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Jugendliche Alltagsgestaltung und Identitätsbildung mit ... - KOBRA

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2 Perspektive <strong>und</strong> Fokus - Literaturbericht <strong>und</strong> wissenschaftlicher Bezugsrahmen<br />

der "Erlebnisorientierung" 173 . Die medial gestalteten <strong>und</strong> ver<strong>mit</strong>telten "Kulturinszenierungen" liefern dazu den<br />

Individuen vordergründig Handlungsanweisungen, "Skripts" 174 . Mit deren individuellen Ausgestaltung in<br />

persönlichen Arrangements von Medien-, Texten- <strong>und</strong> Ereignissen weisen ihnen die <strong>Jugendliche</strong>n Bedeutung zu<br />

<strong>und</strong> erfahren <strong>mit</strong> ihnen Konsistenz. Gerade in der konkret-individuellen Umsetzung dieser Skripts zeigt sich bei<br />

Kindern <strong>und</strong> <strong>Jugendliche</strong>n eine wachsende Akzentuierung <strong>und</strong> Wendung zu sensitiv-haptischer Erfahrung. Es<br />

entsteht da<strong>mit</strong> eine (dialektische) Antithetik von medial-virtuellem <strong>und</strong> konkret-sensitiv erfahrenem Erlebnis.<br />

Sozialer Raum dieser konkret-sensitiven Erfahrung sind noch die Familie <strong>und</strong> zunehmend die Gruppe der<br />

Peers 175 , sozialer Raum der virtuellen Erfahrung sind Szenen, Subkulturen, Milieus.<br />

Mythos<br />

46<br />

"Da<strong>mit</strong> bekommt der Alltag als die vorrangige Wirklichkeit des heutigen Lebens <strong>mit</strong> der körperlichen<br />

Erfahrung seinen zweiten Brennpunkt neben dem Brennpunkt des Virtuellen. Dies ist einer der Gründe,<br />

warum Szenen <strong>und</strong> deren Stile die Familie <strong>und</strong> die Peers als sozialen Bezugsrahmen ergänzen." 176<br />

Der Erfolg einer individuell konzipierten <strong>und</strong> realisierten <strong>Identitätsbildung</strong> beruht zum einen auf der<br />

Individualisierung von Aneignung <strong>und</strong> Entäußerung <strong>mit</strong>tels intertextueller Medienkommunikation, zum anderen<br />

aber auf der Integration individuellen Handelns <strong>mit</strong>tels einer "Fortschreibung mythischer Erzählungen <strong>und</strong><br />

Figuren" 177 , die dem individuellen Handeln des De- <strong>und</strong> Enkodierens eine transzendente Perspektive<br />

verschaffen.<br />

"Die scheinbar unzeitgemäße Textform der Mythen verbindet sich <strong>mit</strong> Informationstechnologie <strong>und</strong> bildet<br />

den gemeinsamen kulturellen Rahmen bei fortschreitender Individualisierung." 178<br />

Eine Ästhetisierung des Alltags <strong>mit</strong> mythischen Fiktionsformaten, wie sie typisch für die kollektiven<br />

Fiktionalisierungen der <strong>Jugendliche</strong>n etwa der Fantasy-Rollenspiel-Szene, aber auch einer Vielzahl weiterer<br />

Jugendszenen ist, dient der Transzendierung des Alltags, etwa in den Welten des Horrors <strong>und</strong> der Utopie, von<br />

Ohnmacht <strong>und</strong> Macht. Deren Einbindung in die Medienkommunikation erzeugt da<strong>mit</strong> weitere <strong>und</strong> neue<br />

symbolische Objektivationen, die wiederum die Medienkultur prägen.<br />

Der Mythos prägt den dominanten sozialen Code, hier: die Medienkommunikation, als diachrone Beschreibung,<br />

Strukturierung <strong>und</strong> Organisation der Interdependenz von Individuum zu sich selbst, dem anderen <strong>und</strong> zu seiner<br />

Umwelt.<br />

Mythos ist die kreative Gestaltung einer Auseinandersetzung des Individuums <strong>mit</strong> seiner Wirklichkeit <strong>mit</strong>tels<br />

eines Theorems. Er sieht sich selbst als die Auseinandersetzung <strong>mit</strong> Wirklichkeit <strong>und</strong> versteht sich dynamisch.<br />

Seine Dynamik ist diskursiv, antagonistisch <strong>und</strong> eschatologisch konzipiert. Der Mythos führt die<br />

Auseinandersetzung <strong>mit</strong> Wirklichkeit auf kognitiver wie affektiver Ebene. Beide Wahrnehmungs- <strong>und</strong><br />

Erklärungsformen sind gültig <strong>und</strong> stehen zueinander in einem dialektischen Verhältnis, das in einer Hyper-<br />

Rationalität Ausdruck findet. Mythos ist Handeln, nicht Reflexion. Er bildet die soziale Wirklichkeit seines<br />

Kontextes als Projektionen ab <strong>und</strong> integriert aufgr<strong>und</strong> seiner eschatologischen Dynamik Tod <strong>und</strong> Leben. Der<br />

Mythos konstituiert eine spezifische Perzeption von Wirklichkeit. Entscheidend ist dabei die Vermischung<br />

evidenter bzw. logischer wie rationaler, kausal-konditionaler Verknüpfungen zwischen den Figurationen <strong>mit</strong><br />

final strukturierten Interdependenzen. 179<br />

Das Erlebnis der Grenzüberschreitung, d.h. einer an sich unzulässigen Verknüpfung von hyper-rationalen<br />

Mythos <strong>und</strong> kausal-rationalen Medien, wird zur konstituierenden Moment individueller <strong>Identitätsbildung</strong>. Die<br />

Medienkommunikation ermöglicht den Zugang zu einem ubiquitär wie unbegrenzt scheinenden Archiv an<br />

173<br />

SCHULZE 1996, 34-40; 232-234; 736: Situationsübergreifende Tendenz eines Menschen, sein Handeln an dem Ziel auszurichten, vorübergehende<br />

psychophysische Prozesse positiver Valenz ("schöne Erlebnisse") bei sich selbst herbeizuführen (Synonym: Innenorientierung). "[...] Mit der<br />

Vermehrung der Möglichkeiten ist Erlebnisorientierung zur normalen existentiellen Problemdefinition geworden."<br />

174<br />

HENGST 1990, 191-209<br />

175<br />

RESEARCH & MEDIA MARKETING 2003, 15: "Die Fre<strong>und</strong>e sind die wichtigste Bezugsgruppe für <strong>Jugendliche</strong> – noch vor den Eltern."<br />

176<br />

BACHMAIR 1991, 236<br />

177<br />

BACHMAIR 1993, 52<br />

178<br />

BACHMAIR 1996, 36<br />

179<br />

DUPRÈ 1973, 948-956; PAETZOLD 1994, 1-20

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