Jugendliche Alltagsgestaltung und Identitätsbildung mit ... - KOBRA
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2 Perspektive <strong>und</strong> Fokus - Literaturbericht <strong>und</strong> wissenschaftlicher Bezugsrahmen<br />
Mediatisierte Gesellschaft<br />
Wirklichkeit existiert demnach als "gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit" 128 , d.h. Wirklichkeit wird<br />
als gestaltete Konstruktion von Objektivationen, also von systematischen Beziehungen von Zeichen <strong>und</strong><br />
Bezeichneten, zum Resultat menschlicher Subjektivität in der Interaktion bzw. Kommunikation dieser<br />
Objektivationen. Deren Kommunizierbarkeit bleibt den Symbolcharakter der Objektivationen gewährleistet,<br />
denn Symbole sind als Zeichen auch sprachlich ver<strong>mit</strong>telbar. Eine "intersubjektive" Wirklichkeit bedeutet<br />
deshalb auch Integration des Individuums in der Wirklichkeit <strong>mit</strong>tels des Dialogs. Wirklichkeit wird durch den<br />
Vorgang der Interaktion selbst konstituiert.<br />
Jede Gesellschaft entwickelt demnach in den Diskursen ihrer Subjekte im jeweiligen historischen, sozialen,<br />
politischen <strong>und</strong> kulturellen Kontext spezifische Objektivationen. In den postmodernen Gesellschaften verläuft<br />
dieser Konstitutionsprozess fast ausschließlich als Medienkommunikation. Die Bedeutung der Medien beruht<br />
dabei zum einen auf ihrer technischen Transferfunktion als Instrumente des Datentransfers innerhalb von<br />
Kommunikation- <strong>und</strong> Interaktion, dann weiter auf ihrer sozialen Funktion als Gr<strong>und</strong>lage symbolischer<br />
Interaktion <strong>und</strong> schließlich auf ihrer kulturellen Funktion als Archive von Deutungsschemata. 129<br />
40<br />
"Die neuen Angebote Multimedia [sind] für alle Lebensbereiche <strong>und</strong> gesellschaftliche Institutionen in<br />
gleicher Weise wichtig." 130<br />
Die Individuen agieren <strong>mit</strong>einander in einer mediatisierten Gesellschaft <strong>mit</strong>tels medienspezifischer<br />
Aneignungsprozesse <strong>und</strong> den ihnen genuinen symbolischen Darstellungen in individuellen Ausdrucksformen,<br />
geleitet von individuellen Interpretations- <strong>und</strong> Handlungsmustern, etwa nach handlungsleitenden Themen, nach<br />
medial ver<strong>mit</strong>telten Erlebnissen <strong>und</strong> Symbolik <strong>und</strong> in Korrelation zu den jeweiligen Handlungskontexten.<br />
Der durch technologische wie ökonomische Impulse ausgelöste informationelle Globalisierungsprozess führt<br />
einerseits zu synergetischen Effekten im Sinne des McLuhan'schen Global Village, andererseits stellt er eine<br />
Herausforderung für menschliche Kommunikations- <strong>und</strong> Interaktionsfähigkeiten dar. Seine prinzipielle<br />
Offenheit ist Resultat <strong>und</strong> Manifestation einer zunehmenden Individualisierung der Lebenswelten seiner<br />
Akteure. Sie garantiert freie Informationsver<strong>mit</strong>tlung für alle Interakteure <strong>und</strong> deren Botschaften. Die<br />
Strukturen von Kommunikation werden allein schon durch quantitative Entwicklungen wie die Zunahme der<br />
Anzahl der Kommunikatoren, der Informationsmengen, der Kanäle etc. erheblich komplexer als sie es heute<br />
sind. Anstatt multikultureller Empathien bringt die Globalisierung ebenso leicht Antipathien <strong>und</strong> Friktionen<br />
hervor: In den neuen Medien finden sich als deren Ausdruck Texte, die Ethno- <strong>und</strong> Xenophobien,<br />
Totalitarismen, Sexismus <strong>und</strong> Gewalt thematisieren. 131<br />
In der pädagogischen Perspektive ergibt sich angesichts der Komplexität einer mediatisierten globalen<br />
Kommunikation (<strong>und</strong> Gesellschaft) die Notwendigkeit, gerade Kindern <strong>und</strong> <strong>Jugendliche</strong>n <strong>mit</strong>tels geeigneter<br />
pädagogische Programme, aber auch <strong>mit</strong>tels rechtlicher Bestimmungen Orientierungshilfen zu geben.<br />
Die zunehmende Individualisierung der Gesellschaft führt zu einer Veränderung bisheriger unidirektionaler<br />
Medienkommunikation des Broad Casting zu interaktiven Formen, die nunmehr in erheblichen Maß von den<br />
Rezipienten <strong>und</strong> deren Alltagskontext anstatt von den klassischen Medienproduzenten her bestimmt werden.<br />
Da<strong>mit</strong> einher geht eine offensichtliche Abnahme der Face-to-face-Interaktion in Folge der Mediatisierung von<br />
Kommunikation <strong>und</strong> Interaktion in den neuen Informationswelten ("Distanzkommunikation" 132 ). SCHWIERs<br />
Beobachtungen zur Bedeutung der Körpererfahrung bei <strong>Jugendliche</strong>n der Streetsport-Szene könnte demnach<br />
neben ihrer Funktion als internalisierte Transzendierung jugendlicher Existenz auch als kompensierende<br />
Reaktion auf eine fortschreitende Mediatisierung jugendlicher Interaktionsformen verstanden werden. 133 Weiter<br />
lassen sich bei den Begrüßungsritualen der <strong>Jugendliche</strong>n (auch außerhalb der eigentlichen Szenen) vermehrt<br />
128 BERGER/ LUCKMANN 2001 (1964)<br />
129 BACHMAIR 1990, 57<br />
130 BAACKE 1997, 26<br />
131 Vgl. dazu: Phänomen <strong>und</strong> Begriff der 'Entropie' nach CSIKSZENTMIHALYI 1991, 36-39<br />
132 BAACKE 1997, 27<br />
133 SCHWIER 1997