prima! Magazin – Ausgabe April 2024
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KOMMENTAR<br />
Fotos © Silvia Strauch<br />
Bilder kompletter Kahlschläge. Ein Bild der Verwüstung in Unterschützen. Solche Eingriffe bringen das Ökosystem durcheinander.<br />
Menschen, die an Bäumen hängen<br />
Die Kahlschläge entlang der Bäche in einigen Gemeinden des Südburgenlandes haben in den letzten<br />
Wochen ein Bild der Verwüstung hinterlassen. Die massiven Eingriffe in die Natur haben auch einen Aufschrei<br />
in der Bevölkerung ausgelöst und hoffentlich Konsequenzen für die Verantwortlichen.<br />
Ein Kommentar von Alice Siebenbrunner, Obfrau vom Tierschutzverein „Wir fürs Tier“<br />
Jung, idealistisch, lange Haare, Öko-Klamotten <strong>–</strong> die Menschen,<br />
die sich an Bäume ketten, um zu verhindern, dass sie abgeholzt<br />
werden. Die Mahnwachen abhalten, um sie zu betrauern. Die sich<br />
versammeln, um ihren Unmut über die Zerstörung der Natur<br />
kundzutun. Etwas belächelt vom Rest der Bevölkerung. Nicht<br />
ernst genommen also.<br />
Nun, so ein oder ein ähnliches Bild muss wohl den Entscheidungsträgern<br />
durch den Kopf gegangen sein, die die umfassenden<br />
Schlägerungen der vergangenen Wochen entlang vieler Bäche in<br />
südburgenländischen Gemeinden geplant und durchgeführt<br />
haben. Abholzungen, man kann sagen Kahlschlagungen, die zum<br />
allergrößten Teil ohne vorherige Absprache mit Fachleuten,<br />
Umweltgemeinderäten und/oder Naturschutzorganen durchgeführt<br />
wurden. Der Holzpreis ist hoch und wen interessieren schon<br />
ein paar Bäume neben einem Bach. So kann man sich die Gedankengänge<br />
wohl zusammenreimen.<br />
Na ja, sagen wir es mal so. Der Aufschrei war nicht klein, und auch<br />
nicht leise. Die Leute, die da schreien sind Mütter, Väter, Omas und<br />
Opas, Unternehmer, Lehrer, Wissenschaftler, Ärzte; Menschen<br />
aller sozialer Schichten und aller politischen Richtungen. Denn<br />
mittlerweile hat ein großer Teil der Bevölkerung ein Bewusstsein<br />
für die Natur und die Notwendigkeit, sie zu schützen.<br />
Auch die Tierschützer sollten aufschreien<br />
In meiner Ausbildung zum Naturschutzorgan wurde mir gesagt,<br />
im Tierschutz ginge es um Individuen, beim Naturschutz um<br />
Art- und Lebensraumerhalt. Das seien zwei völlig verschiedene<br />
Bereiche. Ich sehe das anders. Der halbverhungerte Igel, den ich<br />
aufpäpple, ist die Spitze des Eisbergs. Es ist meine Aufgabe als<br />
Tierschützerin aufzuzeigen, warum das passiert und was wir<br />
dagegen tun können. Tierschutz muss also auch immer Lebensraumschutz<br />
und die Bewahrung der Artenvielfalt zum Ziel haben.<br />
Warum jetzt?<br />
In mehreren Gemeinden des Südburgenlandes wurden entlang<br />
einiger Bäche radikal Gehölze entfernt. Klingt nicht so dramatisch,<br />
Bäume stehen überall. Nunja, so stimmt das eben nicht. Die<br />
Vegetation entlang der Bachläufe ist ein wertvoller Bereich, der<br />
verschiedene Lebensräume miteinander verbindet. Er ist oftmals<br />
Rückzugsort für viele Lebewesen und damit essenziell zur<br />
Erhaltung der Artenvielfalt.<br />
Gleichzeitig kommt ihr aber noch eine andere wichtige Funktion<br />
zu: als Schattenspender. Wasser ist ein überaus sensibles Ökosystem.<br />
Die durch den Klimawandel hervorgerufene Erwärmung der<br />
Gewässer bringt große Probleme für alle Wasserlebewesen mit<br />
sich. Die Bepflanzung gerade direkt an den Uferkanten hat also<br />
eine wichtige Funktion, um die Wassertemperatur kühl zu halten.<br />
Es ist ganz klar notwendig, diese Bereiche zu pflegen und Pflegemaßnahmen<br />
durchzuführen; doch was da in den letzten Wochen<br />
passiert ist, war alles andere als sinnvoll. Es waren nichts anderes<br />
als Kahlschlägerungen, die man nun schwindelig mit Mistelbefall<br />
und Gefahr im Verzug zu begründen versucht. Diese Handlungen<br />
waren oftmals nicht einmal entsprechend der Landesrichtlinie<br />
zur Pflege von Ufergehölzen, weshalb auch in mehreren Fällen<br />
Anzeige erstattet wurde.<br />
Es geht um die Zukunft<br />
Traurig, wie gering offenbar der Wert dieses Ökosystems<br />
gehalten wird. Eine Vielzahl von Insekten, Wasserlebewesen und<br />
Vögel sind darauf angewiesen. Lebensraum ist knapp. Und da ist<br />
die Aussicht auf ein paar billige Hackschnitzel es offenbar wert,<br />
16 APRIL <strong>2024</strong><br />
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