50 Jahre Landkreis Schwäbisch Hall 2023
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
KIRCHBERG/JAGST<br />
Seite 28<br />
Kultur und Natur im schönen Kirchberg<br />
Zukunft Die Voraussetzung für all die Feste und Veranstaltungen, mit denen die Stadt punktet, ist eine gute Stadtentwicklung. Dafür<br />
wurden rechtzeitig Schwerpunkte gesetzt. Diese dann konsequent umzusetzen, ist nicht einfach. Von Birgit Trinkle<br />
Es läuft in Kirchberg. Ungezählte<br />
Projekte werden<br />
dem Anspruch gerecht,<br />
„Kunst und Natur“ nicht<br />
nur anzubieten, sondern geradezu<br />
zu zelebrieren. Das hat viel mit<br />
Ehrenamt zu tun, bei Ausstellungen<br />
und Museen ebenso wie in<br />
Putzeten und Naturschutzvorhaben.<br />
Aber das ist es nicht allein.<br />
Seit die Stadt 1972 mit Gaggstatt<br />
und Hornberg, drei <strong>Jahre</strong> später<br />
mit Lendsiedel zusammengewachsen<br />
ist, hat sie sich immer<br />
wieder neu erfunden.<br />
Der Gemeinderat<br />
hat erkannt,<br />
was wichtig ist und<br />
klare Entscheidungen<br />
getroffen.<br />
Stefan Ohr<br />
Bürgermeister von Kirchberg/Jagst<br />
„Der Kirchberger Gemeinderat<br />
ist gewillt, Dinge strukturell anzugehen“:<br />
Für Bürgermeister Stefan<br />
Ohr ist das ein großes Plus,<br />
etwas, das der Stadt sehr zugutekommt.<br />
Eine große Hilfe dabei ist<br />
das Zukunftskonzept 2030, das<br />
2018 beschlossen wurde und Entwicklungsschwerpunkte<br />
festlegte.<br />
Dieses Konzept wurde erst vor<br />
wenigen Wochen aktualisiert. Ein<br />
Punkt darin ist die Wohnbauentwicklung.<br />
In diesem Rahmen<br />
wurde das Sanierungsgebiet Lindenquartier<br />
auf den Weg gebracht,<br />
das den früheren Edeka-<br />
Markt ebenso überplant wie das<br />
alte Fabrikgebäude, das in absehbarer<br />
Zeit von der Schlossschule<br />
geräumt wird und dann für die<br />
Zukunftsplanung zur Verfügung<br />
Der Kirchberger Büchermarkt ist ein Anziehungspunkt für Buchliebhaber aus der gesamten Region.<br />
steht. Konkret wird dort gemeinsam<br />
mit der evangelischen Heimstiftung<br />
ein Generationenplatz<br />
geplant und das Seniorenheim<br />
neu gebaut. Grundsätzlich haben<br />
es sich die Kirchberger zum Ziel<br />
gesetzt, Meilensteine in der Stadtentwicklung<br />
rechtzeitig zu setzen<br />
und auf deren Umsetzung hinzuarbeiten.<br />
Auch „Im Stück“ am<br />
neuen Rewe-Markt wird derzeit<br />
gebaut. „Oberloh“, das große Entwicklungsgebiet<br />
zwischen Kirchberg<br />
und Lendsiedel, steht während<br />
der kommenden Jahrzehnte<br />
für die Stadtentwicklung zur Verfügung;<br />
momentan wird der erste<br />
von fünf Bauabschnitten überplant,<br />
danach steht die Entscheidung<br />
über die Erschließung an.<br />
Energie der Zukunft<br />
Bürgermeister Ohr erinnert sich<br />
daran, wie vor zehn <strong>Jahre</strong>n über<br />
erneuerbare Energien diskutiert<br />
wurde, über Windräder und Freiflächenfotovoltaik.<br />
Ob das der<br />
richtige Weg für Kirchberg war?<br />
Foto: Stadt Kirchberg/Jagst<br />
Der Stadtrat hat sich dann aber<br />
