Flensburg Journal Ausgabe 185 - Februar 2018
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Hugo Eckener:<br />
Folge 2: Psychologie, Nationalökonomie,<br />
<strong>Journal</strong>ismus – oder doch lieber Luftschiffe?<br />
Im Herbst 1888 reiste Hugo Eckener von <strong>Flensburg</strong> mit der Eisenbahn<br />
mehrere hundert Kilometer gen Süden, quer durch das<br />
deutsche Kaiserreich. Dabei passierte er Städte, von denen er bislang<br />
nur die Namen gehört hatte. Dann erreichte er München. An<br />
der Ludwig-Maximilian-Universität wollte der<br />
frischgebackene Abiturient studieren. Er war<br />
sich sehr unschlüssig. Im Sommer dachte er an<br />
eine medizinische Laufbahn, dann ließ er sich<br />
für „Neue Sprachen“ immatrikulieren, um nach<br />
nur einem Semester an die Philologische Fakultät<br />
zu wechseln.<br />
Hugo Eckener war nicht allein in Bayern eingetroffen.<br />
Sein Bruder Alex besuchte in München<br />
die Akademie der Bildenden Künste. Die beiden<br />
wohnten gemeinsam in der Türkenstraße,<br />
unweit von Universität und Pinakothek. Gemütlich<br />
war es nicht. Hugo Eckener schrieb an<br />
Doktorvater in Leipzig:<br />
der Psychologe Wilhelm Wundt.<br />
Foto: Sammlung Uwe Eckener<br />
seine Mutter: „Die Unbequemlichkeiten, bei<br />
dem man nach jedem Talglicht, jeder Steinkohle<br />
selbst laufen muss, zeigen uns deutlich,<br />
dass das Abitur den Schlussstein des besten,<br />
sorglosesten Lebensweges bildet.“ Bei einem<br />
Pfingstausflug nach Salzburg und zum Königsee lernte der spätere<br />
Luftschiff-Pionier die Aura der Berge kennen. Erholsame Wanderungen<br />
in den Alpen sollten ihn ein Leben lang begleiten.<br />
Nach nur einem Jahr brach er die Zelte in München ab. Das Interesse<br />
galt nun der Philosophie und Berlin. In der Hauptstadt landete<br />
der <strong>Flensburg</strong>er in der Mohrenstraße 37. Eine Adresse, die exakt<br />
100 Jahre später zum Schauplatz großer deutscher Geschichte<br />
werden sollte – als Standort des Internationalen Pressezentrums<br />
der DDR, in dem am 9. November 1989 neue Reiseregelungen verkündet<br />
wurden, die den „Mauerfall“ bedeuteten. Hugo Eckener<br />
schätzte ein Jahrhundert zuvor das Flair der Metropole. „Der ganze<br />
Vorteil von Berlin liegt doch nur zur Hälfte in Universität und Bibliothek;<br />
die andere Hälfte ungefähr bringt die lebendige Kunst.“<br />
Der 21-Jährige besuchte Theater und Konzerte und sang selbst im<br />
Chor der Hochschule.<br />
Nach einigen Monaten verlor das Neue seinen Reiz. „Wenn man<br />
in der Großstadt zwei Semester zubringt, ohne in Gesellschaftskreise<br />
oder gesellige, abgeschlossene Zirkel irgendwelcher Art<br />
eingetreten zu sein, so hat man alles kennengelernt, was einen<br />
erst fesselte“, schrieb Hugo Eckener im Januar 1891. Nun störte ihn<br />
die finanzielle Abhängigkeit von seiner Mutter und seinen Onkeln.<br />
Als sich im Winter die Lesesäle mit „Personen zweifelhafter wissenschaftlicher<br />
Bildung“ füllten, beschäftigte sich der Student mit Sozialdemokratie<br />
und Nationalökonomie. Sein Studium lenkte er auf<br />
eine neue Bahn: Ihn zog es nach Leipzig – zu Wilhelm Wundt, dem<br />
Begründer der Psychologie.<br />
Nach einer Nacht im Hotel hatte Hugo Eckener<br />
im April 1891 eine Bude in der Nürnberger Straße<br />
(„sauber und geradezu elegant möbliert“)<br />
bezogen. Ihm gefiel es in der stark wachsenden<br />
sächsischen Messestadt. Die Markthalle<br />
am Rossmarkt wurde eingeweiht, die neue<br />
Universitätsbibliothek („Bibliotheca Albertina“)<br />
war fast fertig. Für Wirbel sorgten die Maikundgebungen<br />
der SPD und der Gewerkschaften,<br />
die erst zum zweiten Mal stattfanden. Hugo<br />
Eckener kaufte sich derweil schwarzen Rock<br />
und Handschuhe – für eine Visite bei Wilhelm<br />
Wundt. Er war spät dran, musste den Professor<br />
überreden, um noch einen Platz im Seminar zu<br />
erhalten. Das Nordlicht wurde zum Stammgast<br />
am Institut für experimentelle Psychologie, das<br />
damals viele ausländische Studenten anzog.<br />
Die „Lehre von den Klangvorstellungen und Assoziationen“<br />
beeindruckte besonders.<br />
In den erhaltenen Briefen an seiner Mutter zeigte sich immer<br />
wieder, wie unentschlossen Hugo Eckener seine Zukunft plante.<br />
Einmal hieß es: „Ich kann Schuster werden, Zeitungsschreiber, Afrikabummler,<br />
was ich will – aber ich kann hinterher immer noch<br />
meinen Privatdozenten machen, ohne weiteres akademisches<br />
Studium.“ Immerhin hatte er nun ein erstes Etappenziel vor Augen.<br />
Er verbrachte viel Zeit im Institut, die Dissertation mit dem Titel<br />
„Neue Untersuchungen über die sogenannten Aufmerksamkeitsschwankungen“<br />
nahm Formen an. Am 4. Juni 1892 gab der Doktoranwärter<br />
seine Arbeit ab und erhielt einige Wochen später die<br />
Note „magna cum lauda“. Für die Promotion musste Hugo Eckener<br />
für seine Nebenfächer Geschichte und Nationalökonomie<br />
pauken und hatte schließlich am 18. Juli 1892 die Prüfungen bestanden.<br />
Ihm lag ein Angebot von der Universität im kanadischen<br />
Toronto vor, doch er lehnte ab. Offenbar wollte der junge Doktor<br />
der Philosophie sich nicht weiter mit der Experimentalpsychologie<br />
beschäftigen.<br />
Er kehrte zunächst nach <strong>Flensburg</strong> zurück, erfüllte im Füsilier-Infanterie-Regiment<br />
86 seine Wehrpflicht und absolvierte auch zwei<br />
zusätzliche Waffenübungen, um für eine mögliche Habilitation<br />
in der Nationalökonomie oder einen Lehrer-Job im Ausland den<br />
30 FLENSBURG JOURNAL • 02/<strong>2018</strong>