endlich kann ich das Leben wieder in vollen Zügen aufsaugen. 92 <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong> sommer <strong>2023</strong>
Kunstvoll: Die Landschaft rund um das Belmond La Residencia, wie in Port de Sóller (unten rechts), könnte malerischer kaum sein. Auch das Hotel mit seinen vielen kleinen Fincas und Villen ist ein einziges Prachtstück. Kein Wunder, dass hier ein Ort der Inspiration entstanden ist, wo gleich zwei Artists-in-Residence Gäste in ihr Atelier einladen. Alan Hydes zeigt stolz seine berühmtesten Werke. herbst 2020 93