schnell und klar positioniert und<br />
eine Zukunftsaufgabe gesehen,<br />
der sich Kirchberg stellen müsse.<br />
Im Nachhinein sei es die richtige<br />
Entscheidung gewesen, nach<br />
Kräften an der Energiewende teilzuhaben.<br />
„Seither ist einiges gelaufen“,<br />
so Ohr mit Blick auf die<br />
bereits bebauten sieben Hektar<br />
Freiflächenfotovoltaik und nunmehr<br />
insgesamt elf Windräder,<br />
für die Bebauungspläne auf den<br />
Weg gebracht und der Flächennutzungsplan<br />
entsprechend umgearbeitet<br />
wurde.<br />
Auch ein anderes Thema ist buchstäblich<br />
zukunftsorientiert. Zum<br />
einen stellt sich Kirchberg derzeit<br />
im Kindergarten- und Schulbereich<br />
neu auf – bis Ende dieses<br />
Schuljahres sind die Kleinen noch<br />
in der Gaggstatter Grundschule<br />
untergebracht und ziehen dann<br />
um nach Kirchberg –, zum anderen<br />
wurden und werden große<br />
Summen in den Umbau zur Ganztagesschule<br />
mit Mensa und in die<br />
Schulsanierung investiert. Solche<br />
Projekte einvernehmlich auf den<br />
Weg zu bringen, das ist viel wert,<br />
sagt Ohr. Die Meilensteine, die<br />
gesetzt wurden, haben die Stadt<br />
vorangebracht: „Der Gemeinderat<br />
hat zum rechten Zeitpunkt erkannt,<br />
was wichtig ist und klare<br />
Entscheidungen getroffen.“<br />
Vorhandenes bewahren<br />
Nur mit einem so vorausschauenden<br />
Blick gelingt es, die Vergangenheit<br />
zu bewahren, ihr gar ein<br />
ums andere Mal ein Denkmal zu<br />
setzen. Die Geologen der Stadt<br />
widmen sich vor allem der Trias,<br />
der einzigen Periode der Erdgeschichte,<br />
die nach einem Massenaussterben<br />
begann und mit einem<br />
Massenaussterben endete und<br />
präsentieren immer wieder neue<br />
Erkenntnisse. In der historischen<br />
Altstadt ist das Kornhaus eine Attraktion,<br />
in dem 1546 ein Kaiser<br />
übernachtete, in dessen Reich die<br />
Sonne nicht unterging. Im heutigen<br />
Rathaus wurde Friedrich Jäger<br />
geboren, der den Umsturzversuch<br />
am 20. Juli 1944 mit dem Leben<br />
bezahlte. Auch die Kirche –<br />
obgleich 1929 bei einem Brand<br />
zerstört und wieder neu aufgebaut<br />
– ist ein Schatz, der allein<br />
den Besuch Kirchbergs lohnt.<br />
Die großen Feste<br />
Jedes Jahr im Februar wird zudem<br />
zum Stadtfeiertag gebeten; es gibt<br />
Märkte, das Kino „Klappe“, Konzerte,<br />
Veranstaltungen aller Art.<br />
Zu nennen ist das Fest im barocken<br />
Hofgarten und in der Orangerie.<br />
Oder der Büchermarkt in<br />
der Altstadt; Eldorado für alle, die<br />
Bücher lieben und sich über Lesungen,<br />
Ausstellungen und Kunst<br />
zum Thema Buch freuen.<br />
Kirchberg/Jagst<br />
Kontakt<br />
Stadt Kirchberg/Jagst<br />
Schloßstraße 10<br />
74592 Kirchberg/Jagst<br />
Tel. 07954 9801-0<br />
info@kirchberg-jagst.de<br />
Grußwort<br />
Herzlich willkommen<br />
in Kirchberg/Jagst<br />
Am 30.11.1373, verlieh Kaiser Karl IV Stadtrechte<br />
an Kirchberg an der Jagst. Seit genau 6<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />
