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MEDIAkompakt Ausgabe 35

Die Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien Stuttgart - www.mediapublishing.org Das Zeitungsprojekt im 7.Semester Mediapublishing beinhaltet alle Aufgaben einer Zeitungsredaktion: vom Recherchieren, Interviews führen, Artikel verfassen, Bildmotive selektieren und natürlich dem Akquirieren von Anzeigenkunden ist alles dabei.

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20 SUCHE<br />

mediakompakt<br />

Die unsichtbare Last<br />

Jenny in Paris, Jan beim Bouldern und Anna bruncht auf Instagram. Wenn der eigene Tag nur aus<br />

Büffeln und Uni-Abgaben besteht, passiert schnell eines: #FOMO.<br />

VON SILVIA VANGELOVA<br />

In der sich ständig weiterentwickelnden<br />

Landschaft der sozialen Medien ist die Fear<br />

of Missing Out (auf Deutsch: Angst, etwas zu<br />

verpassen) zu einem allgegenwärtigen und<br />

komplexen psychologischen Phänomen geworden.<br />

Laut einer 2021 im World Journal of Clinical<br />

Cases veröffentlichten Studie, die sich mit<br />

dem Ursprung dieser Angst und ihrer Verbindung<br />

zur psychischen Gesundheit befasst, tritt das Phänomen<br />

in einem zweistufigen Prozess auf: Die<br />

Wahrnehmung, etwas zu verpassen, gefolgt von<br />

zwanghaftem Verhalten zur Aufrechterhaltung<br />

sozialer Beziehungen.<br />

Ein Forscherteam der Carleton University in<br />

Kanada hat 2018 in einer Längsschnittstudie anhand<br />

von nächtlichen Tagebüchern die nachteiligen<br />

Folgen von Fear of Missing Out aufgezeigt, die<br />

von erhöhtem negativen Affekt und Müdigkeit<br />

bis hin zu beeinträchtigtem Schlaf und Arbeitsproduktivität<br />

reichen. Diese Ergebnisse unterstreichen<br />

das komplexe Zusammenspiel zwischen<br />

dem tiefen menschlichen Wunsch nach Zugehörigkeit<br />

und den schädlichen Folgen pathologischer<br />

Angst.<br />

Diyana Stoeva, Psychologiestudentin im<br />

neunten Semester beleuchtet die Auswirkungen<br />

dieser zwanghaften Besorgnis auf die psychische<br />

Gesundheit. Aus ihrer Erfahrung in einer Psychiatrie<br />

in Sofia, Bulgarien, warnt die 23-Jährige vor<br />

unbehandelten Sorgen und Ängsten, die langfristig<br />

zu schweren psychischen Problemen eskalie-<br />

ren können. Sie betont: „Sich anhaltende negative<br />

Emotionen können sich aber auch subtil als<br />

wirkungsvolle Veränderungen persönlicher Eigenschaften<br />

manifestieren. Das könnte eine erhöhte<br />

Reaktivität oder die Entwicklung von sozialen<br />

Ängsten sein. Diese wirken sich dann auf Beziehungen<br />

und die allgemeine Lebensqualität<br />

aus.“<br />

Zum Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen<br />

und der Angst, etwas zu verpassen,<br />

weist Stoeva darauf hin, dass zwar jeder unabhängig<br />

von seinem Persönlichkeitstyp von diesem<br />

Zustand betroffen sein kann, die Ausprägung<br />

jedoch je nach den individuellen Bewältigungsmechanismen<br />

variieren kann.<br />

Die Psychologiestudentin plädiert dafür, die<br />

eigenen Gefühle zu respektieren und der Selbstfürsorge<br />

Vorrang einzuräumen, um sich vor den<br />

negativen Auswirkungen der Angst zu schützen:<br />

„Vernachlässige deine Bedürfnisse nicht. Sei dir<br />

bewusst, dass du sie fühlst. Wenn du Fear of Missing<br />

Out erlebst, dann hast du ein Bedürfnis, das<br />

erfüllt werden muss.“ Stoeva ermutigt Betroffene,<br />

zu reflektieren: „Welches grundlegende Bedürfnis<br />

vernachlässige ich derzeit?“ und unterstreicht die<br />

Bedeutung entsprechender Handlungen.<br />

Als Reaktion auf die schnelllebige und hypervernetzte<br />

Welt, die Fear of Missing Out häufig auslöst,<br />

haben sich die Bewegungen Slow Living und<br />

Joy of Missing Out (auf Deutsch: die Freude daran,<br />

etwas zu verpassen) als Gegengewicht entwickelt.<br />

In ihrem Buch „Slow Living“ (2006) definieren<br />

Wendy Parkins und Geoffrey Craig den Begriff<br />

Slow Living als eine Reihe von Handlungen, bei<br />

denen man sich der Zeit, die man für die täglichen<br />

Aktivitäten aufwendet, voll bewusst ist. Das Konzept<br />

der Entschleunigung zielt darauf ab, die Lebensqualität<br />

des Einzelnen, der Gemeinschaft<br />

und der Umwelt durch einen achtsamen Lebensstil<br />

zu verbessern.<br />

Andererseits vertritt Joy of Missing Out laut<br />

Stangl, dem online Lexikon für Psychologie und<br />

Pädagogik, die Idee, dass es Freude macht, sich<br />

von bestimmten Aktivitäten und sozialen Ereignissen<br />

zurückzuziehen. Beide Bewegungen ziehen<br />

Qualität der Quantität vor und fördern ein Gefühl<br />

der Zufriedenheit und Erfüllung inmitten der<br />

heutigen schnelllebigen Kultur.<br />

Eine wichtige Erkenntnis aus der vorhandenen<br />

Literatur über die Angst, etwas zu verpassen,<br />

ist, dass ein achtsamer Lebensstil der Schlüssel ist,<br />

um den Zustand im Keim zu ersticken. Des Weiteren<br />

betont die Psychologiestudentin Diyana Stoeva,<br />

wie wichtig es ist, der Selbstfürsorge Priorität<br />

einzuräumen. Sie rät, „Man sollte einen ausgewogenen<br />

Ansatz finden. Auf angstbedingte Bedürfnisse<br />

sollte angemessen und nicht blindlings eingegangen<br />

werden.“<br />

Zwei inspirierende Modelle, die sich zu sozialen<br />

Bewegungen für ein erfüllteres Leben in einer<br />

hektischen Welt entwickelt haben, sind Slow Living<br />

und Joy of Missing Out.<br />

Bild: Unsplash/ Sigmund

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