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Flensburg Journal Ausgabe 189 - Juni 2018

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Hugo Eckener:<br />

Folge 6: „Graf Zeppelin“ und der Atlantik<br />

Gähnende Leere begegnete Hugo Eckener, als er im Dezember<br />

1924 – nach der Überführung des ZR-3 in die USA – die Luftschiffhalle<br />

in Friedrichshafen betrat. Der Chef der Zeppelin-Werke bereitete<br />

dieser Anblick seelische Schmerzen, er sorgte sich um die<br />

Zukunft seines Unternehmens. Und seine großen Ziele schienen<br />

unendlich weit weg: Ein neues großes Luftschiff, das lange Reisen<br />

nach Übersee meistern und den Auftakt für den Aufbau eines<br />

weltumspannenden Liniennetzes bilden sollte.<br />

Der 56-Jährige trat diese Herausforderung an. Er warb für seine<br />

Idee, war nicht nur in Deutschland unterwegs. Er wurde bei<br />

einflussreichen Stellen in Prag, Wien oder Stockholm vorstellig,<br />

besuchte eine große Mailänder Messe mit 3000 Ausstellern. Er<br />

referierte in London vor der „Royal Air Society“ über einen transatlantischen<br />

Verkehr mit drei Luftschiffen. Auch die Gespräche<br />

mit der spanischen „Compania Colon“ über eine Anbindung<br />

Südamerikas dauerten an.<br />

Das Interesse war vorhanden, aber auch der Respekt vor diesem<br />

kapitalintensiven Vorhaben – und vor den vielen Hindernissen. Da<br />

waren die Restriktionen des Versailler Vertrags, der die Zeppeline<br />

als Kriegsinstrument einstufte. „Wenn die Luftschiffstation Friedrichshafen<br />

vorübergehend von der Botschafterkonferenz aufrechterhalten<br />

wurde“, sagte ein französischer Ministerialbeamter,<br />

„so geschah dies allein auf Bitte der amerikanischen Regierung.<br />

Die Hallen, Schuppen und Modelle müssen zerstört werden.“<br />

„Die Hallen, Schuppen und Modelle<br />

müssen zerstört werden.“<br />

Hugo Eckener schwirrten diese Worte im Ohr. Er versuchte die<br />

Politik, die Wissenschaft und die Massen gleichermaßen von der<br />

zivilen Nutzung eines Zeppelins und seiner Leistungsfähigkeit zu<br />

überzeugen – und blickte gen Arktis. „Da mir die Staaten nicht<br />

gestatten wollten, die Amerikafahrt mit dem ZR-3 drei Mal zu<br />

machen, bin ich in meiner Verzweiflung auf die Nordpolfahrt<br />

gekommen“, sagte er im Juli 1925. Da befand er sich bereits im<br />

Austausch mit renommierten Polarforschern.<br />

Der Unternehmer hoffte auf staatliche Zuschüsse. Er war häufiger<br />

in der Wandelhalle des Reichstags unterwegs, um mit Abgeordneten<br />

ins Gespräch zu kommen, nahm Einladungen des Reichstagspräsidenten<br />

Paul Löbe an, parlamentarischen Abenden<br />

beizuwohnen. Doch angesichts der politischen Großwetterlage,<br />

der schwierigen Haushaltssituation und einer Zurückhaltung des<br />

Reichsverkehrsministeriums gegenüber der Luftschiff-Vision tat<br />

sich vorerst nichts.<br />

In Friedrichshafen rührte man weiter die Werbetrommel, nutzte<br />

am 21. August 1925 das 25-jährige Jubiläum des allerersten Bodensee-Aufstiegs<br />

für ein großes Erinnerungsfest mit illustren Gästen.<br />

Beim Frühstück im Kurgartenhotel saß Hugo Eckener an der<br />

Front des Ehrentisches. Er erhob sich zu einer längeren programmatischen<br />

Rede, wetterte gegen den Versailler Vertrag und die<br />

Zweifel am Luftschiff. Dann zog er den Bogen zum Apell, der<br />

Millionen einbringen sollte. „Unsere Zeit ist nicht dafür geeignet<br />

Feste zu feiern, es sei denn, man verfolgt einen sittlichen oder vaterländischen<br />

Zweck“, betonte der Konzern-Chef. „Wir möchten<br />

die nötige Unterstützung nicht vom Reich, der Industrie oder der<br />

Finanzwirtschaft erbitten, wir möchten vielmehr an das deutsche<br />

Volk den dringenden Notruf richten, das Werk Zeppelins nicht untergehen<br />

zu lassen.“ Die Zeppelin-Eckener-Spende war geboren.<br />

70 deutsche Berufsstände und Wirtschaftsverbände unterzeichneten<br />

den Aufruf.<br />

In der Folgezeit gründeten sich viele Landesausschüsse und lokale<br />

Komitees. Anstecknadeln und Sonderpostkarten unterstützten<br />

die Sammlungen. Das Konterfei von Hugo Eckener war allgegenwärtig.<br />

Im November 1925 besuchte der Vorreiter den Zirkus<br />

Busch und sprach vor 5000 Berliner Kindern. Auch die Jugend<br />

wollte der gebürtige <strong>Flensburg</strong>er für seine Pläne sensibilisieren.<br />

In seiner Heimatstadt nahmen die „<strong>Flensburg</strong>er Nachrichten“<br />

den Ball auf und eröffneten am 25. August 1925 ihre „Zeppelin-Eckener-Spende“.<br />

An den Kassen der <strong>Flensburg</strong>er Banken und<br />

Sparkassen lagen Zeichnungslisten aus. „Dr. Eckener gehört nicht<br />

nur der Stadt <strong>Flensburg</strong>, sondern seiner ganzen Heimat“, schrieb<br />

die Zeitung und warf 500 Mark in den Topf. Einige Banken, etliche<br />

Anwälte, die <strong>Flensburg</strong>er Brauereien oder die Papierfabrik Reisholz<br />

zogen nach. Spontane Sammlungen in der Diako oder im<br />

Alten Gymnasium summierten sich. Bis November waren in der<br />

64000-Einwohner-Stadt 8204 Mark aufgebracht. Viele Kommunalpolitiker<br />

sahen ebenfalls eine Beteiligung als Pflicht und bewilligten<br />

zusätzliche 1000 Mark. Allerdings nicht einstimmig: SPD<br />

und KPD stimmten dagegen.<br />

Auch andernorts hatte<br />

die Zeppelin-Eckener-Spende<br />

nicht nur<br />

Freunde. Einige Kritiker<br />

mokierten sich über<br />

die vermeintlich verschwenderische<br />

Geschäftsführung<br />

der Stiftungshauptstelle<br />

auf<br />

dem Kurfürstendamm<br />

in Berlin. Die Polarexpedition<br />

als 1928 erschienen Sonderbriefmarken.<br />

Deckmantel<br />

30 FLENSBURG JOURNAL • 06/<strong>2018</strong>

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