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Flensburg Journal Ausgabe 189 - Juni 2018

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Sein Leben, seine Zeppeline<br />

Mit einer Konfetti-Parade über den Broadway.<br />

Foto: Sammlung Uwe Eckener.<br />

Hugo Eckener saß im Wagen mit Grover Whalen, Leiter der Police Academy<br />

von New York.<br />

Foto: Sammlung Uwe Eckener<br />

das Fenster. Erst um 5 Uhr legte sich das Unwetter, drei Stunden<br />

später erhob sich der „Graf Zeppelin“. Am 11. Oktober 1928 nahm<br />

er Kurs auf den Atlantik und New York.<br />

Zunächst genossen die Passagiere, an hübsch gedeckten Kaffeetischchen<br />

sitzend, den Blick auf Schwarzwald, französische Alpen<br />

und Barcelona im Lichtermeer. Bald ärgerten sich weltweit viele<br />

<strong>Journal</strong>isten. Sie wollten groß über dieses globale Ereignis berichten<br />

– aber es fehlten die Informationen. Die Redaktion der „<strong>Flensburg</strong>er<br />

Nachrichten“ musste sich mit einem Nebentitel „Die Fahrt<br />

„Die Tücken des Meeres sind viel größer,<br />

als wir gedacht haben“<br />

über den Ozean“ begnügen und setzte darunter den Hinweis:<br />

„Spärliche Meldungen“. Rund 24 Stunden lang gab es keinen Kontakt<br />

mit dem Luftschiff. Pessimisten spekulierten über eine Havarie.<br />

Ganz so schlimm war es nicht: Allerdings stieß der „Graf Zeppelin“<br />

jenseits der Azoren mit 135 Stundenkilometern in eine schwarze<br />

Wolkenwand und geriet in Turbulenzen. Im Passagierbereich<br />

flogen Geschirr und Frühstück umher. Starkregen setzte ein. Eine<br />

Tuchbespannung der linken Stabilisierungsfläche platzte ab, ihre<br />

Fetzen drohten einzuklemmen. „Ausgerechnet in der Mitte des<br />

Ozeans, in der gottverlassensten Gegend 2000 Seemeilen zu jedem<br />

Land“, stöhnte Hugo Eckener, der sich insgesamt nur acht<br />

Stunden Schlaf gönnte. Sein Sohn Knut gehörte zu den Freiwilligen,<br />

die sich auf offener See auf das Luftschiff wagten. Alles ging gut:<br />

Niemand fiel herunter, der Schaden wurde provisorisch behoben.<br />

Am nächsten Tag mussten die Atlantik-Abenteurer bei den Bermudas<br />

eine weitere Böenfront meistern. Das Luftschiff tanzte und<br />

bockte. Als es überstanden war, nahm der „Graf Zeppelin“ Anlauf<br />

zur Triumphfahrt über der Ostküste Amerikas. Hugo Eckener baute<br />

einen prestigeträchtigen Umweg über Washington ein, ließ<br />

über dem Weißen Haus den Bug seines Vehikels kippen, um den<br />

FLENSBURG JOURNAL • 06/<strong>2018</strong><br />

US-Präsidenten Calvin Coolidge zu grüßen. Dieser war von seinem<br />

Schreibtisch ans Fenster geschritten, um die Überfahrt zu beobachten.<br />

Als die Dunkelheit hereingebrochen war, landete das Luftschiff<br />

nach einem bestandenen 112-Stunden-Trip in Lakehurst. Trotz der<br />

verspäteten Ankunft weilten noch 30.000 Menschen auf dem Gelände<br />

des Flugplatzes. Die insgesamt 250 Medienvertreter nahmen<br />

Hugo Eckener sofort ins Visier, löcherten ihn drei Stunden<br />

lang mit Fragen. Als sich der Trubel im Hangar etwas legte, begutachtete<br />

der Kommandant den vier Jahre alten ZR-3. „Da ist<br />

ja mein Liebling“, säuselte er und zog genüsslich an einer Zigarre.<br />

Das Programm der nächsten Tage kannte keine Pausen. Mit einem<br />

Extrazug ging es nach New York, mit einem Dampfer über<br />

den Hudson und schließlich über den Broadway zum Rathaus der<br />

Millionenstadt. Von den Wolkenkratzern regnete es Konfetti, die<br />

Menschenmassen standen Spalier. Hugo Eckener winkte immer<br />

wieder freundlich. Weiter ging es nach Washington zum Frühstück<br />

mit dem US-Präsidenten. Mehrere Banketts und Gespräche mit<br />

potenziellen Geldgebern folgten. Der Plan, mehrere Riesenluftschiffe<br />

zu bauen, erhielt Nahrung. Eine prestigeträchtige Luftreise<br />

in den Mittleren Westen musste allerdings abgesagt werden, da<br />

sich die Reparaturen an der Stabilisierungsfläche hinzogen.<br />

Am 29. Oktober 1928, zur frühen Morgenstunde, begann die<br />

Rückfahrt. Böen und Nebelfelder bereiteten über dem Ozean einige<br />

Sorgen. Der „Graf Zeppelin“ querte Eisberge und Schollen.<br />

Nach 72 Stunden war die Passage heil überstanden, Friedrichshafen<br />

wieder erreicht. „Welches war der schwierigste Teil Ihrer<br />

Fahrt?“, wollte ein <strong>Journal</strong>ist von Hugo Eckener wissen. Dieser<br />

schmunzelte inmitten der Menschenmenge: „Der Weg von der<br />

Luftschiffhalle bis zu meinem Arbeitszimmer im Werftgebäude.“<br />

Später notierte er: „Das, was wir auf der Rückfahrt erlebt haben,<br />

hat mir gezeigt, dass die Tücken des Meeres viel größer sind, als<br />

wir gedacht haben...“<br />

Fortsetzung folgt...<br />

Jan Kirschner<br />

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