heißt es „Stadt Kirchberg an der Jagst“. Aus<br />
dem früheren Fürstensitz Hohenlohe-Kirchberg<br />
wurde mit Abschluss der Eingemeindungen von<br />
Gaggstatt, Hornberg und zuletzt Lendsiedel am<br />
1.1.1975 das heutige Kirchberg an der Jagst.<br />
Kirchberg zeichnet sich durch einen abwechslungsreichen<br />
kulturellen <strong>Jahre</strong>sverlauf aus.<br />
Beginnend mit dem Stadtfeiertag mit Mittelaltermarkt<br />
im Februar, über den Büchermarkt im<br />
Juni, das Hofgartenfest im Juli endet es mit dem<br />
Weihnachtsmarkt am zweiten Adventswochenende.<br />
Es sind regelmäßig Kunstausstellungen zu<br />
sehen im Sandelschen Museum und der Orangerie.<br />
Zu hören gibt es klassische Musik auf<br />
Spitzenniveau bei den Schlosskonzerten. Zudem<br />
sorgen die Kirchbergerinnen und Kirchberger in<br />
vielen verschiedenen Vereinen für eine lebendige<br />
Gemeinschaft.<br />
Die wunderschöne Naturlandschaft des Kirchberger<br />
Jagsttals wird von vielen Touristen auf dem<br />
Kocher-Jagst-Radweg „erradelt“. Dementsprechend<br />
ist in Kirchberg der Natur- und Landschaftsschutz<br />
von besonderer Bedeutung. Selbstverständlich<br />
werden auch erneuerbare Energien in<br />
großer Menge erzeugt u. a. mit 11 Windrädern<br />
und über die GrünStrom Kirchberg GmbH an Gewerbe-<br />
und Privatkunden verkauft.<br />
Das Kirchberger Stadtmotto lautet „Kunst und<br />
Natur“ – Kommen Sie und erleben Sie es selbst.<br />
Stefan Ohr<br />
Bürgermeister<br />
Basisdaten<br />
Einwohnerzahl: 4.<strong>50</strong>2<br />
Fläche: 40,93 km²<br />
Teilorte: Gaggstatt mit Lobenhausen<br />
und Mistlau, Hornberg, Lendsiedel<br />
mit Diembot, Dörrmenz, Eichenau,<br />
Herboldshausen, Kleinallmerspann und<br />
Weckelweiler<br />
Bürgermeister: Stefan Ohr (54)<br />
Partnergemeinden: Städtefreundschaft<br />
mit Weißensee in Thüringen<br />
3 Sehenswürdigkeiten: u. a. Schloss<br />
Kirchberg, Stadtturm Kirchberg<br />
und Jugendstilkirche Gaggstatt<br />
3 größte Vereine: TSG Kirchberg,<br />
1.020 Mitglieder; NABU Ortsgruppe<br />
Kirchberg, 517 Mitglieder; Sengeno,<br />
263 Mitlieder<br />
3 größte Unternehmen: Sozialtherapeutische<br />
Gemeinschaften Weckelweiler<br />
e.V., 355 Mitarbeiter, Werkstattbeschäftigten<br />
in der Werkstatt<br />
für Menschen mit Behinderung, 330<br />
insgesamt 711 Menschen, Stegmaier-<br />
Group, 420 Mitarbeiter, Roland Deeg<br />
GmbH, 170 Mitarbeiter<br />
Vergangenheit und Zukunft<br />
Wurzeln Die Stadt Kirchberg hoch über der Jagst ist ohne ihr Schloss<br />
kaum denkbar. Bis heute werden dazu Geschichten erzählt.<br />
Kirchberg/Jagst. So viel Geschichte,<br />
so viele Geschichten sind mit<br />
dem Kirchberger Schloss verbunden,<br />
der größten Schlossanlage<br />
Hohenlohes. Stadtführer Albert<br />
Albrecht erzählt vom späteren<br />
Kirchberger Fürst Karl Friedrich<br />
Ludwig Heinrich zu Hohenlohe-<br />
Kirchberg, der als junger Mann<br />
Napoleons Russland-Feldzug nur<br />
überlebt habe, weil ihn sein Reitknecht<br />
wundersamerweise über<br />
den Fluss Beresina schaffen konnte<br />
