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50 Jahre Landkreis Schwäbisch Hall 2023

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BRAUNSBACH<br />

Seite 14<br />

Nach Sturzflut zurück in die Normalität<br />

Saniert Ein verheerendes Unwetterereignis verwüstet Ende Mai 2016 die Kochertalgemeinde Braunsbach. Der Wiederaufbau ist nahezu<br />

abgeschlossen, Präventionsmaßnahmen werden durchgeführt. Das Leben pulsiert wieder im Ort. Von Corinna Janßen<br />

Es ist der Tag, der jedem<br />

Braunsbacher Bürger und<br />

jeder Bürgerin für immer<br />

im Gedächtnis bleiben<br />

wird: Am Abend es 29. Mai<br />

2016 schiebt sich aufgrund eines<br />

Starkregenereignisses eine reißende<br />

Welle mit Wassermassen<br />

und Geröll durch die Ortsmitte<br />

und hinterlässt eine Schneise der<br />

Verwüstung. Wie durch ein Wunder<br />

sind keine Toten zu beklagen.<br />

Eine Hilfswelle rollt an – aus nah<br />

und fern eilen die Menschen herbei,<br />

um bei den Aufräumarbeiten<br />

anzupacken. Bürgermeister Frank<br />

Harsch wird zum Krisen- und Koordinationsmanager.<br />

Die Sturzflut war<br />

Katastrophe und<br />

Chance zugleich für<br />

unsere Kochertalgemeinde.<br />

Frank Harsch<br />

Bürgermeister von Braunsbach<br />

Sieben <strong>Jahre</strong> später ist aus der<br />

gebeutelten Gemeinde ein Vorzeigemodell<br />

dessen geworden,<br />

was durch Zusammenhalt und<br />

Unterstützung möglich ist. Die<br />

Touristen kommen wieder gerne<br />

nach Braunsbach, betreten auf<br />

dem Marktplatz das kleinste Museum<br />

des <strong>Landkreis</strong>es, die winzige<br />

Fluthütte. Dort wird bildlich<br />

auf das Schreckensereignis hingewiesen.<br />

Die Braunsbacher Gastronomie<br />

floriert, der Campingplatz<br />

am Kocher wird gerne angenommen.<br />

Auch die Bürger und<br />

Bürgerinnen fühlen sich in ihren<br />

mit viel Liebe sanierten Häusern<br />

wieder spürbar wohl.<br />

Braunsbach war nach der Sturzflut vom 29. Mai 2016 nicht wiederzuerkennen.<br />

In den <strong>Jahre</strong>n vor der Flut waren<br />

Neubaugebiete im Entstehen.<br />

Der neue Kunstrasenplatz auf<br />

dem Sportgelände des TSV<br />

Braunsbach war angelegt. Der Gemeinderat<br />

befasste sich bereits<br />

mit der Realisierung des interkommunalen<br />

Gewerbegebiets<br />

Untermünkheim/Braunsbach.<br />

Vorbereitungen für den Breitbandausbau<br />

waren ebenfalls im<br />

Gange. „Wir hatten uns auch<br />

schon mit der Windkraft beschäftigt“,<br />

erinnert sich Frank Harsch<br />

an die Zeit vor der Flut zurück.<br />

2016 sind die ersten Windräder in<br />

Zottishofen gebaut worden.<br />

In Geislingen am Kocher wurde<br />

damals am Hochwasserschutz<br />

gearbeitet. Das dort neu gebaute<br />

Bürgerhaus fand viel Anklang und<br />

wurde mit Leben gefüllt.<br />

Foto: Archiv/Ufuk Arslan<br />

Autobahnkapelle hat Jubiläum<br />

2013 entstand bei der Kochertalbrücke<br />

die Autobahnkapelle<br />

Christophorus. Die Christusträger-Schwestern<br />

vom Hergershof<br />

haben diese realisiert. „Da haben<br />

wir als Gemeinde auch mitgewirkt“,<br />

berichtet Frank Harsch<br />

und freut sich auf das diesjährige<br />

kleine Jubiläum. „Eine riesige<br />

Baumaßnahme“ war die Sanierung<br />

