digital narratives· der Einfluss neuer Bilder auf den Spielfilm - Betacity
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lässt. 12 Der Film evoziert Zweifel über die Organisation <strong>der</strong> Weltwahrnehmung, indem er <strong>auf</strong> seine<br />
eigentliche filmische Realität als Bewusstseinskonstrukt anspielt. Er bringt <strong>auf</strong> diese Weise,<br />
mit einem zugegebenen Anspruch ans Populäre, einen oft ausgeblendeten Wirklichkeitszusammenhang<br />
zur Darstellung: die fortschreitende Virtualisierung <strong>der</strong> Gesellschaft. So sind es <strong>auf</strong><br />
die fiktive Filmform übertragene Ideen o<strong>der</strong> Visionen <strong>der</strong> realen Existenz, die sich in <strong>der</strong> Matrix<br />
wie<strong>der</strong>fin<strong>den</strong>, wie z.B. geistig und emotional gesteigertes Erleben bei völliger körperlicher Inaktivität.<br />
Solche Gedanken kommen <strong>auf</strong>, wenn man sich das Potpourri des Home-Entertainment-Sektors,<br />
virtueller Shopping-Angebote und Telearbeit ansieht. Der Mensch wird <strong>der</strong> Erfahrung<br />
seiner Körperlichkeit durch zunehmende Inaktivität beraubt. Derartige allgemeine<br />
Strömungen wer<strong>den</strong> als Verlustängste in <strong>der</strong> Matrix o<strong>der</strong> Gegenrevolution <strong>der</strong> Körperlichkeit in<br />
Fight Club thematisiert.<br />
Der Virtualisierungs- und Simulationsgedanke spiegelt sich <strong>auf</strong> ästhetischer Ebene in <strong>der</strong><br />
Durchsetzung des photographischen Abbilds mit <strong>digital</strong>en Elementen. Dabei sind die einzelnen<br />
Phasen <strong>der</strong> Bearbeitung des Bildes zwischen Aufnahme und Produktion nicht sichtbar und in<br />
<strong>der</strong> filmischen Wahrnehmung auch nicht präsent. Sie scheinen vielmehr als beson<strong>der</strong>e Eigenschaften<br />
<strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> selbst. 13 Das rückt die neuen <strong>digital</strong> durchwebten Filmbil<strong>der</strong> in die Nähe <strong>der</strong><br />
geistigen Einbildungskraft, die bereits im Kapitel über die Charakteristika analoger und <strong>digital</strong>er<br />
Bil<strong>der</strong> erwähnt wurde. Die Theorie <strong>der</strong> Einbildungskraft des Psychologen und Hermeneutikers<br />
Wilhelm Dilthey [1833–1911] gewinnt in <strong>den</strong> Filmen Matrix und Fight Club wie<strong>der</strong>um <strong>auf</strong><br />
konzeptueller und inhaltlicher Ebene eine beson<strong>der</strong>e Bedeutung. So wer<strong>den</strong> in diesen Filmen<br />
die <strong>digital</strong>en Mittel explizit dazu eingesetzt, geistige Zustände, Bil<strong>der</strong> vor dem geistigen Auge in<br />
<strong>der</strong> Einbildung <strong>der</strong> handlungsrelevanten Personen darzustellen. Die Diltheyschen Kategorien<br />
erhalten damit <strong>auf</strong> inhaltlicher wie <strong>auf</strong> formaler und bildkonstitutiver Ebene Geltung. Dilthey<br />
koppelt die Inneren Bil<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Aufzeichnung <strong>der</strong> vorgegebenen Wirklichkeit ab und sieht<br />
ihren Ursprung in <strong>der</strong> Funktion <strong>der</strong>selben Bewusstseinsstruktur <strong>der</strong> Einbildung in <strong>den</strong> Bereichen<br />
des Träumens, des Wahnsinns und <strong>der</strong> schaffen<strong>den</strong> Kraft des Genies. 14 Das künstlerische<br />
Genie vermag die Fähigkeit zur Einbildung im Gegensatz zu <strong>den</strong> an<strong>der</strong>en krankhaften Ausformungen<br />
genau zu kontrollieren. Es filtert die aktuellen Begebenheiten <strong>der</strong> Wahrnehmung nicht<br />
nach pragmatischen Kriterien, son<strong>der</strong>n hält die ganze Fülle des Erlebten in <strong>der</strong> Erinnerung präsent.<br />
Dar<strong>auf</strong> beruht nach Dilthey die Intensität und Genauigkeit <strong>der</strong> künstlerischen Bil<strong>der</strong>.