– an dem einige tausend Soldaten<br />
aus Württemberg einen<br />
furchtbaren Tod starben. Die<br />
Nachkommen dieses Reitknechts,<br />
so Albrecht, führen das nicht auf<br />
ein Wunder zurück, sondern auf<br />
ausgezeichnete Kontakte zum<br />
Versorgungstross: „Man hat ihn<br />
trotz strengster Verbote zwischen<br />
den Mehlsäcken versteckt.“<br />
Alle für einen<br />
Die Kirchberger und ihr Schloss<br />
waren und sind untrennbar verbunden.<br />
Das zeigt unter anderem<br />
der wieder hergestellte historische<br />
Abflusstunnel in Kirchbergs<br />
Flussaue. Helmut Klingler vom<br />
Arbeitskreis Stadtgeschichte erzählt<br />
davon, wie die Jagst irgendwann<br />
den direkten Weg nahm und<br />
den Sophienberg links liegen ließ.<br />
Aus dem alten Flusslauf wurde<br />
fruchtbares Ackerland, die „Hinter<br />
Au“. Nun gibt es eine Stelle im<br />
Tal, die tiefer und kälter ist als die<br />
Umgebung – ausgewaschen vom<br />
Fluss, zudem auf Gipsuntergrund<br />
dolinenartig eingesunken und generell<br />
fast ganzjährig im Schatten.<br />
An dieser Stelle staute sich zum<br />
größten Unglück der Besitzer alle<br />
<strong>Jahre</strong> wieder nach der Schneeschmelze<br />
bis in den Mai hinein<br />
das Wasser. 1704 befahl Graf<br />
Friedrich Eberhard von Hohenlohe-Kirchberg<br />
den Bau eines Abflusskanals<br />
– zu finanzieren von<br />
allen Eigentümern, deren abfließendes<br />
Wasser das Hochwasser<br />
verursachte. Weil sein Vorhaben<br />
auf wenig Begeisterung stieß,<br />
brachte der Graf solidarisch eigene<br />
Grundstücke in die erzwungene<br />
Entwässerungsgenossenschaft<br />
ein und wurde Vertreter einer<br />
Idee, die die Welt verändert hat.<br />
Niedergang und Aufschwung<br />
Mit dem Tod des Beresina-Überlebenden<br />
erlosch 1861 die Kirchberger<br />
Linie; die entfernte Verwandtschaft<br />
aus der Linie Hohenlohe-Neuenstein,<br />
die den Besitz<br />
übernahm, war bei weitem<br />
nicht so interessiert. Ein Niedergang<br />
begann, bis die Evangelische<br />
Heimstiftung, das Schloss 1952 gekauft<br />
hat. Noch heute gibt es im<br />
vorderen Teil der Anlage ein Alten-<br />
und Pflegeheim.<br />
Als Stefan Ohr 2008 in Kirchberg<br />
antrat, um Bürgermeister zu werden,<br />
stand ein „Riesen-Fragezeichen<br />
über dem Schloss“, wie er<br />
sich erinnert: „Das war im Wahlkampf<br />
ein zentrales Thema.“ Der<br />
Wunsch, das Kirchberger Wahrzeichen<br />
möge ein offenes Haus<br />
bleiben, wurde schließlich von<br />
Rudolf Bühler erfüllt, der mit der<br />
gemeinnützigen Stiftung „Haus<br />
der Bauern“ nach dem Kauf der<br />
Immobilie im Jahr 2015 den jahrzehntelangen<br />
Sanierungsstau in<br />
Angriff nahm. Der Leerstand füllte<br />
sich, bis das Schloss zu neuem<br />
Leben erwacht war. Mittlerweile<br />
gibt es dort die Akademie für ökologische<br />
Land- und Ernährungswirtschaft,<br />
den Regionalsitz der<br />
Bio-Musterregion sowie ein Kulturzentrum.<br />
bt<br />
Seit Jahrhunderten thront das Kirchberger Schloss weithin sichtbar<br />
über dem Jagsttal.<br />
Foto: S. Sorg, Kirchberg