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Jugendliche Alltagsgestaltung und Identitätsbildung mit ... - KOBRA

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2 Perspektive <strong>und</strong> Fokus - Literaturbericht <strong>und</strong> wissenschaftlicher Bezugsrahmen<br />

Die Analyse der Komplexität des Phänomens versucht GENETTE <strong>mit</strong> seinem Modell von "Transtextualität" in<br />

einer Typologie möglicher Interdependenzen zu ermöglichen. 118 Die Medien-, Text- <strong>und</strong> Ereignis-Arrangements<br />

der <strong>Jugendliche</strong>n stellen demnach unterschiedliche Verweisungszusammenhänge dar. Zitat, Plagiat <strong>und</strong><br />

Anspielung sind Formen von konkreter Intertextualität. Paratextualität besteht in der Beziehung der Texte zu<br />

ihrer Rahmung, bei den Medien-, Text- <strong>und</strong> Ereignis-Arrangements der Jugendkulturen etwa in den<br />

ritualisierten Formen der Interaktion oder in spezifischen Environments, in denen die Interaktion sich gestaltet.<br />

Die Interdependenzen, die eine Identifikation der Texte als Teil eines oder mehrerer Genres ermöglichen, stellen<br />

die Ebene der Architextualität dar. 119 Da<strong>mit</strong> verb<strong>und</strong>en, aber auch unabhängig davon sind Formen der expliziten<br />

<strong>und</strong> impliziten Kommentierung von Texten durch Texte (Metatextualität). Es bestehen weiter Interdependenzen<br />

von Texten <strong>und</strong> Genres zu ihren 'archetypischen', in der aktuellen Verwendung nunmehr aber vielfach<br />

modifizierten Basistexten (Hypotextualität), z.B. in Retro-Designs. Und schließlich erlauben die elektronischen<br />

Medien eine Just-in-time-Verlinkung von Texten wie etwa in den Chat- <strong>und</strong> Foren-Kulturen der jeweiligen<br />

Community <strong>und</strong> eine Auflösung der traditionellen Linearität 120 von Texten etwa in der Hypertextualität von<br />

Online-Browser-Spielen.<br />

In einem weiteren analytischen Verfahren untersucht CHANDLER Abstufungen <strong>und</strong> Grade von Intertextualität.<br />

Intertextualität kann nicht allein begriffen werden als Texteigenschaft, sie wird als gemeinsames Projekt von<br />

Autor <strong>und</strong> Rezipient zu einer Funktion, die nach ihrer Intention, Finalität <strong>und</strong> in ihrer Qualität unterschieden<br />

<strong>und</strong> beschrieben werden kann.<br />

Die Intertextualität der Medien-, Text- <strong>und</strong> Ereignis-Arrangements zielt demnach etwa auf Reflexivität<br />

("reflexivity") als Beschreibung von Intensität <strong>und</strong> Umfang der Selbst-Wahrnehmung, die durch Intertextualität<br />

erzeugt wird. Sie lässt sich aufzeigen nach der Kategorie der Veränderung ("alteration"), d.h. in welchem<br />

Umfang die Ausgangstexte eine Modifikation erfahren. Auch Intensität <strong>und</strong> Umfang der Eindeutigkeit<br />

("explicitness"), <strong>mit</strong> der die Interdependenz zu anderen Texten sich zeigen soll, sind Teil des Projekts von Autor<br />

<strong>und</strong> Rezipient. Eine weitere Funktion liegt in der Intensität bzw. dem Umfang der Bedeutung der erkennbaren<br />

Intertextualität für das Verständnis des Textes selbst ("criticality to comprehension") oder in der Form der<br />

Übernahme intertextueller Elemente, etwa als Anspielung, als Einbindung, als Verweis ("scale of adoption").<br />

Schließlich signalisiert Intertextualität auch in der Partizipation an größeren Strukturen wie Genre, Serie, Serial,<br />

Magazin, Ausstellung etc. eine strukturelle Offenheit ("structural unbo<strong>und</strong>edness"). 121<br />

Das Modell der Intertextualität ermöglicht letztlich eine kritische Umkehrung des Mimesis-Modells von der<br />

Funktion der Ästhetik als Abbildung von Wirklichkeit. Wirklichkeit wird zur Konstruktion auf der Basis von<br />

Erfahrungen, die auf der kontextuell bestimmten Aneignung <strong>und</strong> Entäußerung von Texten durch das Individuum<br />

beruhen. Lebenswirklichkeit, Lebenswelt <strong>und</strong> Alltag sind - realiter heteronom wie fiktional autonom - in einem<br />

hohen Maße kontextuell <strong>und</strong> im wesentlichen durch die an ihnen partizipierenden Individuen bestimmt.<br />

38<br />

"We are living in a society in which our perception is directed almost as often to representations as it is to<br />

'reality'." 122<br />

In diesem Sinne gibt es keine Erfahrung ohne Texte. Die Welt, wie wir sie kennen, ist hauptsächlich ihre<br />

aktuelle Darstellung.<br />

Resümee<br />

Mit dem von den Cultural Studies entwickelten semiotischen Ansatz eines Encoding bzw. Decoding liegt ein<br />

schlüssiges Modell für die Beschreibung der Aneignungs- <strong>und</strong> Entäußerungsprozesse der <strong>Jugendliche</strong>n in ihren<br />

(Sub-)Kulturen wie etwa der Fantasy-Rollenspiel-Szene vor. Die <strong>Jugendliche</strong>n greifen bei ihrem Bemühen,<br />

ihren Alltag <strong>und</strong> ihre Lebenswelt zu gestalten, auf symbolisches Material zurück, das ihnen insbesondere in <strong>und</strong><br />

von Medien, in Texten verschiedenster Formate <strong>und</strong> Genre <strong>und</strong> in spezifischen Erlebniskontexten geboten wird<br />

<strong>und</strong> das sie, gerade auch wegen der intertextuellen Bezüge, zu Medien-, Text- <strong>und</strong> Ereignis-Arrangements<br />

118<br />

GENETTE 1997<br />

119<br />

"'Kulturelles Gedächtnis", MIKOS 2003<br />

120<br />

BACHMAIR 1997, 243-257<br />

121<br />

CHANDLER 2001, 11<br />

122<br />

LASH 1990, 24

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