der Ortsdurchfahrt von Weilersbach,<br />

so Harsch. In Steinkirchen<br />

war die Pfarrsteige gerichtet<br />

worden.<br />

Dann kam die Flut und damit<br />

einhergehend „unheimlich viel<br />

Veränderung“, wie es Frank<br />

Harsch bezeichnet. „Es war nicht<br />

nur der Wiederaufbau, sondern<br />

die Erneuerung der gesamten Infrastruktur.“<br />

Mit Privatinvestitionen<br />

sind es rund 70 Millionen<br />

Euro, die in den Wiederaufbau<br />

von Braunsbach und den betroffenen<br />

Teilorten flossen. „Die<br />

Sturzflut war Katastrophe und<br />

Chance zugleich für unsere Gemeinde“,<br />

betont Harsch. Als Beispiel<br />

nennt er die Sanierung der<br />

Burgenlandhalle und den ansprechenden<br />

Neubau des Feuerwehrmagazins.<br />

Der Anschluss ans<br />

Nahwärmenetz sei auch ein großer<br />

Fortschritt gewesen, sämtliche<br />

öffentliche Gebäude sind angeschlossen.<br />

Mittlerweile ist Normalität<br />

in Braunsbach eingekehrt.<br />

Der Gemeinderat beschäftigt sich<br />

mit all den Aufgaben, die andere<br />

Kommunen auch vor sich haben.<br />

Braunsbach hat in jüngster Zeit<br />

viel Geld in den Nachwuchs investiert.<br />

Erst vor Kurzem wurde<br />

eine neue Kita eingeweiht. Das interkommunale<br />

Gewerbegebiet ist<br />

jetzt schon ein Erfolgsmodell. Auf<br />

dem zehn Hektar großen Gebiet<br />

sind nur noch zwei Bauplätze frei.<br />

Beim Thema Erneuerbare Energien<br />

ist Braunsbach einer der Vorreiter<br />

im <strong>Landkreis</strong>. Die Gemeinde<br />

produziert im Moment siebenmal<br />

mehr grünen Strom als sie<br />

verbraucht. Mit zwei weiteren<br />

Windrädern in Orlach wird sich<br />

dieser Wert auf mehr als das<br />

Zwölffache steigern. Ein Anliegen<br />

ist Harsch, beim Thema Nachverdichtung<br />

weiterzukommen. Innerorts<br />

sei noch viel ungenutztes<br />

Potenzial vorhanden.<br />

Zusammenhalt im Glauben<br />

Im Jahr 2011 wurde die evangelische<br />

Gesamtkirchengemeinde<br />

Braunsbach gegründet. Die vier<br />

Kirchengemeinden Braunsbach,<br />

Geislingen, Orlach/Jungholzhausen<br />

und Döttingen/Steinkirchen<br />

sind seither „unter einem Dach“.<br />

Zwar ist jede Kirchengemeinde<br />

eigenständig geblieben, doch es<br />

gibt einen gemeinsamen Haushalt.<br />

Derzeit entsteht nach vielen<br />

<strong>Jahre</strong>n der Planung am Standort<br />

des abgerissenen Pfarrhauses<br />

beim Schloss ein neues Gemeindehaus.<br />

Kulturell hat Braunsbach neben<br />

dem Rabbinatsmuseum (mehr<br />

dazu siehe unten) auch den Jüdischen<br />

Kulturweg Hohenlohe-Tauber<br />

zu bieten. Zu einer großen<br />

Freilichtbühne wird im Sommer<br />

die Braunsbacher Kulturinsel.<br />

Dort spielen die Laienschauspieler<br />

des Vereins Theater in Braunsbach<br />

bemerkenswerte Stücke, immer<br />

wieder auch mit lokalem Bezug.<br />

Am 21. Juli ist die Premiere<br />

der Kriminalkomödie „Sein letzter<br />

Vorhang“.<br />

Braunsbach<br />

Kontakt<br />

Bürgermeisteramt Braunsbach<br />

Geislinger Straße 11<br />

74542 Braunsbach<br />

Tel. 07906 94094-0<br />

info@braunsbach.de<br />

Grußwort<br />

Herzlich willkommen<br />

in Braunsbach<br />

Unser <strong>Landkreis</strong> feiert seinen <strong>50</strong>. Geburtstag!<br />

