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MEDIAkompakt Ausgabe 35

Die Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien Stuttgart - www.mediapublishing.org Das Zeitungsprojekt im 7.Semester Mediapublishing beinhaltet alle Aufgaben einer Zeitungsredaktion: vom Recherchieren, Interviews führen, Artikel verfassen, Bildmotive selektieren und natürlich dem Akquirieren von Anzeigenkunden ist alles dabei.

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01/ 2024<br />

SUCHE<br />

21<br />

Einen von den leiblichen Eltern<br />

ausgesetzten Säugling aufnehmen:<br />

Eine mutige Aufgabe, der<br />

sich Florian* und seine Frau<br />

Marie* annehmen. Eine Tortur<br />

gerichtlicher Verfahren beginnt<br />

und endet mit einer tragischen<br />

Entscheidung.<br />

VON LISA KÄSTNER<br />

Ist Blut wirklich<br />

dicker als Wasser?<br />

Florian hält ein wenige Tage altes Kind<br />

in den Armen, seine Frau steht neben<br />

ihm. Beide schauen dem Knirps in das<br />

rundliche Gesicht. Er schläft und alles<br />

wirkt dabei ganz friedlich. Die Gedanken<br />

von Florian sind aber alles andere als ruhig.<br />

Sie kreisen und überschlagen sich: Wer sind die<br />

leiblichen Eltern? Wieso setzt man ein Säugling<br />

alleine aus? Können wir dem Findelkind eine gute<br />

Zukunft bieten? Fragen über Fragen und leibliche<br />

Eltern, die aus Überforderung gehandelt und damit<br />

einem Neugeborenen einen erschwerten Einstieg<br />

ins Leben beschert haben. Ab diesem Moment<br />

beginnt die Suche nach einem passenden<br />

Zuhause für das Kind.<br />

Florian und Marie ist es nicht möglich auf natürlichem<br />

Weg Kinder zu bekommen, aber sie<br />

sind davon überzeugt: „Wir können so viel bieten.<br />

Es wäre einfach super schade, wenn niemand davon<br />

profitiert.“ Aus diesem Grund haben sie den<br />

Entschluss gefasst, sich als Adoptiveltern zu registrieren.<br />

Dieser Adoptivfall jedoch ist einzigartig:<br />

Es ist sehr unüblich, dass ein Neugeborenes gefunden<br />

wird, ohne, dass die leibliche Eltern bekannt<br />

sind. Nachdem sich die Eltern des Kindes nach ein<br />

paar Wochen dann doch gemeldet haben, ging<br />

der Fall vor Gericht. Das Aussetzen des Säuglings<br />

war eine Straftat und deshalb blieb das Kind vorerst<br />

bei den Pflegeeltern Florian und Marie. Ganze<br />

20 Monate haben sie sich um das Findelkind<br />

gekümmert, bis das Gericht entschieden hat, dass<br />

das Kind wieder zu seinen leiblichen Eltern zurückkehrt.<br />

Die Undankbarkeit gegenüber den Adoptiveltern<br />

sei groß gewesen. Sie sind den leiblichen Eltern<br />

oft entgegengekommen und haben dabei ihre<br />

persönlichen Grenzen verschoben. Doch dann<br />

wurde ihnen, das von ihnen mit Liebe und Geborgenheit<br />

aufgezogene Kind, entrissen. Florian ist<br />

enttäuscht: „Die Schwere des Falles wurde als viel<br />

zu große Lappalie abgetan und das können wir<br />

nicht nachvollziehen. Vom Prinzip her ist es<br />

INFO<br />

nicht schlecht, dass die leiblichen Eltern eine höhere<br />

Gewinnchance in Adoptivfällen haben, aber<br />

es muss Ausnahmen geben und die müssen erkannt<br />

werden.“ Wenn, wie in einem solchen Fall<br />

ein Kind gefunden wird, entscheidet das Jugendamt,<br />

welche Adoptiveltern am besten zu dem Pflegekind<br />

passen. Florian erzählt: „Bei der Registrierung<br />

muss man komplett blank ziehen. Die wissen<br />

alles über dich.“ Jede noch so private Informationen<br />

muss preisgegeben werden, damit das Jugendamt<br />

für das Kind die richtige Entscheidung<br />

treffen kann. Warum genau sie für das ausgesetzte<br />

Neugeborene ausgesucht wurden, kam zu einem<br />

späteren Zeitpunkt zur Sprache: Sie wirkten als<br />

Elke Mutz hat jahrelang bei einem Jugendamt in Baden-Württemberg gearbeitet und berichtet:<br />

Leibliche Eltern stehen unter besonderem Schutz des Staates. Für Pflegeeltern ist es deshalb<br />

schwierig einen Adoptiv-Fall für sich zu gewinnen. Die richtige Familie für ein Kind zu bestimmen<br />

ist immer schwierig. Am Ende sind es immer Menschen, die diese Entscheidungen treffen. Mitarbeitende<br />

des Jugendamtes, die auch Fehler machen und nicht jeden Aspekt überprüfen können.<br />

Bild: Privat<br />

Paar sehr widerstandsfähig. Das Jugendamt ist dazu<br />

verpflichtet zu kommunizieren, was passieren<br />

kann, falls sich die leiblichen Eltern melden. Florian<br />

berichtet genervt: „Von unserem Jugendamt<br />

wurde es nur so grob kommuniziert und am Ende<br />

war uns nicht bewusst, welcher Rattenschwanz an<br />

so einem Adoptionsfall dran hängen kann.“<br />

Auf die Frage hin, ob sie sich vorstellen können,<br />

noch mal als Pflegeeltern zu agieren, entsteht<br />

eine lange Pause. Florian überlegt. Er erzählt,<br />

dass sie vor zwei Monaten von der Adoptivelternschaft<br />

zur Pflegeelternschaft gewechselt sind.<br />

Freund:innen und Verwandte sind teilweise erstaunt<br />

gewesen, dass sie nach all dem, was sie<br />

durchgemacht haben, immer noch ein Kind aufnehmen<br />

wollen. Florian berichtet auch, dass sie<br />

aus Unzufriedenheit das Jugendamt gewechselt<br />

haben. Bei dem neuen Jugendamt fühlen sie sich<br />

verstanden. Sie haben mittlerweile so viel erlebt,<br />

dass sie wissen, was auf sie zukommen kann.<br />

Florian und Marie wollen sich nicht entmutigen<br />

lassen: „Das, was wir Kindern geben wollen,<br />

denen es schlecht geht, wiegt immer noch mehr<br />

als die Bürde, die uns auferlegt wurde.“

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