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Jugendliche Alltagsgestaltung und Identitätsbildung mit ... - KOBRA

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2 Perspektive <strong>und</strong> Fokus - Literaturbericht <strong>und</strong> wissenschaftlicher Bezugsrahmen<br />

begegnet dieser Kritik u.a. <strong>mit</strong> der Integration von Ansätzen qualitativer Medienforschung, etwa <strong>mit</strong> der<br />

Berücksichtigung der Erfahrungen, wie Rezipienten ihre medialen Erfahrungen reflektieren oder welche<br />

Interdependenzen in den Strukturen objektiver Mediennutzung <strong>und</strong> individueller Medienrezeption zu erkennen<br />

sind <strong>und</strong> wie diese zu interpretieren sind.<br />

Vereinzelt geht auch heute noch die Medienrezeptionsforschung von einem auch in der öffentlichen Meinung<br />

verbreiteten linearen kausalen Wirkungszusammenhang aus 7 , doch kann dieser Ansatz gr<strong>und</strong>sätzlich als<br />

überw<strong>und</strong>en gelten. 8 Für diese Untersuchung von besonderer Bedeutung ist das Konzept der<br />

strukturanalytischen Medienrezeptionsforschung <strong>mit</strong> seiner Orientierung am interaktionistischen Paradigma.<br />

Demnach benutzen <strong>Jugendliche</strong> Fantasy-Rollenspiele<br />

22<br />

"[...] a) in Abhängigkeit von ihren kognitiven Fähigkeiten <strong>und</strong> im Zuge der Entwicklung ihrer<br />

Sachkompetenz, b) im Kontext ihrer sozialen Fähigkeiten <strong>und</strong> als Mittel der Entwicklung befriedigender<br />

Sozialbeziehungen <strong>und</strong> c) im Zusammenhang <strong>mit</strong> ihren entwicklungsbedingten Affekten <strong>und</strong> Ich-<br />

Leistungen, wobei die Ich-Struktur zugleich als Bedingung <strong>und</strong> als Entwicklungsziel der Medienrezeption<br />

angesehen wird." 9<br />

Die Medienrezeption der <strong>Jugendliche</strong>n basiert demnach auf individuellen wie ontogenetischen<br />

handlungsleitenden Themen, die auf eine Tiefenstruktur dieses Prozesses hinweisen. 10 Dieser Ansatz geht da<strong>mit</strong><br />

von einer konstitutiven bzw. konstruktiven Leistung des Rezipienten aus, bei der die Wahrnehmung von<br />

Wirklichkeit semiotisch beschrieben wird als ein Prozess des Decoding <strong>und</strong> der Intertextualität,<br />

systemtheoretisch bzw. radikalkonstruktivistisch als Kommunikatbildung <strong>und</strong> Interaktion von Kommunikaten. 11<br />

State of the Art: International<br />

Im Zuge der Cultural Studies wurden Fantasy-Rollenspieler in den USA schon relativ früh als eine jugendliche<br />

bzw. erwachsene Subkultur erkannt <strong>und</strong> beschrieben. 12 In den USA war die anfängliche öffentliche Diskussion<br />

der Fantasy-Rollenspiel-Nutzung durch Kinder <strong>und</strong> <strong>Jugendliche</strong> durch den Fall James Dulles Egbert 13 geprägt,<br />

wobei insbesondere eine mögliche Suizidgefährdung im Mittelpunkt der Betrachtungen stand. Sehr rasch<br />

verlagerte sich dann die Kritik auf den Vorwurf, Fantasy-Rollenspiele förderten Okkultismus <strong>und</strong> Satanismus. 14<br />

Weniger deutlich formuliert, aber latent wurden den Spielen weiter Gewaltförderung, die Verbreitung einer<br />

fragwürdigen Ethik <strong>und</strong> ihre obsessive Nutzung angelastet. Mitte der 80er Jahre kam es in den USA zwar<br />

nochmals zu einer erneuten Diskussion einer potentiellen Suizidgefährdung, doch setzt sich ab diesem Zeitpunkt<br />

ein objektiv orientierter wissenschaftlicher Diskurs des Themas Fantasy-Rollenspiele durch. Die Kritik von<br />

christlich f<strong>und</strong>amentalistischen Gruppen <strong>und</strong> Sekten blieb allerdings weiter mehr oder minder latent bestehen,<br />

wobei eine Verlagerung der Vorwürfe weg von Satanismus/ Okkultismus auf Gewaltförderung <strong>und</strong><br />

Kriminalisierung hin zu beobachten war. Infolge der immer wieder sich ereignenden Schulmassaker 15 fanden sie<br />

stets erneute mediale Beachtung <strong>und</strong> Verbreitung. Nach einer Phase einer doch sehr ambivalenten Beurteilung<br />

der Spiele auch in der Forschung 16 werden sie heute von der Forschung gr<strong>und</strong>sätzlich als konstruktiv betrachtet. 17<br />

Da<strong>mit</strong> rücken u.a. auch die soziotherapeutischen Potentiale stärker in die Betrachtung. 18 Aktuell ist allerdings im<br />

Zusammenhang <strong>mit</strong> der Diskussion um die Gewaltdimension von Computer- <strong>und</strong> Konsolenspielen erneut auch<br />

7<br />

GLOGAUER 1994<br />

8<br />

Vgl. die Berichterstattung über das Schulmassaker von Erfurt <strong>und</strong> die folgende Diskussion um Wirkungszusammenhänge <strong>und</strong> eine Ausweitung bzw.<br />

Verschärfung der Kriterien der B<strong>und</strong>esprüfstelle für jugendgefährdende Medien, TOBRAK 2003; Pressemeldung GMK 31; SCHADT/ BEULICH 2003<br />

9<br />

CHARLTON/ NEUMANN 1990, 46<br />

10<br />

BACHMAIR 1993<br />

11<br />

SCHMIDT 1971; 1996a, 130-132; 136-138; 277; SCMIDT 1996b<br />

12<br />

FINE 1981, 1983, 1984<br />

13<br />

James Dallas Egbert III verschwand unter zunächst mysteriösen Umständen, die einen durch Fantasy-Rollenspiele ausgelösten Suizid vermuten<br />

ließen. Der Fall fand großes Interesse bei den Medien. Im Nachhinein stellte sich allerdings heraus, dass der <strong>Jugendliche</strong> sein Verschwinden selbst<br />

inszeniert hatte;<br />

14<br />

HOLMES 1980; IVINS 1980; ELSHOF 1981<br />

15<br />

Vgl. dazu: BITTNER 2002<br />

16<br />

LANCASTER 1994<br />

17<br />

THEUNERT/ DEMMLER/ KIRCHHOFF 2002, 142 „Eines ist unmissverständlich festzustellen: Ego-Shooter-Spiele generieren per se keine<br />

Amokläufer. Welche Macht- der Ohnmachtphantasien man auch immer am Bildschirm ausagiert haben mag, für das, was in der Realität passiert, sind<br />

die Gründe auch zuallererst in der Realität zu suchen.“<br />

18<br />

SIMÓN 1998; RAGHURAMAN 2000; MACKAY 2001

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