Knapp jünger als ich selbst, ist doch unfassbar viel<br />

geschehen in den letzten <strong>Jahre</strong>n und Jahrzehnten.<br />

Mit den Kreis- und Gemeindereformen Anfang<br />

der 70er <strong>Jahre</strong>n des vergangenen Jahrhunderts<br />

haben die Altvorderen enormen Mut bewiesen.<br />

Mut dahingehend, neue Strukturen anzupacken<br />

und damit zukunftsorientiert auszurichten. <strong>50</strong><br />

<strong>Jahre</strong> später sind die Erfolge unverkennbar. Der<br />

<strong>Landkreis</strong> <strong>Schwäbisch</strong> <strong>Hall</strong> hat sich mit den<br />

Kreisstädten, Städten und Dörfer ganz prima<br />

entwickelt - viele wirtschaftliche Standortvorteile,<br />

gepaart mit Natur und Kultur stehen für unseren<br />

<strong>Landkreis</strong>. Die nächsten <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> werden gewiss<br />

mit neuen Herausforderungen einhergehen, aber<br />

dieser schöne <strong>Landkreis</strong> wird immer seinen Glanz<br />

behalten. Als Gemeinde Braunsbach sind wir ein<br />

Teil dieser Erfolgsgeschichte und freuen uns auf<br />

die Zukunft mit unserem <strong>Landkreis</strong> <strong>Schwäbisch</strong><br />

<strong>Hall</strong>. Nicht zuletzt durch die Sturzflut vom 29. Mai<br />

2016 haben wir dabei erfahren, was Zusammenhalt<br />

und Kooperation innerhalb des <strong>Landkreis</strong>es<br />

wirklich bedeutet. Feuerwehren, Verwaltungskräfte,<br />

Ehrenamtliche, Bürgerinnen und Bürger haben<br />

in größter Not einfach mitangepackt, haben die<br />

Wege im wahrsten Sinne des Wortes freigemacht<br />

und dadurch den guten Wiederaufbau ermöglicht.<br />

Vielen Dank unserem <strong>Landkreis</strong> <strong>Schwäbisch</strong> <strong>Hall</strong>.<br />

