Jugendliche Alltagsgestaltung und Identitätsbildung mit ... - KOBRA
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2 Perspektive <strong>und</strong> Fokus - Literaturbericht <strong>und</strong> wissenschaftlicher Bezugsrahmen<br />
Einfache Artikulation bzw. modellierende Systeme<br />
Eine Lösung bietet sich an, die Alltagsästhetisierung der <strong>Jugendliche</strong>n wie eine Reihe anderer Codes nur als<br />
eine einfache Artikulation zu deuten, d.h. diese Systeme bestehen aus bedeutungshaften Elementen, deren nichtbedeutungshafte<br />
Basis-Elemente nicht vorhanden bzw. nicht erkennbar sind. Beispiele für derartige<br />
Artikulationsformen sind Verkehrszeichen, deren Untersymbole identisch <strong>mit</strong> den Funktionselementen sind 93 ,<br />
aber auch komplexere Systeme wie filmische bzw. fotografische Codes, die auf Motivated Signs basieren:<br />
34<br />
"It is impossible to break up the signifier without getting isomorphic segments of the signified." 94<br />
Für eine derartige Deutung der Medien-, Text- <strong>und</strong> Ereignis-Arrangements der <strong>Jugendliche</strong>n spricht gerade<br />
ebenfalls deren Komplexität. Auch die oft geringe Referentialität des Gestaltungshandelns von <strong>Jugendliche</strong>n<br />
könnte auf eine Nutzung des meist medien- bzw. marktver<strong>mit</strong>te lten Angebots an bedeutungshaften Elementen<br />
im Sinne einfacher Artikulation hinweisen.<br />
Einer reziproken analogen Begrifflichkeit folgt der Ansatz "Modellierender Systeme" nach CULLER. Hier wird<br />
die sek<strong>und</strong>äre Ebene als Meta-Struktur einer primären Ebene begriffen: Die primäre Ebene bilden hier die<br />
Zeichensysteme selbst, auf der sek<strong>und</strong>ären Ebene entstehen aus ihnen neue, komplexere Zeichensysteme. 95 Der<br />
Ansatz der Modellierenden Systeme wurde erfolgreich in der Analyse von Medien <strong>und</strong> Mediennutzung<br />
angewendet. So werden etwa literarische Texte als Systeme 2. Ordnung zu linguistischen Systemen <strong>und</strong><br />
filmische Texte als Systeme 2. Ordnung einer "graphischen Sprache" betrachtet. 96 Es bietet sich da<strong>mit</strong> an, in den<br />
Medien-, Text- <strong>und</strong> Ereignis-Arrangements jugendlicher Subkulturen ebenfalls Systeme 2. Ordnung zu sehen,<br />
die auf einem Basissystem symbolischer Objektivationen beruhen, die sich die <strong>Jugendliche</strong>n im Sinne einer<br />
f<strong>und</strong>amentalen Semantik 97 aneignen <strong>und</strong> nutzen. Aus der Re-Interpretation der Resultate dieses Prozesses<br />
entsteht demnach die Vorstellung einer grammatischen Struktur, der die <strong>Jugendliche</strong>n folgen, wohingegen diese<br />
Strukturierung eher Folge von genrespezifischer Konventionalisierung <strong>und</strong> code-interner Hierarchisierung von<br />
Bedeutungszuweisungen scheint, die als Skripts <strong>mit</strong> den von den <strong>Jugendliche</strong>n verwendeten symbolischen<br />
Objektivationen <strong>mit</strong> ver<strong>mit</strong>telt werden. Die sich in dieser Semantik manifestierende Erlebnisrationalität verweist<br />
auf zentrale Funktionen des Habitus der <strong>Jugendliche</strong>n als "geometrischer Ort der Determinismen <strong>und</strong><br />
Entscheidungen" 98 <strong>und</strong> als "generative Grammatik der Handlungsmuster" 99 , also als Ver<strong>mit</strong>tlung zwischen<br />
Struktur <strong>und</strong> Praxis. 100 Für die Bedeutungs- <strong>und</strong> Subjektkonstitution <strong>mit</strong>tels medienver<strong>mit</strong>telten symbolischen<br />
Materials akzentuiert BACHMAIR diese Interdependenz: "Die Sprache der <strong>Jugendliche</strong>n sind ihre<br />
Ereignisse." 101<br />
Intertextualität<br />
Das Konzept der sozialen Codes ermöglicht da<strong>mit</strong> ein semiotisches Verständnis komplexer jugendlicher<br />
Medien-, Text- <strong>und</strong> Ereignisarrangements.<br />
Der Strukturalismus tendiert dazu, Texte als voneinander unterscheidbare <strong>und</strong> getrennte Einheiten in ihren<br />
internen Strukturen zu betrachten. Strukturalisten scheinen stets in einem ersten analytischen Schritt die<br />
Grenzen eines Systems wie von Texten zu beschreiben <strong>und</strong> begeben sic h da<strong>mit</strong> der ontologischen Dimension<br />
der Phänomene.<br />
Die von Julia KRISTEVA (1980) konzipierte "Intertextualité" dagegen beschreibt eine Interdependenz von<br />
Autor <strong>und</strong> Leser (Horizontale Achse) <strong>und</strong> eine Interdependenz des Textes zu anderen Texten (Vertikale Achse).<br />
Gr<strong>und</strong>lage dieser Interdependenzen sind eine gegenseitige Integration ermöglichende soziale Codes (Prior<br />
Codes). Sie sind – in Anlehnung an FOUCAULT – die Resultate der dominanten gesellschaftlichen Diskurse.<br />
93 ECO 1976, 232<br />
94 METZ zit. n. NOETH 1990, 469<br />
95 CULLER 1985, 122<br />
96 ALTMAN 1999, 175; CHANDLER 2003, 233-234<br />
97 SCHULZE 1996, 348-363<br />
98 BOURDIEU 1983, 40<br />
99 BOURDIEU 1983, 150<br />
100 Vgl. dazu: KAP 2.2.4 Erlebnisrationalität <strong>und</strong> Erlebnisgesellschaft<br />
101 BACHMAIR 1998-05-07