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MEDIAkompakt Ausgabe 35

Die Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien Stuttgart - www.mediapublishing.org Das Zeitungsprojekt im 7.Semester Mediapublishing beinhaltet alle Aufgaben einer Zeitungsredaktion: vom Recherchieren, Interviews führen, Artikel verfassen, Bildmotive selektieren und natürlich dem Akquirieren von Anzeigenkunden ist alles dabei.

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Bild: playground.com<br />

18 SUCHE<br />

mediakompakt<br />

So gut man‘s auch meint<br />

Mit 21 Jahren bekam Mia * die<br />

Diagnose Borderline-Persönlichkeitsstörung.<br />

Im Alltag stößt<br />

sie auf viele Vorurteile: Oft hört<br />

sie Sätze wie „Stell dich nicht<br />

so an“ oder „Es gibt so viele,<br />

denen geht es schlechter als<br />

dir.“ Doch ihr Alltag ist geprägt<br />

von Erschöpfung und Ängsten.<br />

VON JULIA ZANDER<br />

Mia hat sich schon als Kind nicht<br />

zugehörig gefühlt, wird gemobbt<br />

und ausgegrenzt. Sie hat versucht<br />

ihre Probleme zu verstecken und<br />

gehofft, dass niemand ihre Essstörung,<br />

Ängste, Zwänge, Albträume und Narben<br />

bemerkt. Im Alter von 14 Jahren, ist der Druck so<br />

groß, dass sie bei ihren Eltern Hilfe sucht. Mit 15<br />

begibt sie sich das erste Mal in Therapie. „Geheilt“<br />

wird sie dadurch nicht. Nach ihrem Abitur will sie<br />

ihrem Leben ein Ende setzen. Der Versuch scheitert.<br />

Ein Studium soll ihr Neuanfang sein. Einfach<br />

an einem neuen Ort, wo sie keiner kennt, nochmal<br />

beginnen. Doch auch das ist keine Lösung.<br />

Die heute 25-Jährige bricht ihr Studium ab. Im selben<br />

Jahr hat sie ihren zweiten psychischen Zu-<br />

sammenbruch und wird in die Psychiatrie eingewiesen.<br />

Dort bekommt sie die Diagnose: Borderline-Persönlichkeitsstörung.<br />

Die Menschen in ihrer<br />

Umgebung zeigen wenig Verständnis für ihre Situation.<br />

Was nicht messbar ist, nehmen nach Mias<br />

Erfahrung viele nicht ernst. Sie vergleicht das<br />

gerne mit dem Glauben an Gott: „Es ist, als würde<br />

man versuchen Atheisten von Gott zu überzeugen.<br />

Akzeptieren können sie, verstehen nicht. Die<br />

meisten denken eh nur, man bildet sich das<br />

Ganze ein.“ In ihrem Leben macht sie viele<br />

schlechte Erfahrungen und steht vielen Vorurteilen<br />

gegenüber. Ein halbes Jahr nachdem sie aus<br />

der Psychiatrie entlassen wird, vermittelt das Arbeitsamt<br />

ihr eine Stelle als Aushilfe in einem Büro.<br />

Dort bleibt sie ein Jahr. Als sie wieder in eine Klinik<br />

eingewiesen wird, bittet ihr Arbeitgeber sie zu<br />

kündigen. Er meint, jemand in ihrem Zustand sei<br />

zu unzuverlässig und viele Kollegen würden sich<br />

in ihrer Anwesenheit unwohl fühlen. Seitdem hat<br />

sie keinen Job mehr gehabt.<br />

Mit der Zeit verliert Mia alle sozialen Kontakte<br />

außerhalb ihrer Familie. Viele distanzieren sich,<br />

weil ihre Probleme zu viel für sie sind. Heute er-<br />

zählt sie niemandem von ihrer Störung. Sie hat<br />

Angst, wieder auf Mitleid oder Ausgrenzung zu<br />

stoßen. Öffentlich fühlt sie sich schlecht repräsentiert.<br />

Mia schaut keine Filme mehr über Borderliner<br />

an, weil sie dabei so wütend wird. „Würde<br />

es nach denen gehen wären wir mit 30 im Gefängnis<br />

oder tot. Unser ganzes Leben versuchen wir<br />

zurecht zu kommen, aber was sieht man? Serienmörder<br />

und Teenager, die Tabletten exen!“<br />

Für die Störung gibt es keine Behandlung, die<br />

Erfolg garantiert. Therapie und Medikamente geben<br />

eine gute Basis. Für Mia muss die Stärke aber<br />

vor allem von den Betroffenen selbst kommen.<br />

„Es ist alles eine Frage des Willens. Wer keinen<br />

Willen mehr hat zu leben und sich zu ändern, der<br />

wird sterben, egal wie sehr die Welt um ihn herum<br />

sich anpasst.“ Zu der Frage, was man in der Gesellschaft<br />

tun muss, um Diskriminierung von psychischen<br />

Erkrankungen zu reduzieren, sagt Mia:<br />

„Entscheidet man für andere, wie sie sind, was sie<br />

fühlen und was sie brauchen, ist das auch Diskriminierung.<br />

So gut man’s auch meint.“<br />

*Name von der Redaktion geändert<br />

Expertenrat<br />

Marie Wollmer ist Psychotherapeutin und<br />

hat einige Patient:innen mit Borderline-<br />

Persönlichkeitsstörung behandelt.<br />

Sie beschreibt, dass die Störung durch intensive<br />

Gefühls- und Stimmungsschwankungen<br />

sowie instabile Beziehungen und Impulsivität<br />

gekennzeichnet ist. Betroffene<br />

leiden unter innerer Anspannung, gestörtem<br />

Selbstbild und sozialen Ängsten. Die<br />

Symptome umfassen intensive negative Gefühle,<br />

Schwierigkeiten in sozialen Beziehungen,<br />

Identitätsprobleme und selbstdestruktives<br />

bis suizidales Verhalten.<br />

Die Behandlung basiere auf Psychotherapie,<br />

wobei die Dialektisch-Behaviorale Therapie<br />

(DBT) besonders effektiv sei. Im Alltag haben<br />

Betroffene mit Stigmatisierung, Leistungseinschränkungen<br />

und möglichen<br />

Konflikten am Arbeitsplatz zu kämpfen.<br />

Maßnahmen zur Schaffung eines diskriminierungsfreien<br />

Arbeitsumfelds umfassen<br />

Aufklärung über psychische Krankheitsbilder,<br />

eine realistische Gestaltung des Arbeitspensums,<br />

Arbeitsplatzsicherheit und die<br />

Einführung anonymer, psychologischer Beratung<br />

in Unternehmen.

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