Frank Harsch<br />

Bürgermeister<br />

Basisdaten<br />

Einwohnerzahl: 2.591<br />

Fläche: 52,87km²<br />

Teilorte: Braunsbach, Geislingen,<br />

Steinkirchen, Döttingen, Orlach,<br />

Arnsdorf, Junholzhausen<br />

Bürgermeister: Frank Harsch (51)<br />

3 Sehenswürdigkeiten: Rabbinatsmuseum,<br />

Kochertalbrücke, Rosensteinsaal,<br />

ehemalige Synagoge<br />

3 größten Vereine: 1. TSV Braunsbach,<br />

9<strong>50</strong> Mitglieder; Jugendclub Braunsbach,<br />

100 Mitglieder; Kulturclub Döttingen,<br />

80 Mitglieder<br />

3 größte Unternehmen: Beck Holzbau,<br />

Wolf-Haustechnik, Schwarz Haustechnik,<br />

Metallbau Abel<br />

Jüdisches Leben zum Anfassen<br />

Kultur Elisabeth Quirbach und ihr Mann Hans Schulz haben das<br />

Rabbinatsmuseum in Braunsbach zukunftsfit gemacht.<br />

Braunsbach. Versteckt in einer<br />

kleinen Gasse von Braunsbach,<br />

nicht weit vom Kocher entfernt,<br />

liegt das Rabbinatsmuseum. Von<br />

außen wirkt das Gebäude eher<br />

unauffällig. Drei Glasstelen am<br />

Treppenaufgang, auf denen die<br />

Namen der Braunsbacher Juden<br />

stehen, weisen jedoch darauf hin,<br />

dass es sich um einen geschichtsträchtigen<br />

Ort handelt.<br />

Elisabeth Quirbach hat mit ihrem<br />

Mann Hans Schulz in jahrzehntelanger<br />

Arbeit die Geschichte<br />

der Braunsbacher Juden<br />

erforscht und aufgearbeitet. All<br />

ihr Wissen haben sie in zwei Räumen<br />

des ehemaligen Rabbinats<br />

gebündelt. Um am Puls der Zeit<br />

zu bleiben, wurde die umfangreiche<br />

Ausstellung im Frühjahr 2021<br />

modernisiert und digitalisiert.<br />

„Der Gedanke kam auf, als es<br />

2020 Jahr aus Regierungskreisen<br />

hieß, dass das Förderprogramm<br />

,Neustart Kultur’ für kleine Museen<br />

kommt, um diese zukunftsfit<br />

zu machen“, erzählt Elisabeth<br />

Quirbach. Die Bedingung für eine<br />

Bewilligung war, dass der Förderantrag<br />

den Betrag von 10 000<br />

Euro überschreitet.<br />

Viele Möglichkeiten<br />

„Erst mal wussten wir gar nicht,<br />

wie wir für unser kleines Museum<br />

10 000 Euro ausgeben können“,<br />

erzählt die Museumsleiterin<br />

schmunzelnd von den Anfängen.<br />

Dann jedoch nahmen sie Kontakt<br />

zu Professor Rainer Leng auf.<br />

Dieser hat einen Lehrstuhl am Institut<br />

für Geschichte der Julius-<br />

Maximilians-Universität Würzburg.<br />

Auch der Braunsbacher Lukas<br />

Eisenmann, Informatikstudent,<br />

wurde mit einbezogen. Das<br />

Ergebnis: Plötzlich stand für das<br />

Projekt „Digitalisierung Rabbinatsmuseum“<br />

eine Summe von<br />

stattlichen 49 000 Euro im Raum,<br />

die auch bewilligt wurde.<br />

Sichtlich stolz präsentiert Elisabeth<br />

Quirbach im Museum die<br />

Neuerungen: Beispielsweise wurden<br />

die Hörstationen erweitert.<br />

Mittels Audioguides erfahren Besucher,<br />

wahlweise in Deutsch<br />

oder Englisch, viel Wissenswertes<br />

rund um das jüdische Leben.<br />

„Per QR-Codes können die Beiträge<br />

überall angehört werden,<br />

nicht nur im Museum“, erklärt die<br />

Museumsleiterin. Professor Leng<br />

richtete eine ausführliche Medienstation<br />

ein, die über ein großes<br />

Smartboard bedient werden kann.<br />

Die Vielfalt an Beiträgen ist überraschend.<br />

„Man kann sich hier<br />

stundenlang aufhalten“, versichert<br />

Leng. Elisabeth Quirbach<br />

demonstriert die einfache Handhabung:<br />

Per Berührung kommt<br />

der Besucher ins Menü und kann<br />

sich zwischen 13 Themenblöcken<br />

wie etwa „Christen und Juden“<br />

oder „Zeitzeugen“ entscheiden.<br />

Teilweise gibt es Filme dazu und<br />

auch Zeitzeugeninterviews. „Insgesamt<br />

sind es hier vier Stunden<br />

Filmmaterial“, berichtet Leng.<br />

Das Smartboard sei sehr praktisch<br />

für Gruppen.<br />

Auch an kleine Museumsbesucher<br />

wurde gedacht: Auf sie wartet<br />

ein Wissensmemory, bei dem<br />

das Gelernte spielerisch abgefragt<br />

wird. Die App „Rabbinatsmuseum“,<br />

die im Google- und<br />

Playstore kostenlos zum Download<br />

bereitsteht, hat Lukas Eisenmann<br />

mit seinem Kommilitonen<br />

Kemal Akdag programmiert. Mit<br />

ihr kann das Museum an jedem<br />

Ort entdeckt werden.<br />

„Augmented Reality“<br />

Die wohl eindrucksvollste Neuerung<br />

ist die Ausstattung mit „Augmented<br />

Reality“. Dabei handelt es<br />

sich um eine computergestützte<br />

Erweiterung der Realitätswahrnehmung.<br />

Wer etwa das Smartphone<br />

an gelbe Buttons, die an bestimmten<br />

Exponaten zu finden<br />

sind, hält, bekommt erweiterte Informationen.<br />

Das Braunsbacher Rabbinatsmuseum<br />

besteht nur aus zwei<br />

Räumen. Durch den Einsatz der<br />

Neuen Medien wurde der Informationsgehalt<br />

jedoch enorm gesteigert<br />

und erlebbarer gemacht.<br />

„Interaktiv kann man sich einiges<br />

selber erarbeiten“, freut sich Elisabeth<br />

Quirbach.Corinna Janßen<br />

Info Wer mehr Informationen möchte,<br />

findet diese auf der Homepage www.<br />

rabbinatsmuseum-braunsbach.de<br />

Elisabeth Quirbach, Leiterin des Rabbinatsmuseums in Braunsbach,<br />

zeigt, welche Möglichkeiten das Smartboard bietet. Foto: Archiv/coja

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