MEDIAkompakt Ausgabe 35

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mediakompakt
Verloren im eigenen Geist
Bild: Privat
Unruhe. Vergesslichkeit.
Gereiztheit. Das sind nur
wenige der vielen Symptome,
die Klara Wahl jahrelang
begleiteten, bis endlich die
entscheidende Diagnose
kommt: Demenz.
VON AMELIE OSTWALD
Ein langer Holztisch steht in einem
warmen Wohnzimmer. Links davon
befindet sich ein großes U-förmiges
Sofa in einem schönen Grauton.
Darauf hellblaue Kissen – passend zu
den Stühlen, die um den Tisch verteilt stehen. Dahinter
eine deckenhohe Wohnwand mit einem
Fernseher und persönlichen Bildern. Der Duft von
Kaffee steigt in die Nase, umhüllt von frisch gebackenen
Petit Fours. Daniela Wahl stellt ein Glas
Wasser ab, während sich Klara Wahl einen
Schluck Milch in den Kaffee schüttet. Klara Wahl,
Rentnerin, 77 Jahre, 1946 geboren und Mutter
von vier Kindern. Ein Strahlen ist in ihrem
Gesicht, denn sie erzählt gerne. Schon immer – sei
es über ihr traumhaftes, altes Leben auf der
Kuchalb oder über ihre herzliche Familie. Teller
und Besteck klirren laut. Kurz darauf wird duftendes
Gebäck an alle verteilt.
Die Wäschenbeurerin schwelgt in Erinnerungen
als sie beginnt von ihrem früheren Leben zu
erzählen. Wenn die 77-Jährige über ihr vergangenes
Leben spricht, wirkt sie selbstsicher und lässt
sich ihre Krankheit nicht anmerken. Sie ging wie
alle Kinder zur Schule und machte einen Ab-
schluss. Durch die chronische Gelenkrheumatitis
der Mutter, musste sie ihre Lehre als Hauswirtschafterin
nach kurzer Zeit abbrechen. Anstelle zu
erlernen, wie man hauswirtschaftet und Personen
richtig betreut, pflegt sie ihre Mutter und kümmert
sich mit ihren Brüdern um den Familienhof.
Wenig später lernt sie dort ihren zukünftigen
Mann kennen. Ein neuer Hof. Vier Kinder. „Sie
hat es geliebt, jeden Tag frisch für die Familie zu
kochen und sich um alles zu kümmern“, erzählt
ihre jüngste Tochter Carola Wahl mit einem
breiten Schmunzeln.
Klara Wahl erinnert sich an einen Sommer
zurück. An eine Sehminderung. Ein unscharfes
Sehen – eine Thrombose im Auge. Nachdem sie
im Winter genesen war, kehrt die Thrombose im
Sommer wieder zurück. Ein weiterer Tiefpunkt in
ihrem Leben, so erzählt die Seniorin, war der Tod
ihres geliebten Mannes und Papa ihrer Kinder.
Die Last der Verantwortung schien übermächtig
und Entscheidungen nicht treffbar. Seit diesem
Zeitpunkt muss Klara Wahl alleine wohnen.
Glücklicherweise leben über ihr ihr Sohn Josef,
seine Frau Daniela und die vier Kinder. Carola
Wahl schildert eine prägende Zeit ihrer Mutter,
die eine vorerst unerklärliche Transformation
durchlaufen musste. Termine wurden vergessen,
Schübe von Gereiztheit sind aufgetreten, begleitet
von innerer Unruhe. Auch das Gefühl, nicht mehr
zu Hause zu sein, drängt die Hausfrau zu unzähligen
Arztbesuchen. Richtige Befunde kommen dabei
allerdings nicht heraus. „Altersdepression“
heißt es. Der Stress soll reduziert und der Alltag
umgeordnet werden. 2018 endlich die entscheidende
Diagnose: Alzheimer-Demenz. Für die Angehörigen
keine Überraschung.
Laut der Alzheimer Forschung Initiative e.V.
sind bei einer Alzheimer-Demenz zunächst die Synapsen
betroffen. Dadurch können Neuronen
nicht mehr richtig miteinander kommunizieren.
Das führt zu Störungen, da Informationen nicht
verarbeitet werden können. So sterben im Verlauf
der Krankheit ganze Nervenzellen ab, die zu einem
Abbau der Fähigkeiten führen. Der Nervenzellenverlust
ist ein typisches Symptom der Alzheimer-Krankheit.
Bild: Privat